Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Alle Artikel, Audios und Videos zu Jugoslawien.

Drei Religionen, zwei Alphabete, fünf Sprachstämme: Jugoslawien birgt eine große natürliche, kulturelle und ethnische Vielfalt in sich, aber auch viel Potenzial für Konflikte. Nach dem II. Weltkrieg kann der KP-Chef Josip Broz, Kampfname „Tito“, mit seiner Variante des Sozialismus das Land stabilisieren. Bis Mitte der 1960er Jahre kommt es zu einer rasanten Industriealisierung. Eine partielle Liberalisierung und ein zunehmender Wohlstand kennzeichnen zunächst den „Mittelweg“ zwischen dem stalinistisch geprägten Sozialismus und dem Kapitalismus.
Spätestens mit dem Tod des charismatischen Staats- und Parteiführers Tito 1980 werden die ethnischen Konflikte, die sich aus einer gesellschaftlichen Dauerkrise ergeben, immer deutlicher. Die Begriffe „Dissident“, „Reformer“, „Frühling“ zielen hier mehr auf die Ablehnung des als zentralistisch empfundenen Bundesstaates und weniger auf das kommunistische System an sich. Doch Föderalismus und Kommunismus sind zwei Seiten einer Medaille. Die Lösung der jugoslawischen Konflikte vollzieht sich in den 1990er Jahren mit Gewalt und Krieg.

Durch die Reisebeschränkungen bleibt für DDR-Bürger das Land ähnlich unerreichbar wie die westliche Welt.

Am 29. November 1943 erklärt sich der „Antifaschistische Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens“ (AVNOJ) mitten im Krieg und ohne Rücksicht auf die Exilregierung in London zum obersten gesetzgebendem und ausführendem Organ im Land. Dieses „Kriegsparlament“ setzt sich aus der von der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) geführten Widerstandsbewegung und aus bürgerlichen Vorkriegsparteien zusammen.

Josef-Broz 1943
Der aus Kroatien stammende KP-Chef Jugoslawiens Josip Broz, Kampfname Tito, auf der 2. AVNOJ-Konferenz in Jajce am 29.11.1943 | Quelle: Drug Tito, Tiskarna Ljubljana

Der Kongress beschließt die Anerkennung und Gleichberechtigung aller jugoslawischen Völker und Volksgruppen. An die Stelle eines zentralistischen Vorkriegsstaates tritt jetzt ein „zentralistischer Föderalismus“ nach sowjetischem Modell. Es wird eine provisorische Regierung unter Partisanenführer Marschall Tito gebildet. Damit wird der zerstrittenen Exilregierung der Alleinvertretungsanspruch abgesprochen. Gleichzeitig kommt es im besetzten Jugoslawien zum Bürgerkrieg mit z.T. ethnischen Säuberungen um die Vorherrschaft in einer Nachkriegsordnung:

Quelle: Archiv Bürgerbewegung e.V.

Volksfrontbewegung

Time-Warner, New York: „Tito und seine Guerilla sind ein Stachel im Fleisch der Deutschen.“ (Juni 1944)
Den Machtkampf im besetzten Jugoslawien hat Tito, nicht zuletzt durch die Unterstützung der alliierten Mächte, für sich entschieden. Damit hat er eine starke Verhandlungsposition gegenüber seinen innerjugoslawischen Gegnern bei der Neuordnung des Staates. Taktisch geschickt tritt er dabei nicht als Kommunist auf, sondern als Vertreter der im Krieg gewachsenen Volksfront. (Quelle: archive.org)

Tito 1945
Quelle: Drug Tito, Tiskarna Ljubljana

Es folgt eine Flut von Vergeltungsmaßnahmen durch die Kommunisten in Form von Massenhinrichtungen, Verhaftungen und Zwangsarbeit. Die historische Aufarbeitung dieser Gräueltaten steht bisher noch weitgehend aus.

 

Solidargemeinschaft

Der kommunistische Sieg ist nicht nur allein auf den Terror zurückzuführen. Die von den Kommunisten geführte Volksbefreiungsarmee ist die einzige Kraft, die alle jugoslawischen Nationen integriert - und darüber hinaus auch die Frauen in der patriarchal determinierten Gesellschaft.

