Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

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1978

26. bis 28. Mai: Am Rande des Kirchentages, bei dem zum erstenmal nach über 20 Jahren wieder Messehallen und Freiflächen genutzt werden konnten, kommt es zu Protesten gegen die geplante Einführung eines Wehrkundeunterrichtes.

14. Juni: In einem Brief an die Gemeinden faßt die Konferenz der Kirchenleitungen ihre Bedenken an der Einführung des Wehrkundeunterrichtes an den allgemeinbildenden Schulen der DDR zusammen und ruft die Gemeinden zur "Erziehung zum Frieden" auf.

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1979

27. Dezember: Die Sowjetunion schickt Militär nach Afghanistan.

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1980

Frühjahr: Die Konferenz der Kirchenleitung gibt für die Arbeit in den Gemeinden ein "Rahmenkonzept Erziehung zum Frieden" heraus.

13. März: Konsultation der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Bund Evangelischer Kirchen in der DDR zu Friedensfragen.

17. März: Die Vorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR treffen sich mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen und sprechen vor allem über den Friedensauftrag der Kirchen.

30. Mai: Das Landeskirchenamt Dresden ruft die sächsischen Gemeinden zur Fürbitte für Hans-Jörg Weigel (Friedenskreis Königswalde) nach dessen Verhaftung wegen "staatsfeindlicher Hetze" auf.

30. Juni: Eine neue Veranstaltungsordnung tritt in Kraft. Sie bestimmt, daß Veranstaltungen der "Massenorganisationen" und der bei den staatlichen Organen erfaßten Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht genehmigungspflichtig sind. Als Voraussetzung für die kirchlichen Veranstaltungen wurde festgelegt, daß "sie in eigenen oder von ihnen zu Veranstaltungen ständig genutzten Räumlichkeiten und von im Dienst der Kirchen und Religionsgemeinschaften stehenden Mitarbeitern und Laien durchgeführt werden."

14. Juli: Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR rufen für den 9. November zu Bittgottesdiensten für den Frieden auf.

22. August: Bundeskanzler Helmut Schmidt sagt sein Treffen mit Erich Honecker ab.

19. bis 23. September: Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR in Leipzig stellt fest, "daß die Arbeit für den Frieden von den Kirchen nicht mehr als eine gelegentliche Aufgabe, sondern als eine der wichtigsten Herausforderungen an ihr Zeugnis und ihren Dienst verstanden und praktiziert werden muß".

9. Oktober: Der Mindestumtausch für Besucher aus der Bundesrepublik wird auf 25,- DM pro Tag angehoben.

18. bis 22. Oktober: Tagung der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in Dresden. Der Staat verbietet die Teilnahme von westlichen Journalisten. Die Synode lehnt die Unterstützung der Initiative für einen Sozialen Friedensdienst ab.

23./24. Oktober: Grünes Wochendende der im Frühjahr entstandenen AG Umweltschutz in der Michaeliskirche in Leipzig.

9. bis 19. November: Friedensdekade der evangelischen Kirchen unter dem Thema "Frieden schaffen ohne Waffen" in Deutschland. Die geplante Friedensminute am Buß- und Bettag mit Glockenläuten um 13.00 Uhr wird von der DDR-Regierung verboten. Die Sächsische Kirchenleitung läßt jedoch die Glocken am 19. November um 13.15 Uhr läuten. - Mit einer Gesprächskampagne versuchen staatliche Stellen auf die Gestaltung der Friedensdekade Einfluß zu nehmen. Viele Pfarrer betonen den gesamtdeutschen Charakter der Friedensdekade und gestalten die Andachten entsprechend.

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1981

Februar: Im "Mitteilungsblatt des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR" dürfen u.a. die Passagen des Berichtes der Konferenz der Kirchenleitungen zum Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan nicht erscheinen.

Februar: In der Nikolaikirche ist eine Ausstellung zu Umweltfragen zu sehen.

18. März: Zum sogenannten "Messemännerabend" in der Nikolaikirche spricht Bischof Albrecht Schönherr über das Antirassismusprogramm des Weltkirchenrates.

21. bis 25. März: Frühjahrssynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Während der öffentlichen Fragestunde erklärt der Präsident des Dresdener Landeskirchenamtes, Kurt Domsch, daß die Kirche bei Fragen des Mindestumtausches und des Wehrdienstes bei staatlichen Stellen "deutlich an Grenzen der Gesprächsmöglichkeiten" stößt.

28. März: Die Polizei verhaftet 94 Jugendliche, die sich in einem leerstehenden Haus in Leipzig-Lindenau die Fernsehsendung "Rockpalast" ansahen.

25. April: Gottfried Forck wird Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Region Ost).

9. Mai: Der Aufruf zum Sozialen Friedensdienst (SoFD), u.a. von Pf. Wonneberger verfaßt, wird nach mehreren Monaten der Vorarbeit verabschiedet.

23. bis 28. Juni: Die in Gera tagende Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR stellt sich hinter die Forderung nach einem zivilen Friedensdienst.

6. August: Da staatliche Stellen der evangelischen Kirche vorwerfen, eine an diesem Tag für 17.00 Uhr geplante Demonstration für einen Sozialen Friedensdienst zu unterstützen, werden die Thomas- und die Nikolaikirche schon 16.00 Uhr geschlossen. Jugendliche, die die Demonstration aus Anlaß des Jahrestages des Atombombenabwurfs über Hiroshima vorbereitet hatten, werden vom MfS festgenommen.

16. bis 27. August: Während der Tagung des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen in Dresden informieren sich westliche Journalisten über die Initiative zum Sozialen Friedensdienst.

1. September: Bundesdeutsche Medien berichten über die Inhaftierungen der Mitglieder der Evangelischen Studentengemeinde Berlin Eckart Hübener und Klaus Teßmann durch die Staatssicherheit. - Zu Beginn des neuen Schuljahres tritt die "Anweisung zur Vorbereitung und Durchführung der vormilitärischen Ausbildung und Sanitätsausbildung an den erweiterten allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen und Spezialschulen" des Volksbildungsministeriums in Kraft. Damit wird u.a. eine 12tägige vormilitärische Ausbildung während der Ferien für die 11. Klassen obligatorisch.

12. September: Der Staatssekretär für Kirchenfragen lehnt jedes staatliche Eingehen auf die SoFD-Initiative ab.

22. September: Die Bundessynode ruft, ähnlich wie der Zentralausschuß des Ökumenischen Rates der Kirchen, seine Mitgliedskirchen, die Gliedkirchen des Bundes auf, "ihr Engagement für den Frieden zu verstärken". Bischof Werner Krusche (Magdeburg) wird Nachfolger von Albrecht Schönherr als Vorsitzender der Konferenz der Kirchenleitungen.

24. September: Pfarrer Rainer Eppelmann fordert Erich Honecker zu "17 vertrauensbildenden Maßnahmen" auf; u.a. soll sich die DDR für die Schaffung einer kernwaffenfreien Zone in Mitteleuropa, für den Abzug aller ausländischen Truppen und die Entmilitarisierung Deutschlands einsetzt. Außerdem fordert er die Abschaffung des Wehrkundeunterrichts und der vormilitärischen Ausbildung an den Schulen, den Verzicht auf Militärparaden und Repräsentation von militärischem Gerät bei Volksfesten.

26. September: Bischof Werner Krusche sagte in einem SFB-Interview, daß die evangelischen Kirchen sich weiterhin für den Sozialen Friedensdienst einsetzen werden.

6. Oktober: Offener Brief von Robert Havemann, Rainer Eppelmann und anderen Bürgern aus Ost- und Westdeutschland an den sowjetischen Partei- und Staatschef Leonid Breschnew.

10. Oktober: An der Demonstration gegen den NATO-Doppelbeschluß in Bonn nehmen ca. 300.000 Menschen teil.

10./11. Oktober: Am Friedensseminar in Königswalde zum Thema "Den Frieden lernen im Konfliktfeld Europa" nehmen über 400 Personen teil.

17./18. Oktober: Beim Friedensseminar in Meißen treffen sich ca. 140 Teilnehmer zum Thema "Die gewaltfreie Aktion".

17. bis 21. Oktober: Herbstsynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in Dresden. Bei der Synode gehen über 800 Eingaben mit 2000 Unterschriften zum Sozialen Friedensdienst ein. Die Absender der Eingaben erhalten daraufhin ein einstimmig beschlossenes Antwortschreiben. Bischof Hempel erklärt in seinem Tätigkeitsbericht, daß der Dienst in der Gesellschaft nur "zwischen Verweigerung und Anpassung" möglich sei. "Solch einen Weg zu finden, ist aber nicht nur von staatlicher Erlaubnis abhängig, sondern... von unserer Vollmacht".

24. Oktober: Baumpflanzaktion der AG Umweltschutz in Leipzig "zur Stärkung des Umweltbewußtseins".

8. bis 18. November: Friedensdekade unter dem Oberthema "Gerechtigkeit - Abrüstung - Frieden". Für die Dekade wird der Aufnäher "Schwerter zu Pflugscharen" gedruckt. Dieses Symbol - mit dem Abbild eines von der Sowjetunion gestifteten Denkmals im New Yorker UN-Park - wird von vielen Jugendlichen als Zeichen eigenständigen Friedensengagements verwendet und von Teilen der westdeutschen Friedensbewegung als systemübergreifendes Symbol aufgegriffen. In der Nikolaikirche in Leipzig wird wenig später eine große Schautafel mit diesem Symbol aufgestellt. Mit der Einführung weiterer militärischer Ausbildungsphasen in den Schulen und im Zusammenhang mit den Friedensdekaden entsteht in Dresden, Jena, Rostock und in anderen Städten die Idee der regelmäßigen Friedensgebete. Ziel ist es, sich einmal wöchentlich zu Liedern, Informationsaustausch und Gebet an einem öffentlichen Ort zu treffen.

16. November: Der Bund Evangelischer Kirchen in der DDR gibt eine Sammlung von Arbeitsmaterialien für Gemeindegruppen unter dem Titel: "‘Pazifismus’ in der aktuellen Friedensdiskussion" heraus.

21. November: Das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" druckt mehrere Reden von der Tagung des SED-Zentralkomitees. Darin wird die Forderung nach einem Sozialen Friedensdienst attackiert.

29. November: Die AG Umweltschutz und der Offene Keller Stötteritz organisieren eine öffentliche Papiersammelaktion.

Anfang Dezember: Bei Staat-Kirche-Gesprächen werden den Superintendenten Gesetzesverstöße während der Friedensdekade angekreidet.

11. bis 13. Dezember: Bundeskanzler Helmut Schmidt auf "Staatsbesuch" in der DDR (Güstrow).

13. Dezember: In Polen wird das Kriegsrecht verhängt. In der Folge gibt es verschiedene Aufrufe in den evangelischen Kirchen zu Hilfssendungen für die Linderung der Not in Polen.

13./14. Dezember: In Berlin findet das von Stephan Hermlin initiierte Schriftstellertreffen "Berliner Begegnung zur Friedensförderung" statt.

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1982

25. Januar: Pfarrer Rainer Eppelmann tritt mit seinem "Berliner Appell - Frieden schaffen ohne Waffen" an die Öffentlichkeit.

9. Februar: Pfarrer Rainer Eppelmann wird festgenommen, aber am 11. Februar wieder freigelassen.

13. Februar: Am "Forum Frieden mit der Jugend" in der Dresdner Kreuzkirche nehmen mehr als 5.000 Menschen teil. Dieses Forum wird anstelle eines Schweigemarsches angeboten, zu dem von einer Gruppe Jugendlicher anläßlich des 37. Jahrestages der Zerbombung Dresdens aufgerufen wurde. Landesbischof Johannes Hempel hält eine Rede, in der er sein Verständnis vom begrenzten politischen Mandat der Kirche darlegt. Eine Verteilung des "Berliner Appells" wird verhindert. Im Anschluß an das Forum versammeln sich ca. 1.000 Jugendliche mit Kerzen vor der Ruine der Frauenkirche. Sicherheitskräfte behindern diese Demonstration nicht.

13. Februar: Die Kirchenleitung der Berlin-Brandenburgischen Kirche rät von einer Unterzeichnung des Berliner Appells ab.

14. Februar: Pfarrer Christoph Wonneberger verliest den Berliner Appell im Gottesdienst und wird daraufhin kurzzeitig verhaftet.

23. Februar: Die FDJ beginnt mit einer Aktion unter dem Motto "Der Frieden muß verteidigt werden - der Frieden muß bewaffnet sein", die die Wehrbereitschaft ihrer Mitglieder erhöhen soll.

5. März: Im Gespräch mit Superintendent Johannes Richter und Pfarrer Wolfgang Gröger versucht der Sektorenleiter für Kirchenfragen beim Rat der Stadt Leipzig, Müller, Einfluß auf die Gestaltung des am folgenden Tag stattfindenden Jugendgottesdienstes zu nehmen.

6./7.März: Leipziger Friedensseminar unter dem Titel "Was macht uns sicher?". Der während dieses Seminars stattfindende Jugendgottesdienst wird durch die Sicherheitsorgane offensiv beschattet. Die Predigt im Gottesdienst hält vor ca. 1200 Teilnehmern der stud. theol. Heinz Bächer.

7. März: Friedrich Magirius wird Superintendent von Leipzig-Ost.

12. bis 14. März: Die Konferenz der Kirchenleitung erklärt nach ihrer Klausurtagung: "Wir stehen zu den jungen Christen, die mit Worten oder Taten anzeigen, daß auch die Friedensbemühungen unseres Staates den christlichen Abrüstungsimpuls nicht erübrigen."

20. bis 24. März: Auf der Frühjahrssynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens nimmt die Debatte um die Friedensverantwortung größeren Raum ein. Während der Synodaltagung treffen sich Bischof Johannes Hempel und Präsident Kurt Domsch mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus Gysi. Dabei geht es um die Schwierigkeiten, denen Trägern des Aufnähers "Schwerter zu Pflugscharen" ausgesetzt sind. Gysi behauptet, daß das Symbol vom Staat verboten wurde, weil es von Jugendlichen "zur Bekundung staatsfeindlicher Gesinnung und der Beteiligung an einer illegalen politischen Bewegung" mißbraucht werde. Die Synode bezeichnet das Vorgehen des Staates als einen "schwerwiegenden Fehler", denn das Verbot zerstöre "auf nachhaltige Weise das Vertrauen dieser jungen Menschen". Sie verabschiedet eine Kanzelabkündigung und einen Brief an die Jugendlichen ihrer Kirche.

25. März: In der "Frankfurter Rundschau" erscheint ein Brief Robert Havemanns, in dem er sich für eine "freie Friedensbewegung auch in der DDR" einsetzt. Die Volkskammer verabschiedet ein neues Wehrdienstgesetz, mit dem die vormilitärische Ausbildung für sämtliche Betriebe und Schulen zur Pflicht erhoben wird. General Hoffmann sagt in seiner Erklärung, daß "Pflugscharen und Schwerter" vonnöten seien. Gleichzeitig findet eine breite Aktionen der DDR-Behörden gegen pazifistische Symbole und das Zeichen der Friedensdekade "Schwerter zu Pflugscharen" statt. Die Pfarrer werden aufgefordert, dieses Symbol aus den Schaukästen zu entfernen. Jugendliche tragen - nachdem die Aufnäher durch die Polizei entfernt wurden - anstelle des Aufnähers ein Loch, einen roten Kreis oder weißen Fleck auf ihren Jacken und Parkas.

26. März: Im Organ des DDR-Volksbildungsministeriums, der "Deutschen Lehrerzeitung", erscheint ein Leitartikel, der das staatliche Vorgehen gegen das Symbol "Schwerter zu Pflugscharen" u.a. damit begründet, daß "die Wortführer des ideologischen Krieges gegen uns diese Losung dazu benutzen wollen, den realen Frieden zu entwaffnen".

28. März: In der Michaeliskirche findet ein Jugendgottesdienst unter dem Motto: "Jahrmarkt des Friedens" statt.

2. April: In der Nikolaikirche findet ein Nachtgebet unter dem Thema: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein" statt.

7./8. Mai: Die Konferenz der Kirchenleitung bestätigt auf ihrer Tagung Arbeitsmaterial und Thema ("Angst - Vertrauen - Frieden") für die Friedensdekade 1982.

16. Mai: Zum Friedensseminar in Königswalde treffen sich ca. 500 überwiegend Jugendliche, um sich über die Beziehung von Konsumverhalten und Frieden auszutauschen.

