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Ende der Breschnew-Doktrin
Im Juli 1989 findet ein Gipfeltreffen der Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts in Bukarest statt. Zum Abschluss wird am 8. Juli eine Erklärung veröffentlicht, die ausdrücklich das Recht eines jeden Mitgliedslandes anerkennt, selbst über seine ökonomische, gesellschaftspolitische und staatliche Ordnung zu bestimmen. Jede Einmischung von Seiten eines anderen Landes (auch Bündnispartner!) wird als unzulässig verurteilt.
Dies ist die Abkehr von der Breschnew-Doktrin, die die Zugehörigkeit zum Warschauer Pakt mit der Einschränkung der Souveränität der einzelnen Länder verband.
Doch noch befindet sich ein riesiges Arsenal sowjetischen Militärs in den Mitgliedsländern. Sowjetische Kasernen sind dabei exterritoriale Gebiete.
Rechlin (Bezirk Neubrandenburg; heute: Mecklenburg-Vorpommern) | Quelle: ČTK
Vilnius (Litauen): „RED ARMY GO HOME“
Die Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechts der Völker nährt auch die Hoffnung im Vielvölkerstaat nach Unabhängigkeit. Im Baltikum versteht man sich als ähnlich militärisch besetzt, wie die ost-mitteleuropäischen Staaten. Im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes von 1939 wurden die baltischen Länder von der Sowjetunion besetzt und verloren ihre Souveränität.
Nationalitätenkonflikte
Der Zerfallsprozess der Sowjetunion wird durch ethnische Konflikte eingeleitet.
Armenien |
In der Folgezeit häufen sich die ethnischen Konflikte auch in anderen Gebieten des Sowjetreiches, so in Kasachstan, Usbekistan, Moldawien, Südossetien und Abchasien.
Georgien: „Die Tragödie von Tbilisi“ |
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„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“
Gorbatschow und Honecker, Berlin am 7.10.1989 | Quelle: ČTK
Zum 40. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1989 reist Gorbatschow am Tag zuvor nach Ost-Berlin. Während dieses Besuchs entsteht eines der Schlagwörter der Friedlichen Revolution in der DDR: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“
Dieser zur Redewendung gewordene Satz wird dem sowjetischen Reformer in den Mund gelegt, als er auf dem Flughafen von SED-Chef Honecker empfangen wird.
Vom Flughafen in Schönefeld wird Gorbatschow durch ein leergeräumtes Ostberlin gefahren, um potentielle Sympathiebekundungen für die sowjetischen Reformen zu verhindern. Protokollgerecht legt er am „Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus“, der Neuen Wache, einen Kranz nieder. Spontan gibt er gegenüber dem wartenden ARD-Fernsehteam ein Statement ab, das der DDR-Dolmetscher derart übersetzt: „Ich glaube, Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren. Und wer die vom Leben ausgehenden Impulse - die von der Gesellschaft ausgehenden Impulse - aufgreift und dementsprechend seine Politik gestaltet, der dürfte keine Schwierigkeiten haben. Das ist eine normale Erscheinung."
Am nächsten Tag, dem 7. Oktober, spricht Gorbatschow vor dem Politbüro der SED. Danach finden die ritualisierte Armeeparade und der bestellte Jubel für die SED-Spitze statt. Gegen 18 Uhr gibt Gennadi Gerassimow, der außenpolitische Sprecher Gorbatschows, eine Pressekonferenz. Hier fällt erstmals – auf Englisch – der berühmte Satz:
Bereits eine halbe Stunde später geht die deutsche Übersetzung durch die Presseagenturen.
Doch an wen richten sich diese Aussagen? Vermutlich ist nicht die Partei- und Staatsführung der DDR gemeint. Sowohl Gorbatschow als auch Gerassimow zielen eher auf ihre Kritiker im eigenen Land.
Das angebliche Gorbatschow-Zitat ist bald darauf in aller Munde. Es lässt sich in einmalig treffender Art und Weise auf den Anachronismus der DDR-Verhältnisse projizieren.
Die Redewendung illustriert den für jeden sichtbaren Widerspruch zwischen offiziöser Jahrestagfeier und den Protestdemonstrationen in mehreren Städten, den Phrasen vom Arbeiter- und Bauernstaat und gleichzeitiger Massenflucht, der Beschwörung des deutsch-sowjetischen „Bruderbundes“ und dem Verbot sowjetischer Periodika.
„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“