Staatswappen des sozialistischen JugoslawienIm Staatswappen des sozialistischen Jugoslawien sind seit 1943 die fünf Republiken als Fackeln in einer gemeinsamen Flamme vereint.
(Seit 1963 gibt es sechs Fackeln, nachdem die bosnischen Muslime als Staatsvolk anerkannt werden).

 

Karte 1945
Quelle: archive.org, Nachkriegs-Jugoslawien

Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Offizielle Anrede wird nicht wie in den anderen Volksdemokratien die Bezeichnung „Genosse“, sondern „Kamerad“ und integriert damit auch die Menschen, die keine Parteimitglieder sind. Alle Menschen sind gleich. Dieser Grundsatz solle tradierte Konflikte wie von selbst lösen.

„Drug [Kamerad] Tito“ ist trotzdem „etwas gleicher“.

Geburtshaus
Tito am 26. Mai 1945 im kroatischen Kumrovec | Quelle: Drug Tito, Tiskarna Ljubljana

Die KPJ steht und fällt mit dem Gelingen der Integration und wie sich zeigen wird, steht und fällt der Staat mit der KPJ.

 

Gründungsmythos

Die Erfahrungen im II. Weltkrieg bilden die konstituierende Kraft des sozialistischen jugoslawischen Staates. Die Auseinandersetzung mit diesen Ereignissen dient dabei weniger einer „Vergangenheitsaufarbeitung“, als vielmehr der Stabilisierung des Gründungsmythos. Es gibt nur „Gut“ und „Böse“.

Opfermauer

Zentraler Bestandteil der Gründung des zweiten Jugoslawiens ist der Opfermythos. Je größer die Zahl, umso notwendiger und gerechtfertigter ist der kommunistische Neuanfang. Dementsprechend beziffert Tito bereits 1945 die Opfer auf 1.7 Mio. bei 16 Mio. Einwohnern.
Angesichts des Bürgerkrieges im Weltkrieg, den ethnischen Säuberungen und den kommunistischen Vergeltungsmaßnahmen ist es nahezu unmöglich gesicherte Zahlen zu erheben.

(Die neueste Forschung geht von ca. einer Million Kriegsopfern aus und etwa 700.000 Menschen, die Opfer des Terrors während und nach dem Krieg geworden sind. – vgl. H. Sundhaussen: Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten 1943-2011)

Das Land wird in den Folgejahren mit Partisanendenkmälern und Erinnerungsorten überzogen.

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Dieser jugoslawische Gründungsmythos hat sich in den 1980er Jahren überlebt und wird von einer Vielzahl nationaler Opfermythen abgelöst.

 

Jugoslawischer Stalinismus

Die KP Jugoslawiens ist der „Musterschüler“ bei der Errichtung sozialistischer Verhältnisse. Im Selbstverständnis der jugoslawischen Kommunisten kommt in der Rangordnung nach „Generalissimus“ Stalin gleich „Marschall“ Tito.

Stalin Plakat | Quelle: BundesarchivSchleichend übernimmt die KPJ die politische und wirtschaftliche Macht. Bei den Parlamentswahlen am 11.11.1945 erzielte die „Volksfront“ 90% der Stimmen. Auch wenn die Wahlen manipuliert sind, entscheidet sich doch die Mehrheit der Bevölkerung für einen Neuanfang. Schneller als in den benachbarten „Volksdemokratien“ werden dadurch nichtkommunistische Parteien liquidiert.

Am 29.11.1945 wird die „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ (FNRJ) ausgerufen und am 31.1.1946 wird eine neue Verfassung verabschiedet, die der sowjetischen von 1936 nachempfunden ist. Innovativ gegenüber allen bisherigen Konzepten ist das Ziel einer Solidargemeinschaft des ethnisch durchmischten und konfliktreichen Jugoslawiens.