24. Mai: Ständiger Vertreter Bonns in der DDR wird Hans-Otto Bräutigam.

5./6. Juni: Angeregt durch das Kirchliche Forschungsheim Wittenberg findet die symbolische Aktion "Mobil ohne Auto" statt. - In Leipzig organisiert die AG Umweltschutz einen Fahrrad-Corso von der Lößniger Kirche nach Plaußig.

9. bis 16. Juni: In der Berliner St.-Bartholomäus-Kirche versammeln sich eine Woche lang Jugendliche unter dem Motto "Beten und Fasten für Frieden ohne Gewalt".

10. Juni: Anläßlich des NATO-Gipfels in Bonn demonstrieren dort 500.000 Menschen.

11. Juni: Den Superintendenten Leipzigs Johannes Richter und Friedrich Magirius wird vom Rat der Stadt eine zunehmende Konzentration von Ausreiseantragstellern in kirchlichen Einrichtungen vorgehalten.

13. Juni: Der Jugendsonntag in Eisenach wird von ca. 10.000 Jugendlichen besucht.

27. Juni: In und vor der Erlöserkirche in Berlin findet die von der Berlin-Brandenburger Kirchenleitung und dem Stadtjugendpfarramt getragene "Friedenswerkstatt" statt.

9. bis 11. Juli: Treffen von Umwelt-Arbeitsgruppen in Potsdam und Radsternfahrt mit etwa 600 Teilnehmern.

30. Juli: In einem Interview für den Evangelischen Nachrichtendienst der DDR legt Landesbischof Johannes Hempel seine Sicht zu den nichtstaatlichen Friedensinitiativen dar.

17. September: Der AK Friedensdienst bietet den Leipziger Gemeinden in einem Rundbrief selbst erarbeitete Materialien zur Gestaltung der Friedensdekade an und beginnt (seit dem 13. September), regelmäßig Friedensgebete zu gestalten.

28. September: Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR "begrüßt, daß die Konferenz [der Kirchenleitungen] das Zeichen ‘Schwerter zu Pflugscharen’ als Kennzeichen für die kirchlichen Veranstaltungen der Friedensdekade 1982 und für das Arbeitsmaterial dazu bestätigt hat. Die Synode trägt den Beschluß der Konferenz mit, das Symbol nicht in einer Form herstellen zu lassen, die als Aufnäher verwendet werden kann. Sie weiß, daß dieser Verzicht angesichts des Einsatzes und der gemachten Erfahrungen besonders vieler Jugendlicher nicht leicht fällt. Wir verzichten aber darauf um des Friedens willen. [...]"

1. Oktober: Helmut Kohl wird Bundeskanzler.

15. bis 17. Oktober: Grünes Wochenende in der Leipziger Michaeliskirche, von der AG Umweltschutz vorbereitet (ca. 150 Teilnehmer).

15. bis 25. Oktober: Billy Graham weilt zu Evangelisationen in verschiedenen Orten der DDR.

7. bis 17. November: Friedensdekade unter dem Thema "Angst, Vertrauen, Frieden". Der AK Friedensdienst gestaltet in verschiedenen Gemeinden Abende zum Thema Pazifismus.

17. November: In der Nikolaikirche findet der Abschlußgottesdienst zur Friedensdekade zum Thema "Wir können nicht schweigen" mit Beteiligung des Landesbischofs statt.

22. November: Auf Initiative der Probstheidaer Jungen Gemeinde(JG) und ihrem Diakon Günter Johannsen findet in der Nikolaikirche das erste der montäglichen Friedensgebete statt. Es wird von ihr gestaltet und dauerhaft in St. Nikolai unter Schirmherrschaft von Superintendent Magirius eingerichtet.

25. November: Die Initiativgruppe "Hoffnung Nicaragua" tritt während der Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche als Mitveranstalter eines Lateinamerika-Dokumentarfilm-Abends auf.

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1983

18. Januar: Bischof Hempel wird die Ehrendoktorwürde der Leipziger Karl-Marx-Universität verliehen.

28. bis 30. Januar: Tagung des Ausschusses des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR Kirche und Gesellschaft zum Thema "Die Zukunft des Friedens" mit 80 Vertretern des Ausschusses und verschiedener Friedensgruppen.

7. Februar: In eine Wohnung von Mitgliedern der AG Friedensdienst wird eingebrochen, es werden Materialien zur Vorbereitung des Gottesdienstes am 4. April 1983 durchstöbert.

4. März: Die Polizei nimmt die Personalien aller Teilnehmer einer Vorbereitungsrunde für den Gottesdienst am 4. April 1983 auf.

5. März: In der Michaeliskirche Leipzig findet ein Friedensgottesdienst zum Thema "Frieden 1983 - ein hoffnungsloser Fall?" statt. Der Rat der Stadt Leipzig, Abteilung Kirchenfragen, schätzt in einem Protokoll ein, daß es in dem Friedensgottesdienst fundierte Angriffe gegen den Wehrdienst und das Wehrdienstgesetz der DDR gab.

5./6. März: In Berlin findet auf Einladung des Präsidiums der Berlin-Brandenburgischen Synode die Tagung "Konkret für den Frieden" mit 125 Vertretern von Friedensgruppen statt.

4. April: Gedächtnisgottesdienst der AG Friedensdienste zum 15. Todestag von Martin Luther King in der Nikolaikirche. Pfarrer Führer macht in seiner Predigt auf Formen des Rassismus in der DDR-Gesellschaft aufmerksam.

4./5. Juni: In Leipzig und in anderen Städten findet die symbolische Aktion "Mobil ohne Auto" statt.

8. Juni: Die DDR schiebt Roland Jahn (Jenaer Friedensgemeinschaft) in die Bundesrepublik ab.

29. Juni: Friedenswerkstatt in und an der Erlöser-Kirche (Berlin).

7. bis 10. Juli: In Dresden findet ein evangelischer Kirchentag unter dem Thema "Vertrauen wagen, damit wir leben können" statt.

6. August: Fastenaktionen in verschiedenen Städten der DDR im Gedenken an den ersten Atombombenabwurf über Hiroshima.

10. August: Gleichlautende Schreiben vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Martin Held, und dem KKL-Vorsitzenden der Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR, Dr. Johannes Hempel, aus Vancouver an Bundeskanzler Helmut Kohl und Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker zur Friedensverantwortung.

1. September: In Berlin versuchen Jugendliche, eine Menschenkette zwischen der Botschaft der USA und der UdSSR zu bilden. Die Polizei schreitet ein und verhindert die Aktion.

September: In der Leipziger Hausbesetzerszene Friedrichstraße/Brüderstraße finden eine Reihe politischer Diskussionsabende statt.

29. Oktober: Einweihung des evangelischen Gemeindezentrums im Neubaugebiet Leipzig-Grünau. Am 5. November und an den folgenden Tagen kommt es nach den Friedensgebeten zu Kerzendemonstrationen von Jugendlichen (vor allem Offener Keller Mockau und IHN) in der Innenstadt.

6. bis 16. November: Friedensdekade unter dem Thema "Frieden schaffen aus der Kraft der Schwachen".

10. bis 13. November: "Ökumenische Begegnungstage zum 500. Geburtstag Martin Luthers" mit ca. 200 ökumenischen Gästen in Leipzig.

17. bis 20. November: In Leipzig finden auch nach dem Ende der Friedensdekade mehrstündige Friedensgebete statt.

18. November: Eine halbe Stunde vor Eröffnung der Leipziger Dokumentarfilmwoche findet erneut eine Kerzendemonstration statt. Daraufhin werden zahlreiche Personen inhaftiert, 6 Personen erhalten Haftstrafen wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration von bis zu zwei Jahren.

27./28. November: Wehrdienstverweigerer erhalten Haftstrafen von bis zu 20 Monate.

2. Dezember: Jugenddiakon Rochau (Halle) wird nach Verurteilung wegen "staatsfeindlicher Hetze" zu drei Jahren Haft aufgrund eines Ausreiseantrages in die Bundesrepublik abgeschoben.

12. Dezember: Bärbel Bohley und Ulrike Poppe von der Initiative "Frauen für den Frieden" Berlin werden inhaftiert und bis zum 24. Januar 1984 festgehalten.

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1984

3./4. März: In Eisenach findet die Tagung "Konkret für den Frieden" mit Mitgliedern von Basisgruppen aus der DDR statt.

16. März: Gespräch zwischen dem Vorsitzenden des Rat des Bezirkes Leipzig und Vertretern der Landeskirche Sachsens Bischof Dr. Johannes Hempel, Präsident des Landeskirchenamtes Kurt Domsch und Oberlandeskirchenrat Eberhard Schlichter. Themen sind Ausreiseproblematik und der Begriff "Kirche im Sozialismus".

6. bis 9. Mai: Die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens beklagt die Stationierung neuer Raketensysteme in Europa und fordert die Gemeinden auf, im Gebet für den Frieden nicht nachzulassen.

10. Mai: Die DDR sagt Teilnahme an den Olympischen Spielen in Los Angeles ab.

30. Mai: In der Berliner Bartholomäuskirche wird ein ständiges Antikriegsmuseum eröffnet.

1. bis 3. Juni: "Mobil ohne Auto" - in Leipzig u.a. mit einem ungenehmigten Fahrradkorso von der Bethanienkirche nach Rötha.

17. Juni: Umweltgottesdienst in Mölbis (bei Leipzig), u.a. mit Bischof Hempel.

20. Juni: Ökumenischer Friedensgottesdienst "Schritte zum Frieden", der vor allem von Basisgruppen vorbereitet wurde.

11. Juli: Der DDR-Verteidigungsminister besucht erstmals seit Bestehen der Baueinheiten (seit 1964) Bausoldaten.

25. Juli: Die DDR-Regierung erhält einen 950-Millionen-DM-Kredit auf Bürgschaft der Bundesregierung.

1. September: Die Leipziger Friedensgruppen gestalten einen Gottesdienst anläßlich des 45. Jahrestages des Beginns des 2. Weltkrieges in der Nikolaikirche unter der Leitung von Pfarrer Sengewald.

4. September: Erich Honecker sagt seinen geplanten Besuch in der Bundesrepublik ab.

26. bis 28. Oktober: In der Michaeliskirche finden Veranstaltungen der Initiativgruppe "Hoffnung Nicaragua" unter dem Titel "Drei Tage für Monte Fresco" statt, es werden Seminare über das Leben in Nicaragua durchgeführt. Die Rocknacht am 27. Oktober - u.a. mit Sascha Anderson und "Musik-Brigade" - besuchen rund 700 Jugendliche. Es gibt eine vom Staat verbotene Mail-Art-Ausstellung zu sehen.

11. bis 21. November: Friedensdekade unter dem Thema "Leben gegen den Tod". In Leipzig wird im Gegensatz zum Vorjahr kein Programm zur Friedensdekade hergestellt. Der Gruppe "Frauen für den Frieden" wird keine Möglichkeit zur Gestaltung eines Abends der Friedensdekade gegeben. Es gibt eine große Paketaktion für Äthiopien (31 Pakete).

15. November: Manfred Stolpe hält in der Michaeliskirche einen Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema: "Leben gegen den Tod - Was können Christen in der DDR für den Frieden tun?" Das Friedensgebet in der Nikolaikirche gestaltet die IHN zusammen mit zwei Dominikanerpatres aus Nicaragua.

17. November: Abend für den Frieden in der Michaeliskirche u.a. mit einem Film über Martin Luther King und einer Diskussion über die Staat-Kirche-Beziehung, bei der der Kirchenleitung vorgeworfen wird, daß sie sich nicht genügend gegen staatliches Unrecht wendet und sich damit von der "Basis" entfernt.

18. November: Friedensgebet der katholischen Liebfrauengemeinde in der Nikolaikirche mit polnischen Christen.

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1985

11. Februar: Gespräch zwischen Erich Honecker und dem Vorsitzenden der Konferenz der Kirchenleitungen, Bischof Dr. Johannes Hempel.

13. Februar: Nach dem Gottesdienst aus Anlaß des 40. Jahrestages der Zerstörung Dresdens in der Kreuzkirche gehen etwa 5.000 Teilnehmer mit Kerzen und Blumen zur Ruine der Frauenkirche.

1. bis 3. März: Dritte Tagung "Konkret für den Frieden" mit weit über 100 Vertretern von Basisgruppen aus der DDR in Schwerin.

9./10. März: Leipziger Friedensseminar mit Christof Ziemer als Hauptreferenten.

18. März: Gemeinsame Friedenserklärung von Evangelische Kirche in Deutschland und dem Bund Evangelischer Kirchen in der DDR zum 40. Jahrestag des Kriegsendes.

23. bis 27. März: Anläßlich der Tagung der Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in Dresden hält der Präsident des Landeskirchenamtes Kurt Domsch einen Vortrag über den "Weg unserer Kirche seit 1945 - Erfahrungen und Auftrag", in dem er erklärt, daß die Formel "Kirche im Sozialismus" weniger Ortsbeschreibung als Aufgabe und damit "Ortswahl" sei.

24. April: Erich Honecker besucht Papst Johannes Paul II.

2. bis 9. Juni: "Woche der Verantwortung für die Schöpfung" der Evangelischen Kirchen in Leipzig (u.a. Vorträge zum Thema: Stadtökologie, Stadtbegrünung, Naturschutz in der Stadt und "Mobil ohne Auto" - eine Fahrt ins Braunkohlentagebaugebiet im Süden der Stadt).

9. Juni: Landesjugendsonntag der Thüringer Landeskirche in Eisenach mit etwa 12.000 Teilnehmern: "Das Leben gewinnen". September: Das Interesse an den Friedensgebeten in der Nikolaikirche sank über die Jahre hinweg sehr stark ab. Es fanden sich oft gerade einmal 5 einsame "Friedensbeter" in der Nikolaikirche ein. Deshalb wird nun verstärkt Werbung für die Friedensgebete in den Leipziger Gemeinden gemacht.

4. September: Messemännerabend mit Generalsuperintendent Günter Krusche, "Die Friedensverantwortung der Kirchen zwischen Ost und West".

12. bis 16. Oktober: Tagung der Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in Dresden. Sie beschließt die Unterstützung des geplanten "Konzils des Friedens" und bittet die Gemeinden, sich darauf vorzubereiten.

10. bis 20. November: Friedensdekade unter dem Thema "Frieden wächst aus Gerechtigkeit". - In Leipzig finden täglich 18.00 Uhr von den Basisgruppen gestaltete Friedensgebete in der Nikolaikirche statt. Am Abend sind auch das Friedenscafé und die Friedensbibliothek in den Seitenkapellen der Nikolaikirche geöffnet. In der Kirche gibt es Ausstellungen, die von den Gruppen gestaltet wurden. Während der Friedensdekade findet in der Lukaskirche eine Fastenstafette statt, die Kirche ist rund um die Uhr geöffnet. Die Gruppe "Frauen für den Frieden" gestaltet Foren, in denen sie sich gegen die entmündigende und militaristische Erziehung im Kindergarten wendet.

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1986

Januar: Gründung des Bezirkssynodalausschusses, in dem alle Gruppen zusammengeführt werden sollen und die Gestaltung der Friedensgebete besprochen wird.

24. Januar: Appell verschiedener DDR-Basisgruppenmitglieder zum UNO-Jahr des Friedens an die DDR-Regierung.

13. Februar: Der Stadt-Ökumene-Kreis Dresden lädt alle Christen und Kirchen in der DDR zu einer Ökumenischen Versammlung in Vorbereitung der ÖRK-Weltversammlung ein.

28. Februar bis 2. März: Basisgruppentreffen "Frieden konkret IV" mit 300 Teilnehmern in Stendal.

15. bis 19. März: Tagung der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in Dresden. Sie nimmt den Vorschlag des ökumenischen Arbeitskreises Dresden auf, 1988 eine ökumenische Versammlung der Christen in der DDR für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung durchzuführen.

27. März: Auf Initiative des MfS führt Genosse Sabatowska vom Rat der Stadt Leipzig mit Superintendent Magirius ein Gespräch mit dem Ziel der "Disziplinierung" von Pfarrer Christoph Wonneberger. 6. Mai: Gespräch zwischen Reitmann (Rat des Bezirkes Leipzig) und Vertretern des Landeskirchenamtes. Der Kirche wird vorgeworfen, sich zu sehr für Ausreisewillige einzusetzen. Präsident Kurt Domsch und Oberkirchenrat Hartmut Rau erklären, daß die Kirche nicht zum Anlaufpunkt für Antragsteller werden will.

