Am 15. Januar 1989 demonstrierten nach einem Aufruf der "Initiative zur demokratischen Erneuerung der Gesellschaft" etwa 500 Menschen in Leipzig für demokratische Grundrechte wie Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit.
Bereits am 11. Januar beginnt die Initiative 5.000 Flugblätter an Leipziger Haushalte zu verteilen. Die Leipziger Oppositionellen rufen darin zu einer Gedenkdemonstration zur offiziellen staatlichen Kundgebung für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg auf.
Die Staatssicherheit nimmt in der ersten Nacht der Flugblattverteilung zwei Oppositionelle fest, weitere zehn folgen in den nächsten Tagen. Außerdem sammelt die Stasi in einer großangelegten Nachtaktion unzählige der Flugblätter wieder ein. Mit Pinzetten und anderen Hilfsmitteln angeln sie die Flugblätter aus den Briefkästen der Leipziger.
Fred Kowasch, einer der Oppositionellen in Leipzig, hält am 15.01.1989 auf dem Marktplatz eine Rede und fordert die Freilassung der Inhaftierten.
Nach der Rede soll der Weg der Demonstranten zum Geburtshaus von Karl Liebknecht führen. Nach ca. 450 gelaufenen Metern löst die Polizei die Demonstration auf und nimmt 53 Demonstranten fest.
Die Polizeiaktion ruft große Proteste hervor. Wegen des großen Drucks im In- und Ausland und der vielen Protestaktionen im Land werden die Festgenommenen alle bis zum 19.01.1989 wieder freigelassen.
Erinnerungsbericht von Uwe Schwabe
Uwe Schwabe, einer der Flugblattverteiler, schrieb im Februar 1989 kurz nach der Untersuchungshaft einen Bericht über seine Hafterfahrungen. Nach der Möglichkeit der Einsichtnahme in die MfS Unterlagen und Vernehmungsprotokolle, wurde dieser Text 2020 ergänzt und überarbeitet.
"Hände auf den Rücken! Gesicht zur Wand!"
(U. Schwabe bei der Besichtigung seiner Zelle im Sommer 1990. Untersuchungshaftanstalt des MfS in Leipzig. Quelle: Johannes Beleites)
Dokumente
Flugblatt der "Initiative zur demokratischen Erneuerung unserer Gesellschaft" für die Demonstration am 15. Januar 1989
Rede von Fred Kowasch auf dem Marktplatz, 15.01.1989
Strafprozessvollmacht für Rechtsanwalt Wolfgang Schnur (alias IM "Torsten")
Tonaufnahme der Vernehmung von Frank Sellentin am 13.01.1989 in der Untersuchungshaft. Frank Sellentin und Rainer Müller waren an der Vorbereitung und der Verteilung der Flugblattaktion beteiligt und wohnten zusammen in einer Wohngemeinschaft in der Mariannenstr. 46. (Quelle: Peter Wensierski)
Solidaritätsschreiben:
Erklärung der Initiative für Frieden und Menschenrechte, 15.01.1989
Erklärung der polnisch-tschecheslowakischen Solidarität, 15.01.1989
Telegramm an Erich Honecker von Petra Kelly (Mitglied des Deutschen Bundestages) und Gert Bastian ("Generale für den Frieden"), 15.01.1989
Protesterklärung der Umweltbibliothek Berlin
Rundschreiben des Ev.-Luth. Landeskirchenamtes Sachsen an alle Kirchgemeinden der Landeskirche Sachsen, 17.01.1989
Sammlung von Unterschriften der Grünen Alternativen Bürgerliste / Grüne aus Leipzigs Partnerstadt Hannover, 22.01.1989 - nachweisbar sind 120 Unterschriften
Schreiben der St. Andreas - St. Markus Kirchgemeinde Berlin an das Landeskirchenamt Sachsen, 22.01.1989
Stasi-Dokument:
Vorschlag zum Abschluss der Ermittlungsverfahren gegen ARNOLD und andere, 19.01.1989
Buch & Film
Peter Wensierski beschreibt die Aktion und die Geschichte der Leipziger Opposition 2017 in seinem Buch:
Einen kurzen Ausschnitt des Buches zitiert Peter Wensiierski in einem Artikel für die Bundeszentrale für politische Bildung: "Mutbürger - Ein Rollentausch in Leipzig: Die Stasi im Visier".
Darin wird die Befragung von Michael Arnold durch die Stasi rekonstruiert.
Leseprobe zu den Ereignissen am 15. Januar 1989 in der Leipziger Innenstadt
Quelle: Bürgerkomitee Leipzig e.V. Träger der Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke"BStU, BVfS Leipzig, AU, 472/89, UV
Das Buch "Die unendliche Leichtigkeit der Revolution" wurde 2020/21 von der UFA für das Fernsehen verfilmt und soll im Frühjahr 2021 gesendet werden.
Weiterer Buchtipp
Weg in den AufstandHrsg. v. Peter Grimm, Thomas Rudolph, Frank Wolfgang Sonntag