 

Jugoslawien gleicht nicht nur durch die immensen Kriegszerstörungen einem Armenhaus. Eine Modernisierung des Landes ist gleichbedeutend mit dem sozialistischen Aufbruch. Bereits Ende 1945 befinden sich 80% der wichtigen Wirtschaftsunternehmen in Staatseigentum. Die spärlichen Ressourcen werden zentral zugeteilt. Bis 1948 hat sich die Verstaatlichung auch auf die kleinen Betriebe ausgeweitet. Als Vorbild dient die sowjetische Wirtschaftspolitik. Im Gegensatz zu Stalins Agrarpolitik gibt es jedoch keine Zwangskollektivierung auch kleiner Flächen in der Landwirtschaft. Die Masse der Widerstandskämpfer sind Bauern und die Partei hat ihnen den Schutz ihres Eigentums zugesichert. In einer Bodenreform wird Großgrundbesitz und das Land von Kollaborateuren und den Jugoslawiendeutschen an ehemalige Partisanen verteilt bzw. verstaatlicht.

Neues Deutschland, 3.12.1946

Der Bruch mit Moskau

Quelle: Neues Deutschland
Quelle: Neues Deutschland
Quelle: Neues Deutschland

Am 28. Juni 1948 bricht Stalin mit Tito und Jugoslawien. Über das „Informationsbüro der kommunistischen Parteien“ (Kominform) verstößt Stalin den jugoslawischen Führer aus der kommunistischen Weltgemeinschaft.

PDF Download: Kommuniqué, 28.6.1948 Bild: vusta/iStockphoto„Die KPdSU ergriff bei der Entlarvung der falschen Politik die Initiative.“
Das Kommunistische Informationsbüro ist die Antwort Stalins auf die Truman-Doktrin und wird 1947 als „Dachverband“ der kommunistischen Parteien Europas gegründet. Es soll dem „verlängerten“ Einfluss Stalins auf die anderen kommunistischen Parteien dienen, die sich den Interessen der Sowjetunion unterzuordnen haben.

Zwischen Tito und Stalin gibt es keine ideologischen Differenzen. Das Problem für Stalin ist, dass die jugoslawischen Kommunisten zu selbstbewusst sind und sich nicht der Vormachtstellung der sowjetischen Kommunisten unterordnen wollen. Nach seiner Vorstellung rangieren alle Volksdemokratien gleichermaßen hinter der UdSSR. Tito dagegen beansprucht für sich die zweite Rolle hinter Stalin und vor allen anderen Volksdemokratien.
Zum anderen betreibt Tito auf dem Balkan eine Außenpolitik, die nicht nur an Stalin vorbei geht, sondern die auch die sowjetischen „Pfründe“ aus dem II. Weltkrieg gefährdet.

Quelle: Drug Tito, Tiskarna LjubljanaTito schwebt ein föderativer Bund der Staaten des Balkans unter der Hegemonie Jugoslawiens vor. Derartige Gespräche führt er mit Bulgarien und Albanien bzw. unterstützt die griechischen Kommunisten im dortigen Bürgerkrieg. Dies tangiert massiv die Interessen der Sowjetunion, denn die Streitigkeiten auf dem Balkan könnten die Sowjetunion in eine militärische Auseinandersetzung mit den Westmächten treiben. Deren Interesse liegt vor allem in Griechenland.

Tito und der bulgarische KP-Führer Georgi Dimitroff, Sofia 1947 (Quelle: Drug Tito, Tiskarna Ljubljana)

Während die eigene Partei Tito den Rücken stärkt, wird er in den anderen sozialistischen Ländern zur „Persona non grata“. „Titoismus“ ist der neue Kampfbegriff und liefert den Vorwand für innerparteiliche Säuberungen in den verschiedenen Volksdemokratien.
Gegenüber Jugoslawien wird eine Wirtschaftsblockade von Seiten des Ostblocks verhängt. Daraufhin bittet Tito den Westen um Hilfe und stellt seine „antiimperialistische“ Propaganda und sein Engagement in Griechenland ein. Für Stalin ist das wiederrum der Beweis für Jugoslawiens „Irrweg“.

Propaganda 1948
Jugoslawien verschwindet von der Landkarte der sozialistischen Länder. | Quelle: ABL

Die Sowjetunion droht sogar mit einem militärischen Einmarsch. Daraufhin signalisieren die Amerikaner, dass sie im Falle eines Angriffs auf Jugoslawien nicht neutral bleiben werden. Stalin selbst hat nunmehr eine konfrontative Situation geschaffen, die er eigentlich vermeiden wollte. Bis zum Tod Stalins 1953 kommt es zu einer Art „Stellungskrieg“.