5. bis 8. Juni: Umwelttage in Leipzig in der Lukaskirche.

15. Juni: Umwelttag in Rötha bei Leipzig.

26. bis 29. Juni: Kongreß und Kirchentag in acht Orten der Region Leipzig.

29. Juni: Friedenswerkstatt in und an der Berliner Erlöserkirche.

August: Die Theologische Studienabteilung gibt einen Reader mit dem Titel "Reproduktion von Religion in der Gesellschaft. Ein Beitrag zum Problem der sozialisierenden Gruppen und ihrer Zuordnung zu den Kirchen" von Ehrhart Neubert heraus.

September: Pfarrer Christoph Wonneberger von der Lukasgemeinde übernimmt die Organisation der Friedensgebete und die Koordinierung der Friedensdekade auf Bitten von Superintendent Magirius.

1. September: Erich Honecker empfängt Abordnung des Friedensrates der DDR. An dem Empfang nehmen als Vertreter des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR Präses Dr.-Ing. Rainer Gaebler und Oberkirchenrätin Lewek teil, die Honecker einen zensierten "Friedensreport" übergeben und über die Friedensarbeit des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR informieren. Am gleichen Tag weilt eine Delegation der Bundestagsabgeordneten der Grünen zu Besuch in der DDR.

2. September: Die Berliner Zionskirchgemeinde eröffnet die Umweltbibliothek.

19. bis 23. September: Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR tagt in Erfurt. Bischof Christoph Demke (Magdeburg) bedauert, daß Antragsteller auf Übersiedlung aus der DDR kaum das seelsorgerliche Gespräch suchten, weil davon ausgegangen würde, daß die Kirche "im Prinzip" gegen eine Übersiedlung sei.

26./27. Oktober: Ökumenische Friedensgebetsgottesdienste in der DDR im Zusammenhang mit dem Welttreffen christlicher Konfessionen und aller Weltreligionen in Assisi/Italien, zu dem Papst Johannes Paul II. eingeladen hatte.

9. bis 19. November: Friedensdekade unter dem Thema "Friede sei mit euch". - Täglich 18.00 Uhr finden Friedensgebete der Leipziger Basisgruppen in der Nikolaikirche statt. Davor sind das "Friedenscafé" und die Friedensbibliothek in der Nikolaikirche geöffnet.

10. November: Diskussionsabend mit dem Präses des Bundessynode, Dr.-Ing. Rainer Gaebler, zum Thema "Wer vertritt die kirchliche Friedensarbeit?" in der Leipziger Luthergemeinde. Dabei kam es zu vehementer Kritik von Gruppenmitgliedern an kirchenleitenden Entscheidungen und an der Beteiligung an dem Empfang am 1. September 1986.

12. November: In der Lukaskirche können Autoren ihre nicht veröffentlichten Texte bei der sogenannten "Offenen Lesebühne" vortragen.

14. November: Friedensgebet in der Nikolaikirche unter dem Motto: "Du hast keinen Ausreiseantrag gestellt, warum nicht?" Im Anschluß daran bildet sich der Gesprächskreis "Hoffnung". 16. November: Stephan Krawczyk ist mit seinem Programm "Wir kommen noch wie sonst zusammen" in der Leipziger Michaeliskirche.

17. November: Forum der Gruppe "Frauen für den Frieden" zum Thema Gleichberechtigung in der DDR.

19. November: Ökumenischer Abschlußgottesdienst der Friedensdekade in der Nikolaikirche mit K. Stauss.

22./23. November: Kirchliches Menschenrechtsseminar unter dem Thema "Menschenrechte - der Einzelne und die Gesellschaft" in Berlin. Das Treffen war schon für 1985 geplant, wurde aber vom Staat untersagt. Es findet unter der Bedingung statt, daß keinerlei Briefe und Erklärungen verfaßt und keine Gäste eingeladen werden.

23. November: Der Bezirkssynodalausschuß wertet die Friedensdekade in Leipzig aus. Pfarrer Christoph Wonneberger macht den Vorschlag, daß sich die verschiedenen Leipziger Gruppen koordiniert an den Friedensgebeten beteiligen sollten. In der Folge bildet sich eine Koordinierungsgruppe für die allwöchentlichen Friedensgebete.

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1987

14. Februar: Erste ökumenische Arbeitstagung zum Konziliaren Prozeß in Dresden auf Einladung des Dresdner Stadtökumenekreises.

27. Februar bis 1. März: Seminar "Konkret für den Frieden" mit über 200 Mitgliedern von Basisgruppen aus der DDR in Leipzig.

8. März: Beschluß der Konferenz der Kirchenleitung zur gesellschaftlichen Mitverantwortung der evangelischen Kirchen, in dem es u.a. heißt, daß in kirchlichen Äußerungen zu politischen und gesellschaftlichen Fragen "darauf geachtet werden [müsse], daß die Bindung an das Evangelium deutlich erkennbar wird".

18. bis 22. März: Festwoche zum 775jährigen Bestehen des Thomanerchores Leipzig.

22. März: Stephan Krawczyk gibt ein Konzert in der Lukaskirche. Ein Teilnehmer des Konzertes schreibt an den Leipziger Oberbürgermeister: "Ich möchte Ihnen hiermit die Frage stellen, wie Sie es verantworten können, ein solches Subjekt in der Öffentlichkeit auftreten zu lassen." Pfarrer Christoph Wonneberger wird später von Bischof Johannes Hempel und der Kirchenleitung dafür gerügt, daß er die Kirche für dieses Konzert zur Verfügung stellte.

21. bis 24. März: Die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens verabschiedet eine Stellungnahme zum sozialen Wehrersatzdienst angesichts des großen Personalmangels in Pflegeeinrichtungen und stellt sich hinter die Forderungen nach Reiseerleichterungen nach Ost- und West-Europa.

13. April: Beim Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Leipzig findet ein Gespräch mit Landesbischof Johannes Hempel, Präsident Kurt Domsch und Oberkirchenrat Eberhard Rau statt. Darin wird der Kirche vorgeworfen, den Basisgruppen zu viel Raum zu geben, der dann durch diese Gruppen übergebührlich beansprucht wird. Dabei wird besonders auf das Konzert von Stephan Krawczyk in der Lukaskirche verwiesen.

24. Mai: In einer Veranstaltung unter dem Thema "Ich bin so frei" im Keller der Michaelisgemeinde stellt sich die neugegründete Arbeitsgruppe Menschenrechte vor.

1. Juni: Friedensgebet der AG Umweltschutz in der Nikolaikirche, anschließend findet als symbolische Dokumentation der Einheit von Beten und Tun ein Arbeitseinsatz an einer Grünanlage am Nordplatz statt.

8. Juni: Während eines Konzertes vor dem Reichstag in Westberlin versammeln sich mehrere hundert Jugendliche vor dem Brandenburger Tor. Die Ansammlung schlägt nach Eingriffen der Polizei in eine politische Demonstration gegen die Mauer um.

23. Juni: Das Politbüro genehmigt eine Städtepartnerschaft zwischen Leipzig und Hannover.

24. bis 27. Juni: In Berlin findet der evangelische Kirchentag unter dem Motto "Ich will bei Euch wohnen" statt. Kirchliche Basisgruppen gestalten außerhalb des offiziellen Kirchentages selbständig einen "Kirchentag von unten" und machen so die innerkirchlichen Spannungen augenfällig.

1. Juli: DDR-Bürger erhalten für Westreisen nur noch 15,- DM pro Jahr.

17. Juli: Die DDR schafft die Todesstrafe ab.

13. August: Der Theologe R. Lampe wird aufgrund eines symbolischen Protestes gegen die Mauer verhaftet und am 3. Dezember zu mehr als 12 Monaten Freiheitsentzug verurteilt. Die Strafe wird jedoch auf Bewährung ausgesetzt.

28. August: Das SED/SPD-Papier "Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit" wird veröffentlicht.

1. bis 19. September: Olof-Palme-Friedensmarsch in der DDR. Kirchliche Basisgruppen beteiligen sich mit eigenen Transparenten am Friedensmarsch. - In einigen Städten wird von "eingesetzten staatlichen Demonstranten" versucht, die Plakate der Basisgruppenmitglieder mit den eigenen Plakaten zu verdecken (z.B. in Torgau, wo viele Basisgruppenmitglieder aus Leipzig teilnahmen).

7. bis 11. September: Erich Honecker besucht die Bundesrepublik.

22. September: Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR in Görlitz fordert "eine Erweiterung und durchschaubare rechtliche Regelungen von Reisemöglichkeiten für alle DDR-Bürger sowohl in die sozialistischen Länder als auch in das nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet, so daß die Genehmigungsentscheidungen überprüfbar werden". Die Gemeinden werden gebeten, sich stärker am Konziliaren Prozeß zu beteiligen, und aufgerufen, Gottesdienste mit den Themen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung durchzuführen. Der Antrag zur Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung einer Berliner Gemeindegruppe wird ohne Beschluß behandelt.

6. bis 8. Oktober: Vollversammlung der Solidarischen Kirche in Leipzig.

10. bis 14. Oktober: Tagung der Landessynode von Sachsen stellt zu den Gruppen in den Gemeinden fest, daß sie ein Zeichen der Lebendigkeit der Kirche Jesu Christi seien; für andere ferner stehende Gruppen müsse für die Aufnahme unter dem Dach der Kirche das Kriterium gelten, daß sie bzw. ihre Äußerungen dem Evangelium entsprechen.

14. Oktober: Sekretariat des ZK der SED beschließt härtere Gangart gegenüber den Kirchen unter dem Motto "Der Kirche, was der Kirche, dem Staat, was dem Staat ist."

15. Oktober: Die Vorbereitungsgruppe für die ökumenische Versammlung in der DDR gibt ihren Aufruf "Eine Hoffnung lernt gehen - Gerechtigkeit den Menschen, Frieden den Völkern, Befreiung der Schöpfung - Geh mit!" heraus.

22. Oktober: Der Stellvertreter des Leipziger Oberbürgermeisters versucht Superintendent Johannes Richter dazu zu bewegen, den Auftritt Stephan Krawczyks am 25. Oktober in der Laurentiuskirche abzusagen. Mit gleichem Ziel finden am folgenden Tag ein Gespräch mit Pfarrer Lösche statt.

25./31. Oktober: Konzerte Stephan Krawczyks in der Laurentiuskirche bzw. der Lukaskirche.

7. November: Die Konferenz der Kirchenleitung konstatiert eine neue Kirchenpolitik der DDR-Regierung aufgrund der Absage der Regierung von Gesprächen zu Bildungsfragen, Militärpolitik u.a.

8. bis 18. November: Friedensdekade unter dem Thema "Miteinander Leben".

13. November: Im Rahmen der Friedensdekade findet die Friedensnacht in der Nikolaikirche statt. Dort werden Unterschriften zu einer Eingabe an die Synode des Bundes zur "Absage an Geist und Praxis der Abgrenzung" gesammelt.

14. November: Veranstaltung der IG Leben mit dem Titel "Anspruch und Realität alternativer Gruppen in der DDR" in Leipzig-Leutzsch.

16. November: In der Reformierten Kirche findet ein Forum zum Sozialen Friedensdienst unter dem Titel: "Der Friede muß unbewaffnet sein" unter Beteiligung von westdeutschen Friedensgruppenmitgliedern statt.

24./25. November: Die Umweltbibliothek der Zionskirche in Berlin wird durch die Staatsanwaltschaft durchsucht. Es werden Vervielfältigungsgeräte und Papiere beschlagnahmt. Sieben Mitarbeiter der Umweltbibliothek werden verhaftet. In den folgenden Tagen entwickeln sich in der ganzen DDR verschiedene Formen der Solidarisierung: Mahnwachen, Fürbitt- und Informationsandachten und Resolutionen.

10. Dezember: Zum Tag der Menschenrechte werden einige Mitglieder der IFM zeitweilig inhaftiert.

12. Dezember: Der Chefredakteur der FDJ-Zeitung "Junge Welt" setzt in einem Artikel Teilnehmer der Berliner Mahnwachen mit rechtsradikalen Schlägern gleich.

14. Dezember: Die AG Menschenrechte gestaltet das Friedensgebet in der Nikolaikirche unter dem Motto "Zwischen Mauern leben".

16. Dezember: In Vorbereitung des Leipziger Kirchentages 1989 treffen sich der Stellvertreter für Inneres des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Reitmann, Präsident Kurt Domsch und Oberkirchenrat Dieter Auerbach.

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1988

5. Januar: Gespräch zwischen dem Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Leipzig Rolf Opitz und Landesbischof Johannes Hempel. Die Landeskirche Sachsens erhält eine erste Zusage für die staatliche Unterstützung bei Vorbereitung und Durchführung des Leipziger Kirchentages 1989.

7. Januar: Nachdem die Mitarbeiter der Umweltbibliothek wieder freigelassen wurden, werden auch die Ermittlungsverfahren eingestellt.

10. Januar: Gründung des Netzwerkes "arche" in der Berliner Umweltbibliothek.

16. Januar: Seminar "Abgrenzung und Öffnung" in Oranienburg bei Berlin. Eingeladen waren alle, die sich in Eingaben an die Bundessynode mit dem Antrag "Absage an Prinzip der Abgrenzung" auseinandergesetzt hatten. - Die AG Menschenrechte richtet eine Eingabe an die Volkskammer, in der sie die Einführung eines Sozialen Friedensdienstes (SoFD) fordert.

17. Januar: In Berlin werden rund 120 Personen festgenommen, die bei der traditionellen Gedenkdemonstration der SED für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg mit eigenen Losungen und Plakaten teilnehmen. Die Hälfte der Festgenommenen wird wenige Stunden später nach West-Berlin abgeschoben. In den folgenden Tagen finden in der ganzen DDR Fürbittgottesdienste für die Inhaftierten statt.

18. Januar: Beim Friedensgebet in der Nikolaikirche wird über die Inhaftierungen am Vortage informiert.

19. Januar: Karsten Voigt (SPD) erklärt im Deutschlandfunk, daß die DDR durch die Abschiebung der inhaftierten Ausreisewilligen eine "einheitliche deutsche Staatsbürgerschaft" praktiziert.

21. Januar: Ost-Berliner Kirchenleitung fordert in einer Erklärung die Freilassung der im Zusammenhang mit der Demonstration am 17. Januar Festgenommenen. Sie erklärt sich bereit zur Teilnahme an den Fürbittandachten.

21. Januar: Im Semesterabschlußgottesdienst der Evangelischen Studentengemeinde berichten Studenten über die Vorgänge in Berlin.

22. Januar: In der Leipziger Michaeliskirche wird eine Informationsveranstaltung, die anläßlich der Vorgänge um die Berliner Umweltbibliothek angesetzt war, zu einer großen Informationsveranstaltung zu den erneuten Verhaftungen in Berlin. Hier wird für die Idee geworben, auch in Leipzig Informations- bzw. Friedensgebete durchzuführen und Unterschriften unter eine Protestresolution gesammelt.

25. Januar: Führende Berliner Oppositionelle werden unter Anschuldigung des "Landesverrates" inhaftiert. - Ab dem 25. Januar finden in Leipzig täglich Fürbittgebete für die Inhaftierten und für Reformen statt. Das Gebet am Montag, dem 25. Januar, findet in der Nikolaikirche (ca. 300 Teilnehmer) statt, weitere zuerst in der Evangelischen Studentengemeinde, später in verschiedenen Kirchen der Innenstadt. Es werden Flugblätter verteilt, mit denen auf die Friedensgebete aufmerksam gemacht wird.

26. Januar: Pfarrer Barthels wird wegen der Bereitstellung der Räume der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) für die täglich stattfindenden Fürbittandachten in den Rat der Stadt Leipzig bestellt. Es gibt einige zeitweilige Verhaftungen. Das Informationsgebet in den Räumen der ESG besuchen ungefähr 100 Personen. Das MfS bildet eines spezielle Lagegruppe ("Spinne"), die alle Aktionen des Sicherheitskartells gegen oppositionelle Aktivitäten um die Fürbittengebete koordinieren soll.

