Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Gefördert durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

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Im Juli 1978 erhalten westliche Zeitungen und Radiostationen Kopien eines Dokumentes, genannt die „Deklaration 78“. Eine anonyme Gruppe von Dissidenten aus Bulgarien, die sich „ARD“ nennt, erhebt sechs Forderungen zur Verbesserung der Situation in ihrem Land. In dem Manifest fordern sie das Ende der Menschenrechtsverletzungen, Religionsfreiheit, Abschaffung der Pressezensur, freie Gewerkschaften und das Recht auf Auswanderung. (Quelle: Spiegel 9.10.1978)

Platz der Nationalversammlung Mitte der 1970er Jahre | Quelle: lostbulgariaKurze Zeit später wagen Regimegegner sogar eine Demonstration auf dem Platz der Nationalversammlung in Sofia. Sie entrollen ein Transparent mit der Aufschrift „Nieder mit dem Kommunismus“ und verteilen Flugblätter.

 

Exil-Bulgaren, die das Schiwkow-Regime öffentlich kritisieren, müssen den „langen Arm“ des bulgarischen Geheimdienstes („Derschwawna Segurnost“) fürchten. Kidnappte man diese Menschen bisher in den Exilländern, um ihnen in Bulgarien den Prozess zu machen, so mordet der Geheimdienst mit technischer Unterstützung des sowjetischen KGB nun im Ausland.

Berühmtestes Beispiel ist das Attentat auf den Schriftsteller Georgi Markov.

Der „Regenschirm-Mord“ von London

Georgi Markov, 1978 | Quelle: lostbulgariaGeorgi Markov ist einer der bekanntesten bulgarischen Schriftsteller der 1960er Jahre. Er wird sogar zu Jagdausflügen mit Schiwkow eingeladen. Seine Kenntnisse vom „inner circle“ der Macht werden ihm letztlich zum Verhängnis.
Im Juni 1969 verlässt er das Land, nachdem die staatliche Zensur einen Roman und ein Theaterstück von ihm verbietet. Markov wird als "Verräter" gebrandmarkt und in Abwesenheit zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Seit 1971 arbeitet er in London als Schriftsteller und Journalist für die BBC sowie für Radio Free Europa (RFE) in München.
So strahlte RFE 1977/78 in 11 Sendungen Markovs Reihe „Persönliche Treffen mit Todor Schiwkow“ aus. Darin wird Schiwkow das Ziel beißender Satire.

Am 7. September 1978, dem Geburtstag des bulgarischen Staatschefs, wird Markov wie im Krimi ermordet:
An einer Londoner Bushaltestelle rempelt ihn ein Mann aus der Menschenmenge mit einem präparierten Regenschirm an. Der Unbekannte verschwindet und Markov verspürt im rechten Oberschenkel einen stechenden Schmerz. Vier Tage später stirbt er. Eine Obduktion ergibt, dass Markow mit einer winzigen mit Rizin gefüllten Kugel vergiftet wurde.
Bis in die Gegenwart hat die bulgarische Staatsanwaltschaft kein Interesse an der Aufklärung des Mordes.

Neues Deutschland, 26.11.1974Der vermutliche Organisator des Attentats ist Innenminister Dimityr Stojanow. Er erklärt am 15. September 1978 im bulgarischen Fernsehen:

„Unsere Feinde sind vor unserem Zugriff nirgendwo sicher. Die Konterrevolution muss wissen, dass es für sie keine sicheren Refugien gibt.“

 

Auch im Inland geht das Regime hart gegen Kritiker vor: 1979 wird z.B. Ilja Minew wegen eines Briefes, den er an den US-amerikanischen Präsidenten und die UN-Kommission für Menschenrechte schickt, zu 5 Jahren Haft verurteilt. Kurze Zeit später verurteilt man auch seine Frau zu einem Jahr, weil sie ohne Erlaubnis ihr Dorf verließ.
Schon für die Kritik an der schlechten Versorgungslage gibt es Haftstrafen. Viele politische Gefangene sitzen im Arbeitslager Belene oder in Stara Zagora ein. Wer einmal aus politischen Gründen bestraft wurde, kann auch nach seiner Entlassung jederzeit verbannt werden.

Tot oder lebendig - Flucht fernab der DDR

In der DDR erfährt man wenig über geglückte oder misslungene Fluchtversuche über Bulgarien. Auch die Westmedien berichten kaum etwas darüber. Daher verbreitet sich in der DDR die fatale Vorstellung, es sei weniger gefährlich, über Bulgarien „abzuhauen“. Durch die geografische Entfernung wähnt man sich außerdem weit weg der DDR-Kontrolle.

Themenblock Bulgarien

Sonne garantiert – Die „Riviera“ der DDR

In Bulgarien gewinnt der Fremdenverkehr als Wirtschaftsfaktor seit Beginn der 1960er Jahre zunehmend an Bedeutung. Beträgt die Zahl ausländischer Touristen 1960 noch 150.000, kommen 1967 bereits 1,6 Millionen nach Bulgarien – eine Verzehnfachung innerhalb von nur sieben Jahren. 43 Prozent von ihnen stammen aus dem westlichen Ausland und bringen die begehrten Devisen mit.


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