Auch die jugoslawische Propaganda „schlägt“ zurück: Die Sowjetunion habe sich vom proletarischen Internationalismus zum großrussischen Imperialismus gewandelt. Es werden in der Folgezeit 55.000 Parteimitglieder ausgeschlossen. In den Jahren 1948/49 werden über 20.000 Anhänger oder vermeintliche Anhänger Stalins verhaftet.

 

Die Gefangeneninsel Goli Otok

Goli Otok, ein winziges Eiland in der Nähe der Touristeninsel Rab, ist ab Ende 1948 Schauplatz von elender Haft und Folter. Die Insel wird zu einem Hochsicherheitsgefängnis und Arbeitslager gleichermaßen ausgebaut. Über 10.000 Menschen werden auf die Insel verschleppt. Es sind keine Dissidenten sondern „Kominformisten“.

Quelle: ABL

Goli Otok zeigt den „Doppelcharakter“ der jugoslawischen Führung: Zwar will man sich vom Stalinismus humanitär abgrenzen, doch man bedient sich ähnlicher Methoden des Machterhalts.
Die Gefangenen müssen in Steinbrüchen zur Produktion von Kacheln und Fließen arbeiten, die auf der Insel selbst hergestellt werden.

Erst 1988 wird das Hochsicherheitsgefängnis geschlossen.

Quelle: Neues Deutschland
Quelle: Neues Deutschland

Aus dem Bruch mit Moskau ergibt sich eine intensive Auseinandersetzung mit ideologischen Fragen und dem Stalinismus. Aus der seit 1948/49 laufenden Diskussion entsteht ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Experiment, das eine radikale Demokratisierung zum Ziel hat. Es beginnt das jugoslawische Selbstverwaltungsmodell.

Quelle: Drug Tito, Tiskarna LjubljanaBereits 1950 werden 200 Betriebe der Arbeiterselbstverwaltung übergeben. Arbeiterräte sollen über ihre Betriebe entscheiden. Der Betriebsdirektor aber wird eingesetzt und hat ein Veto-Recht. Die Betriebe bleiben staatlich und haben keinen Einfluss über die Verwendung des Gewinns.

1952 wird ein neues Wirtschaftssystem mit marktwirtschaftlichen Elementen eingeführt: Je nach Wirtschaftszweig können die Betriebe über 3-17% ihres Gewinns selbst verfügen. Im Gegenzug müssen sie einen Teil des Risikos tragen. Der Staat stellt keine detailierten Wirtschaftspläne mehr auf, sondern gibt nur noch Rahmenrichtlinien vor.

Collage 1952
Propagierung der Arbeiterselbstverwaltung, 1952 | Quelle: Drug Tito, Tiskarna Ljubljana

Auf dem VI. Kongress der KPJ vom 2. bis 7.11.1952 werden die Grundsätze der Arbeiterselbstverwaltung bestätigt. Die Partei selbst solle von nun an eine neue Rolle einnehmen. Sie stellt die „richtungsweisende Avantgarde“ der Gesellschaft dar und will sich vom stalinistischen Prinzip der Kaderpartei verabschieden. Um dieses neue Bekenntnis nach außen zu demonstrieren, wird die Partei umbenannt: „Bund der Kommunisten Jugoslawiens“ (BdKJ)
Weiterhin wird eine Dezentralisierung des Staates beschlossen. Kompetenzen des Bundes gehen in die Republiken und Kommunen.

Infografik | Quelle: ABL

Der Ansatz einer Arbeiterselbstverwaltung, der auch 1968 in der ČSSR und 1986 in der Sowjetunion aufgegriffen wird, führt zu heftigen Auseinandersetzungen, denn die kommunistische Partei ist im Begriff sich selbst abzuschaffen. Eine Entwicklung dieses Modells scheitert an dem Machtanspruch der Partei, der nicht in Frage gestellt werden kann.