27. Januar: Die Leipziger Kontaktgruppe, welche die Fürbittgebete koordiniert, gibt eine Grundsatzerklärung heraus. Bei einem Gespräch im Rat des Bezirkes erklären die Leipziger Superintendenten, daß sie über das "Auftauchen" der Ausreiseantragsteller überrascht seien. Sie sagen, daß es für sie eine neue Situation sei, da diese Gruppe weder mit dem Staat noch mit der Kirche etwas im Sinne hätte. Die Superintendenten werden darum gebeten, die Fürbittgebete nicht in der Innenstadt durchzuführen.

29. Januar: Treffen zwischen der Kontaktgruppe, Pfarrer Kaden, Pfarrer Barthels und den beiden Superintendenten. Es wird vereinbart, daß die beiden Pfarrer für die Fürbittgebete verantwortlich sind, für die Friedensgebete jedoch Pfarrer Führer.

1. Februar: An verschiedenen Stellen Leipzigs werden Flugblätter, u.a. mit folgender Aufforderung verteilt: "Bürger setzt euch ein für Demokratie und Menschenrechte, übt Solidarität mit den zu unrecht verhafteten Bürgerrechtlern." Zum Friedensgebet in St. Nikolai kommen 700 Besucher. Seit dem Überfall auf die Umweltbibliothek im November 1987 und den Verhaftungen im Januar 1988 kommen immer mehr Ausreiseantragsteller zu diesem Gebet. Die Kontaktgruppe erklärt, daß Verhaftungen in Weimar, Dresden und Leipzig zeigen würden, daß das staatliche Vorgehen breit angelegt sei und sich gegen Gerechtigkeit und Offenheit richte. Sie ruft zu weiteren Fürbittandachten auf und bietet ihre Hilfe dabei an.

2. bis 9. Februar: Mehrere der in Berlin Inhaftierten werden direkt in die BRD abgeschoben, andere bekommen befristete Visa, mit denen sie die DDR für 6 Monate und länger verlassen müssen. Zwei werden auf Bewährung in die DDR entlassen.

2. Februar: Treffen der Superintendenten mit dem Stellvertreter des Oberbürgermeisters. Dieser erklärt, daß der Staat Mittel und Wege finden wird, die Tätigkeit der Kontaktgruppe zu unterbinden. Am Friedensgebet nehmen ca. 800 Personen teil.

5. Februar: J. Tallig bringt an der stark begangenen Unterführung in der Nähe des Neuen Rathauses folgende Sprüche an: "Wir brauchen Offenheit und Demokratie wie die Luft zum Atmen. M. Gorbatschow", "Neues Denken auch nach innen" und "Hoch Lenin! B.B.". J. Tallig wird deshalb am 15. Februar 1988 verhaftet und zu über 6.000,- Mark Strafe verurteilt.

12. bis 15. Februar: Erste Ökumenische Versammlung "Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung" in Dresden. An ihr nehmen 150 Delegierte von 20 Kirchen und Religionsgemeinschaften teil. Während der Versammlung finden öffentliche Veranstaltungen statt, bei denen "Zeugnisse der Betroffenheit" vorgetragen werden.

13. Februar: In Dresden gedenken 3.000 Menschen in der Kreuzkirche der Bombenopfer im Jahre 1945. Anschließend kommt es zu einer Demonstration. - Beendigung der Fürbittgottesdienste mit einem Meditationsgottesdienst mit anschließender Vorstellung von Leipziger Basisgruppen in der Michaeliskirche.

19. Februar: Der Vertreter des Politbüros der SED, Werner Jarowinsky, hält dem Vorsitzenden des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Bischof Werner Leich (Eisenach), eine Standpauke wegen Einmischung der Kirche "in staatliche Angelegenheiten". - Ein Gemeindeabend zum Thema "Leben und Bleiben in der DDR" zur Problematik der Übersiedlung nach Westdeutschland findet in St. Nikolai statt (Pfarrer Führer). Er wird von ca. 900 Menschen besucht. Pfarrer Führer bietet das Friedensgebet als "Kontaktmöglichkeit" für Ausreiseantragsteller an. Der AK Gerechtigkeit verteilt nach dem Gemeindeabend und nach dem folgenden Friedensgebet einen Brief zur "gesetzlichen Regelung der Ausreise". Mehrere 100 Antragsteller werden diesen an Erich Honecker senden.

22. Februar: Superintendent Magirius teilt im Friedensgebet mit, daß Seelsorge für Ausreiseantragsteller nur individuell geschehen könne (somit also keine Friedensgebete für Ausreiseantragsteller).

26. Februar: Die Dienstkonferenz des Ministeriums für Staatssicherheit bei Erich Mielke berät Fragen der Mobilmachung und Internierung.

26. bis 28. Februar: Viertes Basisgruppentreffen "Frieden Konkret" unter dem Thema "Teilhabe statt Ausgrenzung - Wege zu einer solidarischen Lebens- und Weltgestaltung" in Cottbus.

28. Februar: Graphikauktion in der Reformierten Kirche. Der Erlös soll der Ökumenischen Versammlung, den Basisgruppen und "in Bedrängnis geratenen Basisgruppenmitgliedern" zugute kommen.

29. Februar/1. März: Die Ausreiseantragsteller F. W. Sonntag und Dr. M. Kunze (AKG) werden inhaftiert. Ihnen wird die Erarbeitung und Verteilung der Eingabe zur "gesetzlichen Regelung der Ausreise" vorgeworfen. In diesem Zusammenhang werden auch weitere Antragsteller kurzzeitig festgenommen und belehrt, daß ihnen die Mitarbeit in kirchlichen Gruppen und Veranstaltungen untersagt sei.

2. März: Das MfS setzt eine spezielle Lagegruppe zur Koordinierung der Aktionen gegen Ausreisewillige und gegen Friedensgebete ("Bearbeitungskomplex ‚Spinne") ein. Die Abteilungen Innere Angelegenheiten werden angewiesen, bei den Ausreisewilligen keine Hoffnungen auf Ausreisemöglichkeiten aufkommen zu lassen und sie vom Besuch kirchlicher Veranstaltungen abzuhalten.

3. März: Gespräch zwischen Erich Honecker und Landesbischof Werner Leich zehn Jahre nach dem Staat-Kirche-Gespräch vom 6. März 1978. Danach senden bundesdeutsche TV-Stationen ein Interview mit Werner Leich, in dem er die vorgetragenen kirchlichen Forderungen nach Rechtssicherheit, Reiseerleichterungen und gesellschaftlichen Reformen öffentlich benennt. Friedensgebet der IHN. - Pfarrer Führer zitiert Passagen aus der Schnellinformation des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR zum Spitzengespräch, die die Ausreiseproblematik betreffen. Es werden Fürbitten für die Inhaftierten gesprochen.

6. März: Die Polizei verprügelt Gottesdienstbesucher in Berlin.

10. März: F. W. Sonntag und Dr. M. Kunze können die Untersuchungshaftanstalt verlassen.

12./13. März: Im Vorfeld des während der Frühjahrsmesse stattfindenden Friedensgebetes am 14. März: werden viele Ausreiseantragsteller kurzzeitig verhaftet und genötigt zu unterschreiben, daß sie sich künftig nicht an der Vorbereitung von kirchlichen Veranstaltungen beteiligen.

13. bis 27. März: Ausstellung mit Fotos vom Olof-Palme-Marsch in der Reformierten Kirche in Leipzig.

14. März: Friedensgebet des Arbeitskreises Solidarische Kirche mit anschließender Demonstration. Bilder davon sind am Abend in ARD und ZDF zu sehen.

29. März: Der Bezirkssynodalausschuß "Frieden und Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung" der Bezirkssynode Leipzig-Ost beschließt auf Antrag von Superintendent Magirius: "Die Gruppen sollen in den nächsten Friedensgebeten, die den Rahmen einer Großveranstaltung angenommen haben, die Begleitung eines verantwortlichen Pfarrers suchen und akzeptieren." Damit wird die seit 1982 bestehende Praxis der eigenverantwortlichen Gestaltung der Friedensgebete durch Laien und Basisgruppen beendet.

18. April: Das Friedensgebet in der Nikolaikirche wird von der Arbeitsgruppe Gerechtigkeit und Ökumene mit ökumenischen Gästen, u.a. aus den Philippinen und Kuba, gestaltet. Nach dem Friedensgebet gibt es drei Gesprächsgruppen.

25. April: Friedensgebet in der Nikolaikirche, gestaltet von der Arbeitsgruppe Menschenrechte, zum Thema "Macht und Umgang mit Macht".

29./30. April: Das MfS inhaftiert mehrere Wehrdienstverweigerer. Gruppenmitglieder richten ein Kontaktbüro im Jugendpfarramt ein. Die Inhaftierten werden jedoch wenige Tage später wieder freigelassen.

9. Mai: Das Friedensgebet wird vom ‚Offenen Keller‘ Mockau gestaltet.

28. Mai: In Leipzig veranstalten verschiedene Basisgruppen eine "Kleine ökumenische Versammlung" (Tag für den Konziliaren Prozeß) in der Probsteikirche.

5. Juni: Der 1. Pleiße-Gedenkumzug soll auf die katastrophale Umweltsituation in Leipzig aufmerksam machen. Organisiert wurde er von Mitgliedern kirchlicher Basisgruppen. Die Superintendenten distanzieren sich von dem Gedenkumzug. Die Sicherheitsorgane verhindern ihn nicht.

9. Juni: Pfarrer Christian Führer versendet an zwei Pfarrer und an Superintendent Magirius einen Brief zur Änderung der Friedensgebete.

12. Juni: 6. Umweltgottesdienst unter dem Thema "Unsere Zukunft hat schon begonnen" in Deutzen bei Leipzig.

17. Juni: Der Bezirkssynodalausschuß bleibt bei seinem Beschluß vom 29. März 1988 bezüglich der Friedensgebete. Bis zum 31. Oktober 1988 liegt die Gestaltung der Friedensgebete bei den Gruppen unter Verantwortung eines von ihnen genannten Pfarrers.

20. Juni: Der Kirchenvorstand St. Nikolai ist zu einem Gespräch beim Stadtbezirksbürgermeister Leipzig-Mitte geladen. Darin bittet der Staat um die Beendigung der Friedensgebete und der Nachgespräche für Ausreisewillige.

24. Juni: Auf dem Kirchentag in Halle werden die "20 Thesen aus Wittenberg zur Erneuerung und Umgestaltung der DDR" veröffentlicht.

27. Juni: Die IG Leben hält zusammen mit Pfarrer Christoph Wonneberger das letzte Friedensgebet vor der Sommerpause. Zum Schluß wird eine Kollekte zur Finanzierung der Strafgelder gesammelt, die J. Tallig zahlen sollte, da er Losungen an der Fußgängerunterführung am Wilhelm-Leuschner-Platz angebracht hatte (s. 5. Februar 1988). Es kommen über 1.000 Mark zusammen. Der anwesende Superintendentenstellvertreter, Pfarrer Manfred Wugk, distanziert sich noch während des Friedensgebetes von dieser "konkreten Fürbitte", da sie eine "illegale" Sammlung sei.

8. Juli: Podiumsgespräch in der Evangelischen Studentengemeinde unter Leitung von Pfarrer Barthels, u.a. mit AG Menschenrechte und dem AK Gerechtigkeit, bei dem es um Menschenrechtsfragen geht. Es wird vor allem von Ausreisewilligen besucht.

13. Juli: Berufung von Kurt Löffler an Stelle von Klaus Gysi als Staatssekretär für Kirchenfragen.

1. August: Ein Ausreisewilliger demonstriert in der Innenstadt von Leipzig mit dem Transparent: "Die DDR - ein Rechtsstaat? Es werden grundsätzliche Menschenrechte verweigert."

8. August: Veranstaltung zu den Gefahren der Nutzung von Kernenergie in der Michaeliskirche. Organisiert wurde sie von der AGM, AGU, IGL und dem AKG.

15. August: Superintendent Magirius sendet einen Brief an die Gruppen, in dem er mitteilt, daß das Friedensgebet nach der Sommerpause in die alleinige Regie des Kirchenvorstands von St. Nikolai übergeht.

23. August: Die Hauptabteilung XX des Ministeriums für Staatssicherheit teilt der Bezirksverwaltung Leipzig des MfS mit, daß der Kirchentag 1989 stattfinden soll, jedoch nur in einem kleinen Rahmen. Das Stadion dürfe der Kirche nicht zur Verfügung gestellt werden.

25. August: In verschiedene Leipziger Briefkästen werden Kettenbriefe unter dem Motto "Demokratie für alle" verteilt.

29. August: Das erste Friedensgebet nach der Sommerpause wird nicht - wie geplant - von der AG Menschenrechte veranstaltet, sondern von den Superintendenten. Zu Beginn erklärt Pfarrer Führer, daß die neue Regelung nötig sei, "damit das Friedensgebet weiterhin stattfinden kann". Superintendent Magirius versprach, seinen Brief vom 15. August 1988 zu verlesen. Da dies nicht geschieht, kommt es zu massiven Protesten von Gruppenmitgliedern in und vor der Kirche. Der Kirchenvorstand von St. Nikolai beschließt am gleichen Abend die neue Ordnung der Friedensgebete.

1. September: Gespräch von Vertretern der Basisgruppen mit Superintendent Magirius und Pfarrer Führer führt zu keinem Kompromiß.

5. September: Verschiedene Basisgruppenmitglieder senden einen Offenen Brief an Landesbischof Johannes Hempel. Im Friedensgebet wird zu Beginn des Eingangsliedes dieser offene Brief und die Dokumentation des Gesprächs vom 19. Februar 1988 zwischen Landesbischof Werner Leich und Werner Jarowinsky verteilt. Nach dem Friedensgebet wird vor der Kirche eine Erklärung einiger Basisgruppenmitglieder verlesen. Im Anschluß daran demonstrieren ca. 150 Personen zum Markt, bis zivile Sicherheitskräfte die Demonstration auflösen.

12. September: In einer DDR-weiten Aktion versuchen die Sicherheitsorgane zu verhindern, daß Ausreisewillige am Friedensgebet teilnehmen. Im Friedensgebet wird von den Bankreihen aus diese Polizeiaktion bekanntgemacht und kritisiert. Während des Friedensgebetes verteilen Ausreisewillige Einladungen zu einer Demonstration am 7. Oktober 1988.

16. bis 22. September: Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR in Dessau fordert Reformen, Offenheit und Rechtssicherheit.

19. September: Eine Gruppe von Ausreiseantragstellern sammelt nach dem Friedensgebet auf dem Nikolaikirchhof Unterschriften. Im Friedensgebet tragen einige Gruppenmitglieder Tücher mit dem Aufdruck "Redeverbot" um den Mund.

20. September: Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR ruft zu einem breiten innergesellschaftlichen Dialog auf.

21. September: Gespräch zwischen dem Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Leipzig mit dem Vorsitzenden des Landesausschusses Kongreß- und Kirchentag. Die staatliche Unterstützung für den Kirchentag wird von einer "weiteren Versachlichung der Friedensgebete in der Nikolaikirche" abhängig gemacht.

23. bis 30. September: In Berlin und Potsdam findet die von DDR-Basisgruppen organisierte Aktionswoche gegen die IWF- und Weltbanktagung in West-Berlin statt.

27. September: Die Bezirkskirchenausschüsse Leipzig-Ost und -West verständigen sich mit dem KOZ-Trägerkreis auf einen Modus zur Einrichtung eines Leipziger Kommunikationszentrums.

28. September bis 2. Oktober: Die 1. Leipziger Zukunftswerkstatt in der Philippuskirchgemeinde. Sie wurde als Teil des Konziliaren Prozesses von Leipziger Basisgruppen organisiert.

30. September: In der Berliner Carl-von-Ossietzky-Oberschule werden vier Schüler aus politischen Gründen relegiert; andere erhalten Schulstrafen. Wenig später finden an verschiedenen Orten in der DDR Protestandachten und Veranstaltungen zu Problemen in der sogenannten "Volksbildung" statt.

3. Oktober: Nach dem Friedensgebet informieren Gruppenvertreter vor der Nikolaikirche die Friedensgebetsbesucher über aktuelle Probleme und Ereignisse (z.B. über die Schließung der Zwickauer Umweltbibliothek). Dafür werden Beton-Platten, die auf dem Nikolaikirchhof liegen, als Redner-Bühne genutzt.

7. Oktober: Am Bach-Denkmal vor der Thomaskirche treffen sich fast hundert Ausreisewillige und Oppositionelle.

8. bis 11. Oktober: Die 2. Ökumenische Versammlung für "Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung" in Magdeburg. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden zur Kritik an die Gemeinden geben.

