Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Gefördert durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

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Chruschtschows Sturz

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Universal newsreel: „Die Frage bleibt, ob er etwas damit zu tun hatte, den Abgang seines Chefs zu beschleunigen.“

Am 14. Oktober 1964 muss Chruschtschow auf Druck seines einstigen Günstlings Leonid Breschnew zurücktreten - offiziell auf eigenen Wunsch ob seines hohen Alters (70 Jahre) und Gesundheitszustands.
Chruschtschows oft eigenmächtige Politik verprellt die Funktionäre, indem er z.B. altgediente „Kader“ entließ. Seine versprochenen Reformen in der Industrie und Landwirtschaft greifen nicht. Sein Zerwürfnis mit China spaltet die kommunistische Weltbewegung. Schließlich führt seine Unberechenbarkeit der Entscheidungen zu einer Verschwörung in der Parteispitze.

Quelle: net-filmBereits drei Tage später, am 17.10., erscheint in der Parteizeitung „Prawda“ (Wahrheit) ein in „parteikyrillisch“ verfasstes Statement über die Neuausrichtung des politischen Kurses und eine Abrechnung mit Chruschtschow, ohne dass dessen Name genannt wird.

In Abgrenzung zu Chruschtschow und zur Rechtfertigung seines Sturzes propagiert Breschnew die „Kollektivführung“:

„Die Leninsche Partei ist Feind des Subjektivismus und des Selbstlaufs im kommunistischen Aufbau. Fremd sind ihr Phantasterei, verfrühte Schlußfolgerungen und übereilte, von der Realität losgelöste Entscheidungen und Handlungen, Prahlerei und leeres Gerede, Hang zum Administrieren und Ignorieren dessen, was Wissenschaft und praktische Erfahrung schon erarbeitet haben. Der Aufbau des Kommunismus ist eine lebendige, eine schöpferische Aufgabe, die keine bürokratischen Methoden, keine eigenmächtigen Entscheidungen, kein Ignorieren der praktischen Erfahrungen der Massen duldet. Die Kollektivität der Führung ist das Wichtigste dieser Prinzipien, die erprobte Waffe, das höchste politische Gemeingut unserer Partei.“
Quelle: Neues Deutschland 17.10.1964

 

Breschnew selbst präsentiert nach außen den „Unschuldigen“ beim Sturz Chruschtschows. Er kommt erst drei Tage vor der entscheidenden Präsidiumssitzung nach einwöchigem (!) Aufenthalt in der DDR am 11. Oktober nach Moskau zurück.

Leonid Breschnew | Quelle: Bundesarchiv

Unter Breschnew entwickeln sich Vetternwirtschaft, Korruption und feste Beziehungsgeflechte (Clan-Strukturen).

Infografik

Löhne und Prämien, Ausstattung des Arbeitsplatzes, Größe der Wohnung, Erholungsort, ärztliche Betreuung und soziale Dienstleistungen sind dieser strengen Hierarchie unterworfen. Bedürfnisse und Fähigkeiten sind damit ebenfalls fest fixiert.
So brauche z.B. ein Usbeke keine große Wohnung, denn er besitzt keine Bücher, Bilder usw., da er nicht über das intellektuelle Niveau (der Russen) verfügt. Oder: Ein Bauer bleibt ein Bauer, wenn er keine „Beziehungen“ hat.

 

Visafrei bis zum Stillen Ozean?

Visafrei bis zur Ostsee | Quelle: Bundesarchiv / ABLAnfang 1964 schließen die Sowjetunion und die DDR ein Abkommen über die Möglichkeit visafreier Privatreisen. Der bürokratische Aufwand ist aber enorm.
Man benötigt eine "Reiseanlage für den visafreien Reiseverkehr", die zusammen mit dem "Antrag auf Ausreise aus der Deutschen Demokratischen Republik" und dem Personalausweis gültig ist. Diese Reiseanlage wird von den Volkspolizeikreisämtern der DDR ausgestellt. Um diese allerdings zu bekommen, ist eine von sowjetischer Seite bestätigte "formgebundene Einladung" in kyrillischer Schrift vorzulegen.
Eine solche Einladung ist also, ohne persönliche Beziehungen in die Sowjetunion kaum zu bekommen.

Geregelt wird auch der Durchreiseverkehr mittels Transit-Visum durch die Sowjetunion. Damit hat man die Berechtigung, sich maximal 3 Tage in der Sowjetunion aufzuhalten.

Das Abkommen bleibt weitgehend unbekannt, da nichts davon in der Presse oder den DDR-Gesetzesblättern mitgeteilt wird. Erst im August 1968, nachdem im Zuge des Einmarschs der Truppen des Warschauer Paktes die Grenzen zur Tschechoslowakei geschlossen werden und tausende Urlauber in Ungarn, Rumänien und Bulgarien festsitzen, erfahren diese durch die DDR-Botschaften von der Möglichkeit, über die Sowjetunion und Polen zurück zu gelangen.

Die Reiseroute wird von sowjetischer Seite festgelegt. Ein Abweichen von der vorgeschriebenen „Маршрут“ (Marschrut) kann bei Kontrollen zu einigen Schwierigkeiten führen, denn jeder Tourist ist ein potentieller Spion.

 

„Unerkannt durch Freundesland“

Das Bedürfnis zu reisen, ist auch in der DDR sehr groß. Seit den 1970er Jahren nutzen immer mehr Abenteurer und Bergsteiger die Schwächen der Bürokratie aus, um den kleinen „legalen“ Reisehorizont zu erweitern und in die große Sowjetunion zu kommen.

Katalysator Tschernobyl

Am 26. April 1986 explodiert Block 4 des Kernkraftwerkes Tschernobyl (Ukraine). Die nukleare Katastrophe löst weltweit einen Schock aus und stellt die Nutzung der Atomenergie generell in Frage.

„Ein Akt von Selbstbehauptung“

Das Wort hat seinen Ausgang in der Sowjetunion der 1940er Jahre, als der Dichter Nikolai Glaskow seine Gedichte als handgeschriebene Exemplare unter dem Namen „Samsebjaisdat“ (Sich-selbst-Verlag) herausgibt.

"... heißt siegen lernen“

Als Mitte der 1980er Jahre durch Gorbatschows Glasnost-Politik in der Sowjetunion ein liberaleres Klima entsteht, werden auch in der DDR Hoffnungen wach. Schließlich folgte die SED dem „Großen Bruder“ bisher wie ein Schatten.

Themenblock Sowjetunion

„Von der Sowjetunion lernen ...“

Stalinismus meint die Herrschaftsausübung der durch Stalin kultivierten Strukturen des Machterhalts und Machtausbaus. Reale und vor allem eingebildete politische Gegnerschaft bedeutet deren physische Vernichtung.


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