Jugoslawische Außenpolitik

Überschrift

Nach Stalins Tod 1953 kommt es zwischen Jugoslawien und der Sowjetunion zu einer ganz allmählichen Entspannung. Die Initiative ergreift zur Überraschung Titos der neue Kreml-Chef Chruschtschow (l.). Dieser will Jugoslawien aus der „Umarmung“ des Westens lösen und möglichst das Land wieder stärker an den Ostblock binden. Derartige Hoffnungen haben auch Teile der jugoslawischen Kommunisten. Sie wurden nur durch die Diffamierung Jugoslawiens zum Umdenken gezwungen und könnten jetzt zum „Stalinismus ohne Stalin“ zurückkehren.
Am 2. Juni 1955 verabschieden in Belgrad beide Seiten eine Erklärung, in der Chruschtschow den jugoslawischen Sonderweg akzeptieren muss.

Wir wollten niemals ein Satellit Russlands sein ...

Jugoslawien hat für beide Großmächte wegen der geostrategischen Lage eine besondere Bedeutung.

 

Nach dem Bruch mit der Sowjetunion 1948 ist Jugoslawien politisch und wirtschaftlich isoliert. Die Führung muss die Strategie ihrer Außenpolitik ändern. Bereits Ende 1949 lehnt sie öffentlich eine Blockbildung ab. Der Schwenk nach Westen ist für Jugoslawien mit keinerlei politischen Zugeständnissen verbunden. Der US-Administration nützt ein neutrales Jugoslawien mehr. Damit kann sie einen „Keil“ in das sozialistische Lager treiben.
Jugoslawien muss sich dank der westlichen Hilfe nicht dem Druck Moskaus beugen und kann ebenso westlichen Überlegungen einer NATO-Eingliederung widerstehen. Das Land verfolgt konsequent eine Politik der bündnisfreien Koexistenz, die beide Lager beginnen zu akzeptieren.

Time-Warner, New York: „Ein Balanceakt zwischen beiden Lagern“, Juni 1956
Die jugoslawisch-sowjetischen Aussöhnung währt nur kurz. Als Tito Ende 1957 die führende Rolle der Sowjetunion in der kommunistischen Weltbewegung erneut nicht anerkennt, ziehen neue Wolken auf. Erst die Jahre 1962 bis 1968 bringen eine zweite Annäherung, die dann mit dem Einmarsch des Warschauer Pakts in der ČSSR endet. (Quelle: archive.org)

kennedy 1955
Tito und US-Präsident J.F. Kennedy 1960 in Washington | Quelle: Drug Tito, Tiskarna Ljubljana

 

Milovan Djilas - Titos schärfster Kritiker

„Ich war der propagandistische Helfer eines Monarchen.“

Quelle: Drug Tito, Tiskarna LjubljanaDer Montenegriner Milovan Djilas (r. - 1911-1995) kritisiert, dass der durch Stalin erzwungene demokratische Umbau der Gesellschaft, nach dessen Tod in breiten Teilen der Partei behindert wird. Grund wäre die Bürokratisierung politischer Entscheidungswege. Der „Liebling der Partei“ fordert mehr Demokratie und das Ende der kommunistischen Partei als Träger diktatorischer Machtstrukturen. Für diese Kritik wird Djilas bereits 1954 allen Ämtern in Staat und Partei enthoben und er verlässt daraufhin freiwillig die Partei.
Nachdem er Tito „absolutistisches“ Machtgebaren vorwirft und die Halbherzigkeit im Prozess der Entstalinisierung anprangert wird er im Januar 1955 zu 1½ Jahre Haft auf Bewährung verurteilt. (Bildquelle: Tito: Život i Delo, Vuk Karadzič, Beograd)

 

Djilas gibt keine Ruhe. Seine Kritik an der jugoslawischen Politik, nachdem Tito den Einmarsch sowjetischer Truppen in Ungarn 1956 befürwortet, bringt ihm drei Jahre Gefängnis.
Was als Protest gegen den Bürokratismus begonnen hat, steigert sich nun zur Ablehnung der bestehenden sozialistischen Systeme.

Milovan Djilas

 

Titos sich in den Folgejahren verstärkende außenpolitische Reputation steht im Kontrast zu seinem innenpolitischen Herrschaftsanspruch.

Milovan Djilas
Quelle: Tito Život i Delo, Vuk Karadzič, Beograd

Überschrift

Vom 1. bis 6. September 1961 findet in Belgrad die erste Gipfelkonferenz der blockfreien (nicht-paktgebundenen) Staaten statt. Auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen soll ein moralisches Gegengewicht zu den beiden Machtblöcken geschaffen werden, um den Frieden in der Welt aufrecht zu erhalten. Die Teilnehmer wollen sich im Ost-West-Konflikt des Kalten Krieges neutral verhalten. Darüberhinaus wird gefordert, die Wirtschaftsprobleme in der Dritten Welt zu lösen.