10. Oktober: Eine Demonstration gegen die Zensur der Kirchenzeitung in Berlin wird durch Sicherheitskräfte vor laufenden Kameras westlicher TV-Stationen brutal unterbunden. - Nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche wird von Basisgruppenmitgliedern ein Beschluß zu gesellschaftlichen Fragen der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR verlesen.

14. Oktober: Wiedereinweihung der restaurierten russisch-orthodoxen Kirche in Leipzig mit dem Botschafter und Vertretern der Regierung der UdSSR. - Gespräch zwischen Vertretern des Ministeriums für Kohle und Energie, Superintendent Johannes Richter, Pfarrer Klaus Kaden und zwei Vertretern kirchlicher Basisgruppen aufgrund einer Eingabe des Jugendpfarramtes zur Perspektive der Kernenergie in der DDR.

17. Oktober: Während des Friedensgebetes wird von Basisgruppenmitgliedern eine Binde vor dem Mund getragen, auf die das Wort "Redeverbot" gedruckt ist. Nach dem Friedensgebet werden auf dem Nikolaikirchhof ein Brief an den Staatssekretär für Kirchenfragen zur Aufhebung der Zensur kirchlicher Presseerzeugnisse verlesen, 274 Unterschriften werden dazu gesammelt.

19. Oktober: Zwischen dem Staatssekretär für Kirchenfragen, dem Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Leipzig, einem Vertreter des staatlichen Presseamtes und Vertretern der SED-Leitung wird die staatliche Vorbereitung des Leipziger Kirchentages abgestimmt.

24. Oktober: Das Friedensgebet wird vom Friedenskreis Grünau-Lindenau gestaltet. Während des Eingangsliedes ("O komm, du Geist der Wahrheit") gehen 15 Basisgruppenmitglieder mit Kerzen und Transparenten in den Altarraum und stellen bzw. setzen sich dorthin. Kaplan Fischer begrüßt jeden mit Handschlag und "Friede sei mit dir". Zum Schluß des Friedensgebetes versucht Gesine Oltmanns eine Erklärung zu dieser Aktion zu verlesen, doch das Mikrophon wird sofort von Superintendent Magirius abgeschaltet. Es kommt zu einer tumultuarischen Diskussion. Danach stellten sich die Plakatträger mit ihren Plakaten auf die Beton-Bühne vor der Nikolaikirche. Gruppenvertreter verteilen Kerzen, die angezündet werden. Es wird die Erklärung verlesen, die sie in der Kirche nicht verlesen konnten.

26./27. Oktober: Die Plakatträger vom 24. Oktober 1988 werden kurzzeitig festgenommen. Ihnen wird durch das MfS ein Ermittlungsverfahren wegen "staatsfeindlicher Hetze" angedroht.

27. Oktober: Die beiden Leipziger Superintendenten erklären dem KOZ-Trägerkreis, daß die Gemeinde Heilig-Kreuz keine Räume für ein Kommunikationszentrum zur Verfügung stellt.

29. Oktober: IG Leben, AK Gerechtigkeit und Aktion Sühnezeichen führen einen Aktionstag zur Solidarität mit dem rumänischen Volk im Gemeindehaus Mockau durch.

31. Oktober: Anläßlich des Reformationstages findet kein Friedensgebet statt. AG Menschenrechte und die IG Leben veranstalten einen Informationsabend zum Thema Sozialer Friedensdienst in der Lukaskirche.

1. November: Thomas Rudolph und Jochen Lässig lassen sich am Theologischen Seminar exmatrikulieren, um sich völlig ihrer politischen Arbeit widmen zu können.

6. bis 16. November: Friedensdekade unter dem Thema "Friede den Fernen - Friede den Nahen".

7. November: Der Arbeitskreis Solidarische Kirche gestaltet die Andacht in St. Nikolai. In ihr werden Parallelen zwischen Nationalsozialismus und der DDR gezogen. In der Michaeliskirche gestalten die "Frauen für den Frieden" einen "Elternabend zur Friedenserziehung". In der Friedenskirche berichtet Prof. Ulrich Kühn über die 2. Ökumenische Versammlung.

9. November: Die Aktion Sühnezeichen gestaltet die Andacht in St. Nikolai. Anschließend gibt es einen nicht genehmigten Schweigemarsch mit Kerzen im Gedenken an die Progromnacht 1938, an dem ca. 200 Menschen teilnehmen. Parallel dazu wird ein Flugblatt "Initiative zur gesellschaftlichen Erneuerung der DDR" verteilt.

10. November: Der AK Gerechtigkeit gestaltet zusammen mit der Musik-Gruppe "Cäsar und die Spieler" die Andacht in der Nikolaikirche. Während des Friedensgebetes werden Kerzen verteilt, danach stehen einige Besucher mit brennenden Kerzen vor der Kirche.

11. November: Lange Friedensnacht der Leipziger Gruppen in der Nikolaikirche.

13. November: Der "Tag für Espenhain" in der Reformierte Kirche mit ca. 300 Teilnehmer.

14. November: Nach dem Friedensgebet verteilt eine Gruppe Ausreiseantragsteller ein Flugblatt, in dem zu einem "Schaufensterbummel" für den 20. November eingeladen wird. Die Gruppe wird kurz darauf verhaftet und im März 1989 zu Haftstrafen zwischen 10 und 20 Monaten verurteilt. Auf der Sitzung der BEL stellt der Leiter der Leipziger BVfS fest, daß die Kampfgruppen politisch nicht mehr zuverlässig seien. Das MfS setzte einen Arbeitsstab ein, der die Inhaftierung von Rainer Müller, Gesine Oltmanns und Thomas Rudolph vorbereiten soll.

17. November: In Leipzig finden sich vielfältige Graffiti gegen den Diktator in Rumänien Ceaucescu anläßlich seines DDR-Besuches.

19. November: Die sowjetische Zeitschrift "Sputnik" wird von der Postzeitungsliste gestrichen und ist damit in der DDR nicht mehr erhältlich. Zweiter Leipziger Tag zum konziliaren Prozeß.

21. November: Bei einem Gespräch zwischen Basisgruppenmitgliedern und dem Kirchenvorstand von St. Nikolai wird die weitere Gestaltung der Friedensgebete abgestimmt.

27. November: DDR-weiter Aktionstag der Basisgruppen gegen die Zustände in der DDR-Volksbildung. Zwischen dem Kirchenvorstand von St. Nikolai, Vertretern verschiedener Gruppen (die von Bischof eingeladen wurden) und Bischof Hempel findet ein Gespräch zum politischen Mandat der Kirche statt.

28. November: Während der Dokumentar- und Kurzfilmwoche protestieren Mitglieder der IG Leben und andere Bürgerrechtler in einer symbolischen Aktion (Luftballons mit der Aufschrift "Sputnik" und den Namen der verbotenen sowjetischen Filme) gegen die Zensurmaßnahmen der DDR-Behörden. Einige Teilnehmer erhalten dafür Ordnungsstrafen.

1./2. Dezember: Erich Honecker prägt auf der 7. Tagung des ZK der SED in Reaktion auf die Proteste gegen das "Sputnik"-Verbot den Slogan "Sozialismus in den Farben der DDR" als Symbol für die Unbelehrbarkeit der SED-Führung. Außerdem wird eine "Reinigung" der Partei im Zuge des Umtauschs der Mitgliedsausweise für Ende 1989 beschlossen.

4. Dezember: 5 Ausreisewillige besetzen die Weimarer Herder-Kirche, Superintendent Reder läßt darauf die Kirche von der Polizei räumen.

5. Dezember: Nach dem Friedensgebet wird von einzelnen Gruppenvertretern auf dem Nikolaikirchhof und später in Leipziger Briefkästen und öffentlichen Einrichtungen ein Flugblatt verteilt, auf dem an die UN-Menschenrechtsdeklaration erinnert und provokativ behauptet wird, daß das "öffentliche Eintreten für die Menschenrechte durch massive Demonstration staatlicher Sicherheitskräfte" am 10. Dezember nicht möglich sein wird.

6. Dezember: Das MfS beginnt, eine spezielle Computer-Datei zu Teilnehmern am Friedensgebet anzulegen.

10. Dezember: Arbeitsgruppe zur Situation der Menschenrechte in der DDR beginnt mit ihrer Arbeit. Sie hat sich zum Ziel gestellt, Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren und zu veröffentlichen, damit dagegen vielfältig protestiert werden kann. Leipziger Ausreisewillige nehmen an einer Kerzendemonstration in Halle teil.

18. Dezember: Pfarrer Rainer Eppelmann entdeckt in seiner Wohnung mehrere Abhörgeräte. Das Konsistorium erstattet Anzeige gegen Unbekannt. - Solidaritäts- und Informationsveranstaltung unter dem Titel "Kirche und Gesellschaft in Polen und der CSSR" in der Markus-Gemeinde.

22. Dezember: In der Zeitschrift der AG Umweltschutz wird der Aufruf zur Mitarbeit an der Arbeitsgruppe zur Situation der Menschenrechte in der DDR verbreitet.

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1989

10. Januar: Text 003 der Ökumenischen Versammlung mit dem Titel "Mehr Gerechtigkeit in der DDR - unsere Aufgabe, unsere Erwartung" wird nachträglich veröffentlicht. Er übt Kritik an den politischen Verhältnissen im Land und macht Vorschläge zu deren Verbesserung. - Pfarrer Christian Führer heftet diesen an die Informationstafel der Nikolaikirche. - Traditionelles "Jahreswechselgespräch" zwischen kirchlichen und staatlichen Vertretern der Stadt Leipzig. Superintendent Magirius kritisiert die neue Reiseverordnung als Bürokratismus.

11. Januar: Kurz vor Mitternacht beginnen Basisgruppenmitglieder, in verschiedenen Leipziger Stadtbezirken ein Flugblatt in Hausbriefkästen zu verteilen, mit dem sie aus Anlaß des Jahrestages der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zu einer Demonstration am 15. Januar einladen. Das Flugblatt ist unterschrieben mit "Initiative zur demokratischen Erneuerung unserer Gesellschaft". In der Nacht und an den folgenden Tagen werden 12 Mitglieder dieser spontanen Initiative verhaftet.

15. Januar: Abschluß des 3. KSZE-Folgetreffens in Wien. Die Außenminister der USA und der Bundesrepublik gehen in ihren Reden aufgrund von Informationen der tschechoslowakischen Bürgerrechtsbewegung "Charta 77" zu den Inhaftierungen in Leipzig auf die Menschenrechtssituation in der DDR und die Verhaftungen ein. Auf dem Leipziger Marktplatz findet eine nichtgenehmigte Kundgebung für Reformen in der DDR statt. Fred Kowasch hält eine kurze Ansprache, im Anschluß daran setzt sich der Demonstrationszug mit ca. 500 Personen in Bewegung. Nach etwa 800 Metern versucht die Polizei, die Demonstration aufzulösen und nimmt kurzzeitig 53 Demonstranten fest. Am Abend findet in der Lukaskirche die erste Fürbittandacht für die Verhafteten statt. Es beginnen in verschiedenen Städten der DDR Solidaritätsandachten und Protestaktionen. - In der Folge kam es in Halle sogar zu Brandanschlägen gegen die SED-Kreisleitung.

18. Januar: Bei einer Auswertung der versuchten Verhinderung der Demonstration am 15. Januar zwischen dem stellvertretenden Minister der MfS, Mittig, dem Leiter der BV, Hummitzsch, und dem 1. Sekretär der SED-BL wird entschieden, zukünftig mehr Polizisten einzusetzen. Die Entlassung der Inhaftierten wird zentral (Honecker, HA IX des MfS) beschlossen.

19. Januar: 17.00 Uhr teilt der Rat des Bezirkes den Leipziger Superintendenten mit, daß alle in Zusammenhang mit der Flugblattaktion Inhaftierten wieder frei seien.

20. Januar: In der Markusgemeinde findet das letzte Fürbittgebet statt (in Verantwortung des Arbeitskreises Solidarische Kirche), das vor allem die aus der Haft Entlassenen gestalten.

21. Januar: Dritter Leipziger Tag zum Konziliaren Prozeß in der Michaeliskirche.

23. Januar: Während des Friedensgebetes dankt Michael Arnold im Namen aller zeitweilig Verhafteten und verliest ihre gemeinsame Erklärung, obwohl Superintendent Magirius dies verboten hatte. Auf dem Nikolaikirchhof wird danach an die Gottesdienstbesucher ein Informationsblatt und eine "Entgegnung zu den Erklärungen des Dresdner Landeskirchenamtes und der Leipziger Superintendenten" von verschiedenen Berliner Gruppen verteilt.

24. Januar: Der Leiter der BVfS Leipzig Manfred Hummitzsch kritisiert auf der Dienstbesprechung das "Handeln der Kräfte am Ereignisort" anläßlich der Demonstration am 15. Januar als "zu unentschlossen". Erich Honecker entscheidet nach dem Ausbleiben einer Demonstration im Anschluß des Friedensgebetes am Vortage das Einstellen der Ermittlungsverfahren gegen die Organisatoren der Demonstration.

27. Januar: Zweiter Leipziger Rumänientag in der Pauluskirche Leipzig-Grünau.

30. Januar: Die Kirchenleitung ist aufgrund der Friedensgebete zum Bezirksstaatsanwalt bestellt. Einige Glieder der Friedenskirche Gohlis stellen einen Antrag auf Genehmigung einer öffentlichen Veranstaltung (Schweigemarsch) anläßlich des Jahrestages der Ermordung der Geschwister Scholl für den 25. Februar 1989. SED, staatliche Organe und MfS bedrängen die Antragsteller in den folgenden drei Wochen so, daß diese ihren Antrag zurückziehen.

6. Februar: An der Berliner Mauer wird Chris Geffroy ermordet, er ist der letzte Mauertote.

13. Februar: Nachtgebet in der Dresdener Kreuzkirche zur Erinnerung an die Zerstörung der Stadt. Bei einer anschließenden Demonstration kommt es zu Übergriffen der Sicherheitsorgane auf Träger von Transparenten. Eine Verhaftung von Leipziger Gruppenvertretern wurde unter körperlichem Einsatz der Bürgerrechtler verhindert.

14. Februar: Der Kirchenvorstand von St. Nikolai beschließt, daß die Gruppen die Friedensgebete ab April wieder gestalten können.

15. Februar: In Leipzig gibt es mindestens 1400 Ausreiseantagsteller.

18. Februar: Die Markusgemeinde stellt ihre "Gemeindebibliothek" als "Umweltbibliothek" zur Verfügung.

20. Februar: Bischof Forck (Berlin-Brandenburg) kritisiert in Bonn die Unterstützung der Ausreisebewegung in der DDR durch die Bundesregierung.

21. Februar: Gespräch zwischen dem Landesausschuß des Kirchentages und sächsischen Basisgruppenvertretern führt zu keinem Kompromiß über die Beteiligung der Gruppen am Kirchentag.

24. bis 26. Februar: Das 7. Treffen der Basisgruppe "Frieden konkret" in Greifswald. Am Rande des Treffens werden Absprachen über die Bildung von DDR-weiten politischen Organisationen getroffen.

27. Februar: Pfarrer Christoph Führer und der AK "Hoffnung" gestalten das Friedensgebet.

28. Februar: Ein Abend zum Thema "Kommunalwahlen", organisiert vom AK Gerechtigkeit, IG Leben und AG Menschenrechte, findet in der Markus-Gemeinde statt.

2. März: Lageberatung der Bezirksverwaltung des MfS zu dem Ergebnis, daß Leipzig mehr und mehr zum Zentrum oppositioneller Gruppen wird. Als Schwerpunkte werden die Wahlen (7. Mai 1989) und die Friedensgebete ab 1. April 1989 benannt. Es wird beschlossen, alle Leipziger Ausreisewilligen, die die Friedensgebete besuchen oder in Basisgruppen mitarbeiten, ausreisen zu lassen.

5. März: Der Vorsitzende des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Bischof Werner Leich, schlägt in einem Vortrag in Jena vor, zur Bestimmung kirchlicher Identität in der DDR auf die Formel "Kirche im Sozialismus" zu verzichten.

7. März: Gespräch beim Rat der Stadt Leipzig, Bereich Kirchenfragen, mit Pfarrer Christian Führer, Pfarrer Manfred Wugk und Herrn Ramson. Es geht um das Friedensgebet vom 27. Februar 1989. Eine Solidaritätsveranstaltung für die Inhaftierten in der CSSR findet in der Lukaskirche statt.