Quelle: Drug Tito, Tiskarna Ljubljana

 

treffen 1961
Quelle: Drug Tito, Tiskarna Ljubljana

Tito (2.v.l.) bemüht sich seit Anfang der 1950er Jahre, die Blockfreiheit als politische Kraft international zu etablieren. Verbündete findet er im indischen Premier Nehru (2.v.r.), dem Präsidenten der damaligen Vereinigten Arabischen Republik (heute: Ägypten) Nasser (r.) und im indonesischen Präsidenten Sukarno.
Bereits 1956 trifft Tito sich mit Nasser und Nehru an der Adria, um die Grundzüge der Blockfreiheit als ein System kollektiver Sicherheit zu erarbeiten.

Time-Warner, New York: „Das Treffen gibt Beobachtern Rätsel auf.“, 5. Juli 1958
Nach dem neuerlichen Bruch mit Moskau Ende 1957 wird die Bewegung der Blockfreiheit zum Fundament der jugoslawischen Außenpolitik um Unabhängigkeit. Der Weltöffentlichkeit gibt Titos Allianz mit Nasser zunächst Rätsel auf. (Quelle: archive.org)

Eine steigende Anzahl von Mitgliedsstaaten nach der Gründungskonferenz 1961 erschwert jedoch eine Einigung auf ein gemeinsames Handeln und die internationale Wirkung der blockfreien Staaten bleibt gering.

Wachstum der Mitgliedsstaaten

Die Großmächte versuchen mit dem Anwachsen der Bewegung, über „Satellitenstaaten“, Einfluss zu nehmen. So gelingt es u.a., dem mittlerweile greisen Tito auf der Sitzung in Havanna 1979 zu verhindern, die Bewegung ins sozialistische Lager zu ziehen. Das Treffen sollte nämlich die Sowjetunion zum „natürlichen Verbündeten der Blockfreien“ deklarieren.

Ulbrichts „Türöffner“

Neues Deutschland

Quelle: BundesarchivSeit es in der ersten Phase der jugoslawisch-sowjetischen Annäherung (1955-57) zur diplomatischen Anerkennung der DDR im Jahr 1957 kam, hat Tito ein Problem mit der Bundesrepublik. Für die Bonner Regierung greift seitdem die „Hallstein-Doktrin“, die der außenpolitischen Isolation der DDR dient. In der zweiten Phase der Aussöhnung mit der UdSSR (1962-68) wird Tito in die DDR eingeladen. Von diesem Besuch verspricht sich Ulbricht, dass der mittlerweile weithin anerkannte Staatsmann und Führer der blockfreien Bewegung, ihm die „Tür“ auf das internationale Parkett öffnet. Tito seinerseits will die Bundesregierung unter Druck setzen, auf seine Bedürfnisse einzugehen (Entschädigungsansprüche, neue Kredite, Gastarbeiterregelung). (Bildquelle: Bundesarchiv)

Ulbrichts Anbiederung ist Ausdruck des stalinistischen Wesens der „Unberechenbarkeit“. Was gestern noch galt, muss heute nicht mehr gelten.

Änderung der DDR gegenüber Tito

Monatszeitschrift - Das Magazin

Die neu entdeckte „Freundschaft“ erschließt sich auch dem DDR-Bürger. So erscheint u.a. in der überaus beliebten Monatszeitschrift „Das Magazin“ ein vollkommen politikfreier Reisebericht über Dubrovnik, der sich mit mittelalterlicher Geschichte und Tradition befasst. Doch ein DDR-Bürger wird dies nie auf eigenen Reisen nachvollziehen können.

 

Jugoslawiens „Goldene Jahre“

Quelle: ČTKInnerhalb einer Generation entwickelt sich Jugoslawien von einem der ärmsten Agrarländer zu einem nahezu vollindustrialisierten Staat. Mit der Einführung der Selbstverwaltung kommt es bis Anfang der 1960er Jahre zu jährlichen Wachstumsraten von 10-17%. Nach den harten Jahren der Entbehrungen entsteht Anfang der 1960er Jahre eine gewisse „Wohlstands- und Konsumgesellschaft“. Tito drosselt die Schwerindustrie zugunsten der Verbrauchsgüterindustrie, damit die Kriegsgeneration noch von ihren Anstrengungen partizipieren kann. Die Reisefreiheit der Menschen ermöglicht darüber hinaus die Befriedigung individueller Bedürfnisse.

Quelle: ČTKDie rasche Industrialisierung führt zu einer sozialen Mobilität vom Land in die Stadt. Etwa die Hälfte (8 Mio.) aller Einwohner haben in dieser Zeit ihren Wohnsitz gewechselt. Es werden ungeheure Anstrengungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich unternommen (Alphabetisierung, Bildungschancen). Die Kulturlandschaft ist kreativ und sehr vielfältig. Während andere sozialistische Staaten z.B. die Rockszene bekämpfen, kann sie sich hier ungehindert entfalten. Alltag wird ein westlicher Lebensstil. Tradierte Geschlechterrollen verlieren in urbanen Gebieten ihre Bedeutung.

Infografik: Sozialistische Marktwirtschaft

Einen großen Aufschwung erfährt die kroatische Adriaküste durch den einsetzenden Massentourismus aus dem In- und Ausland.

Urlaub 1965
Dubrovnik, Istrien, Kotor, 1968 | Quelle: ČTK/ABL

 

Erste Risse in der Föderation

Mitte der 1960er Jahre stagniert das Wachstum. Im Jahr 1967 gibt es erstmals eine negative Wachstumsrate (- 0,3%). Es sind mehr Produkte auf dem Markt als Geld in den Taschen der Bevölkerung. Inflation und Verschuldung sind die Begleiterscheinungen. Die Unzufriedenheit wächst, denn mittlerweile ist eine Generation herangewachsen, die sich nicht mehr durch den Vergleich auf die Vergangenheit vertrösten lässt.

Es kommt zur massenhaften Abwanderung von jungen und qualifizierten Arbeitskräften nach Westeuropa, meist Westdeutschland.

Infografik: Arbeitsmigranten

Kuli 1965
Kampagne des westdeutschen Europa-Union e. V. zur stärkeren Integration der Gastarbeiter, 1967 | Quelle: Bundesarchiv

Ende 1964 beschließt der VIII. Parteitag des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens eine neue Wirtschaftsreform. Insbesondere werden über die Frage der zentralen Investitionspolitik und des Bundesfonds, in den alle Republiken einzahlen, gestritten. Innerhalb der Partei haben sich die Befürworter einer stärkeren Dezentralisierung durchgesetzt (Slowenien und Kroatien). Die Parteiapparate der Teilrepubliken vertreten immer mehr eigene Interessen und werden zu rivalisierenden Machtzentren innerhalb des Bundes. Dadurch wird unweigerlich die nationale Frage aufgeworfen.

Infografik: Bei Geld hört die Kameradschaft auf!

Ab Juli 1965 dürfen die Betriebe noch mehr über ihre Gewinne bestimmen. Damit werden Begehrlichkeiten geweckt, die einen „Verteilungskampf“ zwischen dem reichen Norden und dem armen Südosten hervorrufen.
Obwohl der Wohlstand gestiegen ist, so die Annahme, könnte man noch besser dastehen.

Das Wohlstandsgefälle verläuft von Nord nach Süd.

Karte Wohlstandsgefälle verläuft von Nord nach Süd

Das Gleichverteilungsprinzip funktioniert nicht mehr. Jede Republik orientiert sich an den unmittelbaren Nachbarn: Der Südosten am Norden und der Norden an den Nachbarstaaten Österreich und Italien.

In den Folgejahren etabliert sich ein Gefühl der „relativen Benachteiligung“ (Wolfgang Höpgen) im nationalen Bewusstsein des Nordens.

Waage

→ Die territoriale Autokratie richtet sich gegen alle integrativen Prozesse.
→ Die “sozialistische Marktwirtschaft” beruht auf den gleichen Mechanismen und der gleichen inneren Logik wie die Marktwirtschaft westlicher Prägung.