11. März: Die IFM veröffentlicht ihre Basiserklärung, mit der sie eine DDR-weite politische Organisation schaffen will.

11./13. März: Der Bundeswirtschaftsminister H. Haussmann und der Bundesbauminister O. Schneider sagen ihren Besuch bei der Leipziger Frühjahrsmesse wegen Schußwaffengebrauch an der innerdeutschen Grenze ab.

12. März: Ministerpräsident Johannes Rau trifft sich in Leipzig mit Bischof Johannes Hempel und mit Erich Honecker.

13. März: Der Rektor des Theologischen Seminars, Prof. Ulrich Kühn, hält das Friedensgebet in der Nikolaikirche. Ca. 600 Ausreisewillige und Gruppenmitglieder demonstrieren nach dem Friedensgebet. Die Ausreiseantragsteller, die an der Demonstration teilnehmen, erhalten kurz darauf die Ausreisegenehmigung. In den folgenden Wochen können täglich etwa 50 ausreisewillige Leipziger in die Bundesrepublik ziehen.

14. März: Eine Solidaritätsveranstaltung für die Inhaftierten in der CSSR in der Katholischen Liebfrauenkirche.

15. März: Der Staatssekretär für Kirchenfragen und der Vorsitzende des Rates des Bezirkes Leipzig teilen Bischof Hempel mit, daß der Kirchentag stattfinden kann. Dieser Beschluß wurde am Morgen nach der Zustimmung Erich Honeckers vom Sekretariat der SED-BL gefaßt. Das Sekretariat beschloß außerdem eine verstärkte Mobilisierung von sogenannten "gesellschaftlichen Kräften". Gemeindeabend zu den "Kommunalwahlen" in der Michaelisgemeinde.

17. März: Buchlesung von Stephan Heym in der Nikolaikirche.

19. März: Aus Anlaß des DDR-weiten Aktionstages für die in der CSSR politisch und religiös Verfolgten finden in der Leipziger Markusgemeinde mehrere Informationsveranstaltungen statt. Dabei werden Protestkarten an den CSSR-Präsidenten bzw. Solidaritätskarten an die Inhaftierten verteilt.

20. März: Wieder Friedensgebet in der Nikolaikirche. Von Basisgruppenmitgliedern wird ein Transparent mit der Aufschrift "Freiheit für Havel und alle politischen und religiösen Inhaftierten in der CSSR" von der Empore entrollt.

29. März: Die Regionalgruppe Thüringen des AK Solidarische Kirche erklärt öffentlich ihre Nichtteilnahme an der Kommunalwahl und kritisiert die SED-Innenpolitik.

31. März bis 4. April: Die Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens faßt mehrere Beschlüsse zu politischen Fragen.

1. April: Veranstaltung zum Problem der Volksbildung in der DDR unter dem Motte "Schule in Bewegung" in der Heilandsgemeinde. Im Anschluß daran senden Mitglieder verschiedener Basisgruppen einen Brief an das Organisationsbüro des "IX. Pädagogischen Kongresses".

3. April: Jochen Pommert behauptet auf der SED-Bezirksleitungssitzung, daß "der Gegner" einen "Generalangriff" gegen die DDR gestartet habe.

7. April: Staatssekretär für Kirchenfragen erhebt bei Bischof Johannes Hempel Einspruch gegen den Beschluß der Synode zur Wahl und behauptet, dieser sei ein Aufruf zum Wahlboykott.

10. April: Leipzigs kirchliche Basisgruppen dürfen das montägliche Friedensgebet wieder mitgestalten. AK Gerechtigkeit hält das erste Friedensgebet. Im Friedensgebet wird eine Kontaktadresse für die Beratung von Wehrdienstverweigerern bekanntgegeben. Die Pfarrer Dr. Peter Weiß und Gottfried Schleinitz schreiben unter Anregung des Staatssekretariats für Kirchenfragen an Erich Honecker einen Brief, in dem sie das Engagement der politisch-alternativen Gruppen kritisieren und behaupten, daß dadurch die Kirche am "Dasein für den Nächsten in dieser Gesellschaft gehindert werden könnte".

17. April: Die Polnische Untergrundgewerkschaft "Solidarnosc" wird legalisiert. Friedensgebet wird durch die AG Menschenrechte gestaltet.

18. April: Das Sekretariat der SED-Stadtleitung Leipzig berät über Einsätze von Kampfgruppen gegen oppositionelle Demonstrationen. - Umweltschützer aus Leipzig und Borna veröffentlichen geheime Pläne der DDR-Regierung für den Bau eines Atomkraftwerkes in der Nähe von Leipzig.

24. April: Die Nikolaikirchgemeinde hält das Friedensgebet.

26. bis 30. April: Die 3. Ökumenische Versammlung für "Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung" in Dresden.

30. April: Der Staatssekretär für Kirchenfragen versucht in einem Gespräch mit Vertretern der sächsischen Kirchenleitung die Beschlußfassung von Papier 003 der Ökumenischen Versammlung zur Rechtssituation in der DDR zu verhindern. Bischof Hempel verweist jedoch darauf, daß 40 bis 45% der DDR-Bevölkerung in deutliche Distanz zum Staat gegangen seien.

1. Mai: An der offiziellen Maidemonstration in Leipzig nehmen ca. 300.000 Personen teil. Aus Anlaß des Feiertages findet kein Friedensgebet statt, dennoch kommen einige Besucher. Über 200 von ihnen gehen schweigend durch die Leipziger Innenstadt. Das ZDF filmt diesen Marsch und sendet ihn als Gegendemonstration zu den offiziellen "Mai-Manifestationen".

2. Mai: Ungarn beginnt mit dem Abbau des "Eisernen Vorhangs".

7. Mai: Auf dem Leipziger Marktplatz versammeln sich gegen 18.00 Uhr über 1.000 Demonstranten, Besucher der Leipziger Markttage und zivile Ordnungskräfte. Vor der Nikolaikirche kommt es zu brutalen Verhaftungen. Durch Flugblätter und Mund-zu-Mund-Propaganda war seit März durch die "Initiative zur demokratischen Erneuerung" zu einer symbolischen Aktion gegen die "Wahl" aufgerufen worden. Zu gleicher Zeit beobachten ca. zweihundert Bürgerrechtler in den Wahllokalen die Auszählung der Stimmen und werden ähnlich wie Gruppen in anderen Städten der DDR in den folgenden Tagen auf den Wahlbetrug aufmerksam machen.

8. Mai: Das Friedensgebet wird von der IG Leben gehalten. Thema ist das "Politische Mandat der Kirche". Nach dem Friedensgebet wird um die Kirchen ein Polizeiring gebildet. Die Sicherheitsorgane erwarteten offensichtlich eine Demonstration gegen den Wahlbetrug. Die "Demonstranten" innerhalb des Kessels werden gefilmt. Einige werden kurzzeitig festgenommen.

9. Mai: Ein Pfarrer erstattet Anzeige wegen Körperverletzung aufgrund des Polizeieinsatzes nach dem Friedensgebet am Vortage.

10. Mai: Die Arbeitsgruppe Kampfgruppen bei der SED-Bezirksleitung kommt in der Zusammenfassung der dreimonatigen Kontrolle aller Kampfgruppen im Bezirk zu dem Ergebnis, daß bei Einsätzen auf "Straßen und Plätzen", d.h. gegen Demonstranten, "ideologische Schwierigkeiten" auftreten.

11. Mai: Auf der Sekretariatssitzung der SED-Stadtleitung werden vor allem Sicherheitsfragen beraten. Der Chef des VPKA berichtet, daß es innerhalb der Kampfgruppen immer wieder zu Zweifeln an der Notwendigkeit der Einsätze "gegen Störer, die unter Umständen [zum] Kollegen- oder Bekanntenkreis der Kämpfer zählen", kommt.

15. Mai: Am Pfingstmontag findet kein Friedensgebet statt. Dennoch sind über hundert Personen gekommen, die einen kleinen Demonstrationszug bilden.

15. bis 21. Mai: Die Ökumenische Versammlung der Kirchen für "Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung" in Basel.

16. Mai: Der Stadtbezirksbürgermeister von Leipzig-Mitte Setzepfandt lädt den Nikolaikirchenvorstand zum Gespräch. Dieser lehnt die Einladung aber ab.

18. Mai: Sondersitzung des Nikolai-Kirchenvorstandes mit Bischof Hempel. Der Versuch des Bischofs, die Friedensgebete zu verändern, wird von Pfarrer Führer und dem Kirchenvorstand abgelehnt. Sie werden lediglich in "Montagsgebete" umbenannt.

22. Mai: Das Friedensgebet wird von der CFK gestaltet. Noch vor dem Ende des Friedensgebetes werden durch Polizeiketten alle Straßen um die Nikolaikirche abgeriegelt. Die Eingekesselten rufen u.a.: "Wir wollen raus." Es kommt wiederum zu Verhaftungen.

23. Mai: Eine Parteiaktivtagung zur Instruktion führender SED-Genossen durch den Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK findet statt. Den Genossen wird u.a. erklärt, daß die Genehmigung des Kirchentages nicht ein Tolerieren der politischen Aktivitäten verschiedener Pfarrer bedeutet.

25. Mai: Gespräch zwischen Bischof Hempel und dem Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Leipzig. Das Hauptthema ist die Entwicklung der montäglichen Friedensgebete. Dem Bischof wird die Ablehnung des Pleißemarsches mitgeteilt.

28. Mai: Am Festgottesdienst zum 450. Jahrestag der Reformation in Sachsen in der Nikolaikirche nehmen sowohl Bischof Hempel als auch der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes für Inneres Reitmann teil.

29. Mai: Der AK Friedensdienst gestaltet das Friedensgebet. Noch bevor alle Teilnehmer des Friedensgebetes die Kirche verlassen haben, wird der Nikolaikirchhof durch Polizei und Hundestaffeln eingekesselt. Verschiedene Gruppenmitglieder werden zeitweilig verhaftet und zum Teil geschlagen. Auch Zuschauer außerhalb des Kessels werden verhaftet.

31. Mai: Bischof Johannes Hempel schreibt in einem Brief an den Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Leipzig, daß er in Zusammenarbeit mit verantwortlichen Pfarrern und den Superintendenten festgelegt hat, daß das Friedensgebet in der Nikolaikirche von der Auslegung biblischer Texte und dem Gespräch über den Konziliaren Prozeß bestimmt bleibt. Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Dialog beim Kulturbund Leipzig versuchen vergeblich, die konstituierende Sitzung der Stadtbezirksversammlung Leipzig-Mitte durch Intervention und Bekanntgabe ihrer Beweise für einen Wahlbetrug zu verhindern.

2. Juni: Gespräch zwischen Superintendent Friedrich Magirius, Pfarrer Christian Steinbach, verschiedenen Betriebsdirektoren und dem Minister für Kohle und Energie aufgrund einer Eingabe der Bezirkssynode Leipzig-Ost wegen der Luftverschmutzung im Raum Leipzig/Borna an Erich Honecker. Auf der Dienstberatung der BVfS wird festgestellt, daß die Losung "Feinde werden wie Feinde behandelt", nicht mehr stimmt. Aufgrund der veränderten Situation seien Differenzierungen gefordert.

3. Juni: Die Konferenz der Kirchenleitung faßt einen Meinungsbildungsbeschluß zur Wahlfälschung. In ihm heißt es u.a.: "Wir bitten Gemeindeglieder und Mitarbeiter unserer Kirchen, ihre Anfragen sachlich vorzubringen, damit immer deutlich bleibt, daß wir aus der Mitverantwortung für das Ganze, in die uns unser Glaube stellt, reden und handeln. Dazu gehört die Entschiedenheit ebenso wie Umsicht. Übertriebene Aktionen und Demonstrationen sind kein Mittel der Kirche. Auch der Einsatz für Wahrheit muß in der Liebe geschehen." - Der 4. Tag zum Konziliaren Prozeß in der Katholischen Probsteikirche.

4. Juni: Das chinesische Militär walzt die Demokratiebewegung auf dem "Platz des Himmlischen Friedens" in Peking nieder. Weit über 3.000 Menschen kommen dabei ums Leben. - In Polen finden Sejm-Wahlen statt, bei denen sich erstmals auch die Opposition beteiligen kann. Die "Solidarnosc" erhält 99 der 100 Senatssitze. – Der 2. Pleißegedenkumzug findet statt. Die geplante Demonstration an der Pleiße wurde vom Staat untersagt, dennoch finden die beiden Gottesdienste zu Beginn und am Ende der geplanten Strecke statt. Zahlreiche Teilnehmer werden zeitweilig festgenommen und sollen hohe Ordnungsstrafen zahlen.

5. Juni: Das Friedensgebet wird von der AG Umweltschutz gestaltet. Zum Friedensgebet kommen ca. 1250 Besucher (u.a. der Landesbischof). Die Sicherheitskräfte halten sich zurück.

7. Juni: In Berlin werden zwei Demonstrationen gegen die Wahlfälschung brutal aufgelöst. Dabei werden fast 200 Personen festgenommen.

8. Juni: Die Volkskammer erklärt Verständnis für den "Einsatz bewaffneter Kräfte" durch die chinesische Führung gegen die Demokratiebewegung, die sie als "Konterrevolution" bezeichnet.

9. Juni: Andreas Ludwig bittet erfolglos per Rundbrief um eine Sondersitzung des Bezirkssynode Leipzig-Ost aufgrund der Vorgänge im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen.

10. Juni: Auf dem Thomas-Müntzer-Kongreß des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR fordert der Vorsitzende der Konferenz der Kirchenleitung, Bischof Werner Leich, politische Veränderungen in der DDR. - Das von Leipziger Basisgruppenmitgliedern organisierte nichtgenehmigte Straßenmusikfestival findet in der Leipziger Innenstadt statt. Über eintausend Musiker und Zuhörer nehmen daran teil. Gegen Mittag werden fast hundert Teilnehmer durch die Polizei zugeführt und vernommen. Da sich ein großer Teil der Teilnehmer den Anordnungen der Sicherheitsorgane widersetzt, kommt es zu einer Treibjagd der Polizei gegen Festivalteilnehmer durch die Innenstadt. Am Abend kann das Festival ungestört beendet werden. Während des Festivals und an den folgenden Tagen verkaufen Gruppenmitglieder Aufnäher mit chinesischer Flagge und Trauerflor als Protestzeichen gegen die von den DDR-Medien begrüßte brutale Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung.

11. Juni: Der Dom zu Greifswald wird im Beisein von Erich Honecker eingeweiht. Die Einweihung wird im DDR-Fernsehen übertragen. Vom anschließenden Empfang des Staatsratsvorsitzenden im Rathaus wird der offizielle Vertreter des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Landesbischof Gottfried Forck, ausgeschlossen. - Der 7. Umweltgottesdienst in Rötha bei Leipzig. Es wird gegen den geplanten Bau eines AKWs in Börln bei Leipzig protestiert und bekanntgegeben, daß schon 25.000 DDR-Bürger die Aktion "1 Mark für Espenhain" unterstützten.

12. Juni: Die Friedensgruppe Grünau/Lindenau gestaltet das Friedensgebet. Danach kommt es zu einer kleinen Demonstration (ca. 200 Personen), die durch Sicherheitskräfte aufgelöst wird.

15. Juni: Auf einer Stadt-Parteiaktivtagung der SED wird demagogisch Stimmung gegen die Leipziger Bürgerrechtler und Friedensgebete gemacht.

18. Juni: Die AK Solidarische Kirche und AK Gerechtigkeit gestalten in der Markuskirchgemeinde eine Informationsandacht zur chinesischen Demokratiebewegung und deren Niederschlagung.

19. Juni: Tagung der Kreiseinsatzleitung Leipzig. Es wird festgestellt, daß die ideologische Position seit zwei Jahren immer unklarer geworden ist und damit die Zahl der Kampfgruppenmitglieder ständig abnimmt. In der Beratung beim 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung plädiert der Bezirkspolizeichef für eine Verlagerung der Polizeiaktionen. Nicht die Friedensgebete, sondern die Provokateure sollten danach behindert werden. H. Hackenberg (SED-BL) erklärt in diesem Zusammenhang, daß energisch gegen jede "Version der Konterrevolution" vorgegangen werden solle. Er billigt alle Festnahmen und plädiert für die offensive Einsetzung der Medien. - Die Nikolaikirchgemeinde hält zusammen mit dem christlichen Umweltseminar Rötha das Friedensgebet (über 1000 Besucher). Danach findet ein kleiner Schweigemarsch statt, der durch Sicherheitskräfte unterbunden wird.

24. Juni: In der "Leipziger Volkszeitung" erscheint ein Hetzartikel gegen Friedensgebetsbesucher.

26. Juni: Pf. Führer verliest im Friedensgebet einen Protestbrief gegen die Todesurteile in China und protestiert gegen den Artikel der LVZ vom 24. Juni 1989. Nach dem Friedensgebet kommt es erneut zu einem Polizeikessel. S. Kulow wird verhaftet, zusammengeschlagen und bis zur Amnestie im Oktober inhaftiert.

30. Juni: Superintendent Magirius führt ein Gespräch mit dem Chefredakteur der LVZ wegen des Artikels vom 24. Juni ohne Ergebnis.

1. Juli: Im ersten Halbjahr 1989 haben ca. 39.000 Menschen die DDR mit staatlicher Genehmigung und über 5.000 ohne Genehmigung Richtung Bundesrepublik verlassen.

3. Juli: Das letzte Friedensgebet vor der Sommerpause wird vom Jugendkonvent Leipzig gestaltet. Es kommt danach erneut zu einer Polizeiaktion gegen Friedensgebetsteilnehmer.

6. bis 9. Juli: Evangelischer Kirchentagskongreß und Kirchentag der Landeskirche Sachsens in Leipzig. Parallel dazu findet in der Lukaskirche aus Protest gegen den Ausschluß kritischer Gruppen aus dem offiziellen Kirchentagsgeschehen der Statt-Kirchentag statt. Die AG Menschenrechte und der AK Gerechtigkeit veröffentlichen einen Brief an die Bevölkerung der DDR, in dem sie die "offen zutage tretende Gewalt staatlicher Organe in Leipzig" anprangern und den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft fordern.

7. Juli: Der Ostblock-Gipfel tagt in Bukarest. Gorbatschow gesteht jedem Ostblock-Land seine eigene Entwicklung zu. Erich Honecker verläßt den Gipfel wegen einer Gallenblasenkolik. Er nimmt seine Geschäfte erst am 26. September wieder auf.

8. Juli: Brief des Berliner Initiativkreises "Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung" und weiterer Unterzeichner an die Kirchen der Ökumenischen Versammlung wird auf dem Kirchentag verteilt. Angesichts des staatlichen Rechtsbruches bei der Kommunalwahl wird darin zur Einsetzung "autorisierter Gesprächsrunden" (Runde Tische!) aufgerufen.

9. Juli: Auf der Abschlußveranstaltung des Kirchentages beginnen Teilnehmer des Statt-Kirchentages eine Demonstration, der sich viele Kirchentagsbesucher anschließen. Die Demonstration führt durch die Stadt und endet aufgrund von Polizeiketten in der Peterskirche. Dort findet eine Fürbittandacht u.a. für Sven Kulow, der am 26. Juni inhaftiert wurde, statt. Das Sicherheitskartell setzte u.a. einen Hubschrauber gegen den Demonstrationszug ein. - Sicherheitskräfte riegeln die Dresdner Kreuzkirche während einer Trommelaktion für die Demokratiebewegung in China ab und nehmen ca. 40 Personen fest.

17. Juli: Der Leiter der BVfS Leipzig Hummitzsch behauptet auf der Dienstversammlung: "Wenn wir den Untergrund nicht unter Kontrolle bringen, dann wird es eines Tages zur Straßenschlacht kommen. Es gilt von Anfang an: Dagegenhalten."

19. Juli: Das "Neue Deutschland" veröffentlicht einen Briefwechsel zwischen Bischof Horst Gienke und Erich Honecker, in dem die gute Gemeinschaft zwischen Marxisten und Christen beschworen wird.

6. August: Informationsandacht gegen ein geplantes Reinst-Siliziumwerk in der Kirche in Dresden-Gittersee. Danach kommt es zu einer Demonstration, die von Sicherheitskräften brutal aufgelöst wird.

22. August: Der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung, Horst Schumann, meldet sich nach langem Urlaub als krank. Helmut Hackenberg übernimmt seine Geschäfte.

24. August: Tadeusz Mazowiecki vom "Bürgerkomitee Solidarnosc" wird polnischer Ministerpräsident.

25. August: Der Vorsitzende der Konferenz der Kirchenleitung, Landesbischof Werner Leich, bietet Erich Honecker ein vertrauliches Gespräch an. - Der Oberbürgermeister Leipzigs, Dr. Seidel, bittet die Kirche, die Friedensgebete nicht am Messe-Montag, dem 4. September 1989, wieder beginnen zu lassen. In Leipzig gibt es knapp 5.000 Ausreiseantragsteller. Genauso viele sind seit dem 1. Januar 1989 mit Genehmigung der DDR-Behörden aus der Stadt ausgereist. Außerdem über 1.000 "illegal".

26. August: Menschenrechtsseminar in der Berliner Golgathakirchgemeinde. Eine Initiativgruppe veröffentlicht den Aufruf zur Gründung einer Sozialdemokratischen Partei.

27. August: Drei Jugendliche beginnen in der Thomaskirche ein Fasten für die demokratische Umgestaltung der DDR. Die Aktion wird am folgenden Tag abgebrochen.

31. August: Die Bezirkskirchenausschüsse von Leipzig-Ost und -West stimmen der Einrichtung eines Ökumenischen Begegnungszentrums in der Markusgemeinde zu.

1. September: Der Kirchenvorstand von St. Nikolai wird von Genossen Sabatowska vom Rat der Stadt Leipzig, Abteilung Inneres, ins Rathaus bestellt. Ihm wird nahegelegt, die Friedensgebete am 4. September 1989 nicht beginnen zu lassen. Der Kirchenvorstand läßt sich davon jedoch nicht beeindrucken.

2. September: Der Staatssekretär für Kirchenfragen teilt Bischof Leich mit, daß das für den 12. September: geplante Spitzengespräch ausfallen müsse. Bischof Leich verweist auf die staatliche Gesprächsverweigerung seit über einem Jahr und sagt: "Nun ist das Faß übergelaufen." Die Konferenz der Kirchenleitung beschließt daraufhin einen Brief an Honecker, in dem sie die Möglichkeiten einer "mündigen Beteiligung der Bürger an der Gestaltung" gesellschaftlicher Prozesse als "unabdingbar" bezeichnet und offene Diskussionen einklagt. - Der AK zur Situation der Menschenrechte in der DDR gibt eine Erklärung heraus, in der er auf die Inhaftierung zweier Flugblattverteiler verweist. Sie hatten zu einem Wahlboykott aufgerufen und wurden unter Ausschluß der Öffentlichkeit zu Haftstrafen bis zu anderthalb Jahren verurteilt. - Der Leiter der BVfS Leipzig stellt fest, daß nicht mehr zu verhindern sei, daß Westjournalisten anläßlich des Friedensgebetes am 4. September eine "große Storie" bekämen. Auf der Dienstversammlung bezeichnet er das MfS als die Avantgarde der Perestroika in der DDR.

4. September: Das erste Friedensgebet nach der Sommerpause wird von der Nikolaikirchgemeinde gestaltet. Die Predigt hält Superintendent Magirius. Danach findet eine Demonstration für "offene Grenzen, Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit" vor laufenden Kameras verschiedener westlicher Agenturen statt. Anschließend kommt es zu einem Demonstrationszug "Für freie Fahrt nach Gießen", der auf dem Leipziger Hauptbahnhof endet. Zur gleichen Zeit findet in der Reformierten Kirche eine Veranstaltung mit Friedrich Schorlemmer zur "gesellschaftlichen Erneuerung" statt.

5. September: Aufgrund der bevorstehenden Öffnung der ungarischen Westgrenze kommt es im Politbüro zur ersten Debatte seit Jahren. - Die SED-Bezirksleitung Leipzig empfiehl dem Staatssekretär für Kirchenfragen "umgehend" das Gespräch mit dem Kirchenvorstand der Nikolaikirche.

6. September: Den Vortrag zum Messemännerabend hält der Vorsitzende des Präsidiums der Ökumenischen Versammlung, Superintendent Christof Ziemer, zum Konziliaren Prozeß unter dem Titel "Eine Hoffnung lernt gehen".

7. September: Brutaler Polizeieinsatz gegen Demonstration wegen des Wahlbetrugs auf dem Berliner Alexanderplatz. - Die "Leipziger Volkszeitung" und andere DDR-Zeitungen beginnen auf die Vorgänge um die Nikolaikirche ("Unruhestifter in der Leipziger Innenstadt") einzugehen.

8. September: Eine Foto-Dokumentation über Polizeimaßnahmen im Frühsommer in Leipzig (u.a. nach den Friedensgebeten), die während des Statt-Kirchentages gezeigt wurde, wird durch die Stasi beschlagnahmt.

10. September: Der Gründungsaufruf des Neuen Forums (Aufbruch 89) wird unterzeichnet und veröffentlicht. - Der Brief der Konferenz der Kirchenleitung an Erich Honecker wird den Gemeinden bekanntgegeben.

11. September: Ungarn öffnet seine Grenze nach Österreich für DDR-Bürger. - Bischof Johannes Hempel nimmt am Friedensgebet teil. Es wird der der Brief der Konferenz der Kirchenleitung an Erich Honecker verlesen und von ca. 1.300 Gottesdienstbesuchern mit Beifall aufgenommen. Während des Friedensgebetes riegeln Polizeiketten das Gebiet um die Nikolaikirche hermetisch ab. Nach dem Friedensgebet werden 89 Personen festgenommen. Viele wurden ohne Gerichtsverfahren zu Geldstrafen zwischen 1.000 und 5.000 Mark verurteilt. 19 Gottesdienstbesucher müssen bis Mitte Oktober in der Haftanstalt der Staatssicherheit bleiben.

12. September: "Demokratie Jetzt" verabschiedet Gründungsaufruf "zur Einmischung in die eigenen Angelegenheiten". – Die ARD bringt eine Sendung über den Verfall von ganzen Stadtteilen Leipzigs und über das Lebensgefühl Leipziger Jugendlicher.

13. September: Im ZDF bzw. in RIAS-TV erklären Bärbel Boley, Rolf Henrich und Prof. Jens Reich die Zielstellung des Neuen Forums. In Leipzig bildet sich eine Gruppe, die Solidaritätsaktionen für die Inhaftierten koordiniert. Sie erhält von der Markus-Gemeinde einen Raum mit Telefon und organisiert in den nächsten Wochen die täglichen Fürbittandachten, die Informierung der Journalisten über die Vorgänge in Leipzig und z.B. das Anbringen von Transparenten an Fenstern der Nikolaikirche und Kerzen vor der Nikolaikirche.

14. September: Die Nachrichten westdeutscher Rundfunkstationen geben bekannt, daß die Sammlungsbewegung "Demokratischer Aufbruch" gegründet wird.

15. September: Superintendent Richter schickt an alle Pfarrämter des Kirchenbezirkes Leipzig-West eine Empfehlung zur Fürbitte für die am 11. September Inhaftierten.

15. bis 19. September: Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR in Eisenach. Basisgruppenmitglieder aus Leipzig verteilen auf der Synode Fotos von den Inhaftierten und bitten um öffentlichen Protest durch die Synode. Bischof Johannes Hempel gibt einen Informationsbericht über die Vorgänge in Leipzig. - Die Synode erklärt: "Die Massenauswanderung von Bürgern der DDR in die Bundesrepublik Deutschland zwingt dazu, Ursachen dafür zu benennen, daß offensichtlich viele, besonders auch junge Menschen in unserem Land und für unser Land keine Zukunft mehr sehen. [...] Wir brauchen: - demokratische Parteienvielfalt; - Reisefreiheit für alle Bürger; - wirtschaftliche Reformen; [...] - Möglichkeit friedlicher Demonstrationen [...]"

17. September: In der Berliner Gethsemanekirche findet das erste Fürbittgebet für die in Leipzig Inhaftierten statt. Es folgen täglich weitere auch in anderen Städten.

18. September: Verschiedene DDR-Unterhaltungskünstler solidarisieren sich mit den Zielen des Neuen Forums. - Das Friedensgebet wird von der Friedensgruppe Grünau/Lindenau gestaltet. Die Nikolaikirche ist nahezu überfüllt. Während des Friedensgebetes werden wieder Polizeiketten um die Nikolaikirche aufgezogen. An diesen sammeln sich über tausend Schaulustige. Polizei inhaftiert erneut Demonstranten.

19. September: Das Neue Forum beantragt die Zulassung als offizielle Vereinigung. - Das Mitglied der Koordinierungsgruppe für die Fürbittengebete Christian Dietrich erklärt in einem ARD-Telefon-Interview, daß es in Kürze zu Wahlen kommen müsse, an denen sich neben dem Neuen Forum auch andere neugegründete politische Vereinigungen beteiligen werden.

20. September: Die Pfarrer Manfred Wugk und Christian Führer schicken ein Schreiben an den Rat der Stadt Leipzig, Abteilung Kirchenfragen, in dem sie sich über die Aktion der Sicherheitskräfte nach dem Friedensgebet am 18. September 1989 beschweren.

21. September: Das DDR-Innenministerium erklärt das Neue Forum als staatsfeindlich und lehnt dessen Zulassung ab. Das MfS gibt den entsprechenden SED-Sekretariaten in den folgenden Tagen laufend Informationen über die Entwicklung der "oppositionellen Sammlungsbewegungen". - Per Strafbefehl und ohne Gerichtsverfahren werden die ersten der am 11. September inhaftierten Friedensgebetsbesucher zu 4 bis 6 Monaten Haft verurteilt.

22. September: Erich Honecker fordert in einem Fernschreiben an die SED-Bezirksleitungen die "Isolierung der Organisatoren der konterrevolutionären Tätigkeit" und daß "die feindlichen Aktionen im Keim erstickt werden müssen".

23. September: Das MfS entscheidet, die Weitergabe des Gründungsaufrufes des Neuen Forums, welcher u.a. in der Nikolaikirche aushängt, gemäß § 220 des StGB zu ahnden.

24. September: Im Gemeindesaal der Markusgemeinde treffen sich erstmals - auf Einladung der "Initiative zur demokratischen Erneuerung unserer Gesellschaft" - Vertreter der verschiedenen neu entstandenen Bürgerbewegungen, um ihre zukünftigen Initiativen miteinander abzustimmen. Der Deutschlandfunk verbreitet als Gesprächsergebnis, daß das Neue Forum als Dachorganisation aller Bürgerbewegungen akzeptiert werde. Doch darauf haben sich die Teilnehmer nicht geeinigt.

25. September: Die AG Menschenrechte gestaltet zusammen mit Pfarrer Wonneberger das Friedensgebet. Nach dem Friedensgebet demonstrieren ca. 8.000 Menschen vom Nikolaikirchhof in Richtung Hauptbahnhof. Sie singen "We shall overcome" und rufen "Freiheit" oder "Neues Forum (zulassen)".

26. September: Eine Diskussion über die Krise in der DDR im Politbüro wird auf Antrag von Kurt Hager vertagt. - Demonstration in Berlin nach Fürbittandacht in der Gethsemane-Kirche. - Der stellvertretende Minister des MfS, Mittig, erklärt, daß es falsch gewesen sei, daß die Verantwortung für die Verhinderung von Demonstrationen allein in Leipzig lag.

27. September: Das Sekretariat der SED-Bezirksleitungssitzung beschließt einen Katalog an Maßnahmen, mit denen die Opposition in den folgenden Wochen unterdrückt werden soll.

28. September: Der Bezirksstaatsanwalt droht den Pfarrern Christian Führer und Christoph Wonneberger mit Haftstrafen, falls sie weiterhin das "Recht der DDR verletzen".

29. September: Außerordentliche Politbürositzung, auf der Erich Honecker die Ausreise der Botschaftsbesetzer über DDR-Territorium beschließen läßt. - Beginn einer Leserbriefkampagne gegen die Besucher der Friedensgebete bzw. der Demonstranten in der "Leipziger Volkszeitung". - Auf der Stadtverordnetenversammlung geht der Oberbürgermeister in seinem Bericht auf die Vorgänge um die Nikolaikirche mit verleumdenden Bemerkungen gegen Kirche und Opposition ein. Der Bericht wird gegen alle Gewohnheit nicht einstimmig bestätigt.

30. September: Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher erklärt in Prag, daß die Botschaftsflüchtlinge ausreisen dürfen. Damit können über 6.000 DDR-Bürger in die Bundesrepublik ausreisen. - Superintendent Johannes Richter sendet an die Pfarrämter des Kirchenbezirkes Leipzig-West einen Aufruf zur Gewaltlosigkeit.

1. Oktober: In Ostberlin gründet sich trotz massiver Behinderung durch die Sicherheitsorgane (Polizeiketten, Hausarreste) der "Demokratische Aufbruch".

1. bis 3. Oktober: Vor der Bonner Botschaft in Prag versammeln sich erneut über 7.000 Menschen, die in die Bundesrepublik wollen und die in den folgenden Tagen auch ausreisen dürfen.

2. Oktober: Das "Neue Deutschland" erklärt, daß den ausgereisten Bürgern "keine Träne nachzuweinen" sei. - In Leipzig gibt es schon Probleme bei den öffentlichen Verkehrsmitteln, da viele Fahrer in den Westen ausgereist waren. Es werden Soldaten eingesetzt. - In der Berliner Gethsemanekirche beginnen unbefristete Mahnwachen gegen die Inhaftierungen in Leipzig, Potsdam und Berlin. Täglich finden in Berlin Informationsandachten statt. - Die AG Umweltschutz gestaltet das Friedensgebet. Ein Friedensgebet findet zur gleichen Zeit wie in St. Nikolai auch in der Reformierten Kirche statt. An der Demonstration im Anschluß an das Friedensgebet nehmen ca. 25.000 Personen teil. Es kommt zu Ausschreitungen und einem brutalen Einsatz von Polizei, Sondereinheiten und Kampfgruppen. - Gewandhauskapellmeister Kurt Masur erklärt in einem ARD-Interview angesichts der Polizeieinsätze "Ich schäme mich" und ruft zu einem gesamtgesellschaftlichen Dialog auf.

3. Oktober: Die Regierung hebt den visafreien Reiseverkehr in die CSSR auf. Seit Tagen werden Reisende in Richtung CSSR/Ungarn an der Grenze festgenommen bzw. zurückgewiesen. Am Abend sammeln sich auf dem Dresdener Hauptbahnhof Ausreisewillige, die auf die Züge aus Prag mit den Botschaftsbesetzern warten, um ebenfalls in die Bundesrepublik reisen zu können. Kurz nach Mitternacht versucht die Polizei, den Bahnhof zu räumen. Der Bahnverkehr kommt teilweise zum Erliegen. Am folgenden Abend kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten bzw. Ausreisewilligen. Daraufhin finden täglich Demonstrationen, u.a. mit Kerzen als Zeichen für Gewaltlosigkeit, am Bahnhof und in der Dresdener Innenstadt statt. Ausreisewillige, die aus den Zügen nach Prag geholt wurden, flüchten in verschiedene Dresdener Kirchen. - Die Leipziger Bezirkseinsatzleitung tagt und beschließt, den Einsatz von Armee-Einheiten gegen Demonstranten vorzubereiten.

4. Oktober: Vertreter von "Demokratie Jetzt", "Demokratischer Aufbruch", "Initiative Frieden und Menschenrechte", "Neues Forum" und SDP setzen sich für die Freilassung der Inhaftierten sowie für Wahlen unter UN-Aufsicht ein. - Die CDU-Tageszeitung "Die Union" veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift: "Zum Dialog über alle uns bewegenden Fragen ermutigen", in dem die Vorgänge um die Nikolaikirche auf die Ausgrenzung von Kritik durch die Regierenden zurückgeführt werden.

5. Oktober: Der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke weist die Dienststellen des MfS in Berlin an, Reservekräfte zu mobilisieren und die Maßnahmen zur Unterbindung von Demonstrationen effizienter zu gestalten. Dabei heißt es, sie sollten mit "allen Mitteln" unterbunden werden. - Bei friedlichen Demonstrationen in Dresden setzt die Polizei massiv Gewalt ein und nimmt mehrere hundert Beteiligte fest. - Der Rat der Stadt Leipzig bildet eine Arbeitsgruppe, die einen Überblick über die Ausfälle aufgrund der großen Abwanderung in den verschiedenen kommunalen Bereichen auflistet und für Gegenmaßnahmen verantwortlich ist. Auf dem evangelischen Pfarrertag der Region Leipzig kommt es zur Auseinandersetzung über die Aufgabe der Kirche angesichts eines drohenden Bürgerkrieges. Vertreter des Staates fordern von Bischof Hempel die "Entpolitisierung" der Friedensgebete. Der Ratsvorsitzende des Rates des Bezirkes behauptet, daß es nicht vorgesehen sei, mit Waffen gegen Demonstranten vorzugehen.

6. Oktober: Während die Demonstrationen in Dresden weitergehen, erteilen die Dresdener Behörden sofortige Ausreisegenehmigungen. - Der Thüringer Landesbischof bittet die Pfarrer seiner Landeskirche, Friedensgebete vorzubereiten und die Kirchen als Zufluchtsorte zu öffnen. - In der Berliner Erlöserkirche findet eine "Zukunftswerkstatt" unter dem Motto "Wie nun weiter, DDR?" mit ca. 2.000 Teilnehmern statt. Das Podium zur Reformdiskussion wird von einem Künstlerprogramm eingerahmt: "Und morgen hau’n wir auf die Pauke!" - Die LVZ druckt eine Erklärung eines Kampfgruppenkommandeurs, in der es heißt: "Wir sind bereit und willens, das von uns mit unserer Hände Arbeit Geschaffene wirksam zu schützen, um diese konterrevolutionäre Aktion endgültig und wirksam zu unterbinden. Wenn es sein muß, mit der Waffe in der Hand!" Dagegen gehen bei staatlichen Stellen eine Vielzahl von Protestbriefen, u.a. vom Neuen Forum Leipzig und vielen Pfarrern, ein.

7. Oktober: Am 40. Jahrestag der Gründung der DDR sagt Gorbatschow vor den Genossen des Politbüros: "Wenn wir zurückbleiben, bestraft uns das Leben sofort." Die Regierung feiert im "Palast der Republik", während es wenige Meter entfernt zu einer großen Protestdemonstration kommt. Sie wird ähnlich wie eine weitere im Stadtteil Prenzlauer Berg brutal aufgelöst. Vertreter der Kirchenleitung versuchen vergeblich zwischen Polizei und Demonstranten zu vermitteln. Auch in anderen Städten (z.B. Dresden, Plauen, Karl-Marx-Stadt, Suhl, Erfurt, Halle, Magdeburg, Potsdam, Arnstadt) kommt es zu Demonstrationen und brutalen Polizeieinsätzen. In Plauen werden sogar Hubschrauberstaffeln eingesetzt. - In Schwante gründet sich die SDP. - Der Vorsitzende des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Landesbischof Werner Leich, fordert in einem ARD-Interview ein neues Wahlrecht und neue Reiseregelungen. - Zum "Nationalfeiertag" versuchen den ganzen Tag verschiedene Gruppen (zwischen 300 und 2.000 Personen), in der Leipziger Innenstadt zu demonstrieren. Die Sicherheitskräfte gehen brutal dagegen vor. Es werden Hunde und Wasserwerfer eingesetzt. Fast zweihundert Personen werden verhaftet und u.a. in Pferdeställen auf dem Gelände der Agra festgehalten, auf dem ein Internierungslager für den "Spannungsfall" vorgesehen war. Der amtierende 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung, Jochen Pommert, meldet an das ZK: "Es ist die Absicht zu erkennen, die Volkspolizei zu beschäftigen." Während zweier Veranstaltungen des Neuen Forums in der Michaeliskirche unterzeichnen ca. 700 Menschen den Gründungsaufruf "Aufbruch 89".

8. Oktober: Erneut kommt es zu Demonstrationen in mehren Städten der DDR. Während am Abend in Dresden auf Initiative evangelischer und katholischer Amtsträger der Polizeieinsatz beendet und ein erstes Gespräch zwischen Vertretern der Demonstranten und des Stadtrates verabredet werden, wird in Berlin und anderen Städten brutal gegen jegliche Bürgeransammlungen vorgegangen, werden über tausend Bürger festgenommen und in vielen Fällen mißhandelt. - Die KP Ungarns löst sich selbst auf. - Der Stasi-Chef wiederholt seine Weisung vom 5. Oktober für die ganze DDR. Er befiehlt "volle Dienstbereitschaft" für alle Dienststellen und fordert die Einleitung von Maßnahmen, die eine kurzfristige Verhaftung oppositioneller Personen ermöglicht. Waffenträger sollen ihre Waffen stets bei sich tragen. - In Leipzig wird daraufhin ein "Operativer Einsatzstab" gebildet. Alle Diensteinheiten sind angewiesen, sich auf Einsätze vorzubereiten, wie sie nach einer internen Bestimmung für den "Spannungsfall" vorgesehen sind. In den folgenden Stunden werden die Verhaftungen von mehreren hundert Oppositionellen vorbereitet. - Eine außerordentliche Sekretariatssitzung der SED-Stadtleitung beschließt, für den Abend die Parteisekretäre der SED-Grundorganisationen per Alarmierungssystem zu einer Beratung zu laden. An dieser Instruktion nehmen 450 Genossen teil. Dabei muß sich die Parteileitung deutliche Anfragen durch Parteisekretäre der Grundorganisationen gefallen lassen.

9. Oktober: 7.30 Uhr tagt die Bezirkseinsatzleitung (entsprechend einem Honecker-Telegramm). Sie stellt fest, daß Demonstrationen faktisch nicht mehr zu verhindern sind. - Die SED-Grundorganisationen tagen in Erwartung bürgerkriegsähnlicher Auseinandersetzungen am Abend. In der Stadt kursieren verschiedene Gerüchte über militärische Vorbereitungen. Es werden Empfehlungen gegeben, nicht in die Innenstadt zu gehen. - Die am 7. Oktober bekanntgegebenen Kontaktadressen des Neuen Forums werden in einigen Schulen und Betrieben inoffiziell weitergegeben. - Die meisten Pfarrer werden von staatlichen Vertretern aufgesucht und von einer möglichen Teilnahme an einer Demonstration abgehalten. - Der Leiter des Leipziger Zentralinstitutes für Jugendforschung W. Friedrich übergibt Egon Krenz eine Erklärung, in der er feststellt, daß die SED mit einer Opposition leben müsse, und den Rücktritt Erich Honeckers empfiehlt. - Die Stimmung in der Stadt ist gereizt. Gegen eine Festnahme von Personen auf dem Platz vor der Oper wird mit einem Hupkonzert protestiert. - Die Friedensgebete finden in fünf Leipziger Kirchen statt. Zu diesen Friedensgebeten werden ca. 2.000 sogenannte "gesellschaftlichen Kräften" beordert, so daß die Nikolaikirche schon 14.10 Uhr gefüllt ist. An der Nikolaikirche wird ein großes Tuch mit der Aufschrift: "Leute keine sinnlose Gewalt, reißt Euch zusammen..." angebracht. Nach den Friedensgebeten findet eine Demonstration von über 70.000 Bürgern statt. Es werden Tausende Flugblätter mit dem Aufruf zur Besonnenheit verteilt. Kurt Masur liest über den Stadtfunk einen Aufruf zur Besonnenheit und zum Dialog, den auch SED-Sekretäre unterzeichneten. - Es kommt zu keiner Gewalt, obwohl Bereitschaftspolizei, Armee, Kampfgruppen und Staatssicherheit in der Stadt zusammengezogen waren. - Nach dieser großen Demonstration und dem "Dialog-Versprechen" kommt es zu einer Unmenge an Resolutionen und spontanen Initiativen, die das Ende der SED-DDR bedeuten. Mit einigen regionalen Unterschieden (!) beginnt an diesem Abend die sogenannte "Herbstgesellschaft", an deren Ende die Wiedervereinigung stand.

10. Oktober: Die wöchentliche SED-Politbürositzung findet in erweiterter Runde statt und wird um einen Tag verlängert.

11. Oktober: Das Politbüro erklärt, sich Diskussionen stellen zu wollen. - Der Bürgermeister des Stadtbezirks Leipzig-Mitte Setzepfandt erklärt auf einer Festveranstaltung zum 40. Jahrestag der DDR: "Es gibt keinen Grund, unsere bewährten im Leben jedes Bürgers spürbaren sozialistischen Grundsätze und Errungenschaften, den lebendigen, realen Sozialismus zugunsten der Wiederbelebung eines kapitalistischen Leichnams preiszugeben." - Das Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens schickt an alle Pfarrämter eine Kanzelabkündigung des Landesbischofs Dr. Johannes Hempel, in dem er sich für Dialog und Gewaltfreiheit einsetzt.

12. Oktober: Zwischen dem Oberbürgermeister und den leitenden kirchlichen Amtsträgern der Stadt findet ein Gespräch statt. Superintendent Richter macht dabei den Vorschlag, daß ein verantwortlicher Vertreter des Rates der Stadt am Montag zu den Menschen sprechen müßte.

13. Oktober: Gespräch beim Rat des Bezirkes mit Vertretern von kirchlichen Gruppen der Stadt Leipzig. - Egon Krenz, Stasivizechef Mittig, Stabschef der Polizei K.-H. Wagner, Sekretär des Verteidigungsrates Fritz Streletz sowie ZK-Abteilungsleiter Wolfgang Herger treffen sich mit Helmut Hackenberg in Leipzig und geben den Befehl "Gewaltfreiheit" für den 16. Oktober 1989. 14. Oktober: Das Neue Forum gibt die Zahl von 25.000 Mitgliedern bekannt. Kirchlicherseits wird die Forderung nach unabhängiger Untersuchung der Gewaltanwendung um den 7. Oktober herum als Vorbedingung des "Dialoges" erhoben.

16. Oktober: Erich Mielke schickt ein Telegramm an die Leiter aller Diensteinheiten, worin er Anweisungen gibt, verstärkt Kontrollmaßnahmen durchzuführen, damit es nicht zu weiteren Demonstrationen kommt. - Das Friedensgebet findet in 5 Leipziger Kirchen statt. Danach kommt es zu einer Demonstration von ca. 150.000 Bürgern um den Leipziger Innenstadtring. Egon Krenz, Erich Mielke und Erich Honecker verfolgen das Geschehen am Bildschirm des Innenministeriums. Die "Aktuelle Kamera" berichtet kurz über die Demonstration.

17. Oktober: Mit der Absicht, die Demonstrationen einzustellen, trifft sich der Leipziger Oberbürgermeister mit Vertretern verschiedener christlicher Konfessionen.

18. Oktober: Erich Honecker wird von Egon Krenz als SED-Vorsitzender abgelöst. 20. bis 24. Oktober: Die Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens protestiert u.a. gegen die Gewalt gegenüber Demonstranten.

23. Oktober: Das Neue Forum gibt den Ort seines Büros in Leipzig bekannt. Über eine viertel Million Bürger demonstrieren in Leipzig für Reformen bzw. Ende der SED-Herrschaft.

24. Oktober: Egon Krenz wird Vorsitzender des Staats- und des Nationalen Verteidigungsrates. - Auf der SED-Bezirksleitungssitzung erklärt Helmut Hackenberg "Wir leben von Montag zu Montag.". "Wenn ihr so wollt, das sage ich hier ganz offen, sind wir auch nicht in der Lage zu sagen, wie wir den Montag verhindern können. Das muß ich sagen. Wenn wir das gekonnt hätten, da hätten wir das schon zehnmal gemacht." Und "wir spüren selber, daß uns der Dialog auseinanderläuft".

27. Oktober: Der Staatsrat verkündet eine Amnestie für sogenannte "Republikflüchtlinge" und inhaftierte Demonstranten.

7. November: Die DDR-Regierung tritt zurück.

9. November: Die Mauer ist für DDR-Bürger offen.

1. Dezember: Die Volkskammer streicht den Führungsanspruch der SED aus der Verfassung.

4. Dezember: In Leipzig wird wie in anderen Bezirksstädten der DDR die Bezirksverwaltung des MfS besetzt und ein Bürgerkomitee eingerichtet.

7. Dezember: Die Erste Sitzung des Zentralen Runden Tisches 11. Dezember: Das Hauptthema der Leipziger Montagsdemonstration ist die "Wiedervereinigung".

24. Dezember: Die innerdeutschen Grenzen öffnen sich auch für Bundesbürger bedingungslos.

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Quelle: © Christian Dietrich und Uwe Schwabe: "Freunde und Feinde", Leipzig 1994


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