 

Quelle: Tito: Život i Delo, Vuk Karadzič, BeogradDie Absetzung des sehr einflussreichen Chefs der Staatssicherheit Aleksandar Ranković (l. mit Tito) im Juli 1966 macht auch den Weg frei für liberale Reformen innerhalb der kommunistischen Partei. Der Geheimdienst hatte bis dahin zunehmend die Kontrolle über die Partei übernommen. Es kommt zur Absetzung alter Kader, so dass innerhalb der Partei ein Generationswechsel vollzogen wird. Die kommunistische Partei wird mit dem Ziel der Demokratisierung und Föderalisierung reorganisiert.

Parallel zur Dezentralisierung der Wirtschaft entstehen politische Strukturen, die den Republiken und autonomen Gebieten mehr Selbstbestimmung einräumen. Einzig Titos Stellung bleibt unangetastet.

Neues Deutschland

Nationalistische Exzesse in Zagreb

Am 22. November 1971 treten über 30.000 kroatische Studenten in einen unbefristeten Streik. Sie wollen damit die Forderungen ihrer (kommunistischen) Parteiführung nach mehr Autonomie gegenüber der Zentrale „Belgrad“ unterstützen. Unmittelbarer Anlass ist der Streit um die Aufteilung der Devisen aus dem Massentourismus an der kroatischen Adriaküste.
Die Massenproteste sind der Gipfel des „kroatischen Frühlings“, wie die kroatische Reformbewegung der Jahre 1970/71 genannt wird.

Kroatischer Frühling

Der „kroatische Frühling“ beginnt mit dem schwelenden Sprachenstreit seit 1967, in dem kroatische Intellektuelle Kroatisch als Amtssprache in ihrer Republik fordern. Alle drei südslawischen Sprachen (Slowenisch, Makedonisch, Serbokroatisch) sind bis dato gleichberechtigte Sprachen des öffentlichen Lebens. Die praktische Handhabung ist angesichts der ethnischen Mischung jedoch schwierig – z.B. Welche Sprache spricht man in der Armee? Sprache wird jetzt als Mittel zum Zweck benutzt, um gegen den jugoslawischen „Einheitsstaat“ vorzugehen und sich national abzugrenzen.

Zu ähnlichen Emanzipationstendenzen kommt es innerhalb der kroatischen kommunistischen Partei. Die Vertreter eines hierarchisch strukturierten Staates „Jugoslawien“ werden vom liberalen KP-Flügel abgelöst. Jugoslawien als Solidargemeinschaft spielt für sie keine Rolle.

Die Prozesse des „kroatischen Frühlings“ ähneln den separatistischen Vorgängen der 1980er Jahre mit serbischem Vorzeichen.

 

1. Schaffung von Identifikationsmerkmalen durch Intellektuelle – Respektierung der kroatischen Kultur

2. Legitimation durch Politik – Respektierung der kroatischen Selbstbestimmung

3. Radikalisierung durch aktionsbetonte Protestformen– nationalistische Forderungen der Studenten

Comic

Losungen

Angesichts der nationalistischen Auswüchse des „kroatischen Frühling“ greift Tito hart durch. Am 12. Dezember 1971 müssen kroatische Spitzenfunktionäre zurücktreten und auf den Straßen Zagrebs kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Studenten.
Hauptakteure der Proteste werden verhaftet, Zeitschriften verboten, die Partei „gesäubert“, Studentenführer verurteilt.
Bis Ende der 1980er Jahre befindet sich Kroatien in einer Phase des „öffentlichen Schweigens“.

Neues Deutschland

Nationalistische Exzesse in Zagreb

Quelle: Neues DeutschlandAm 21. Februar 1974 verabschiedet die Erste Kammer des Bundesparlaments die umfangreichste Verfassung der Welt. Sie will sowohl den nationalen Bedürfnissen als auch der Stärkung der integrativen Kräfte Rechnung tragen. Nach dem „kroatischen Frühling“ will Tito die Rolle der kommunistischen Partei stärken und den Umbau von Staat und Gesellschaft in diesem Sinne legitimieren.

Von 1967 bis 1971 wurden 42 (!) Verfassungsänderungen verabschiedet. Diese haben immer wieder versucht, die innere Zerrissenheit der Föderation aufzufangen. Die neue Verfassung stellt alle Teilrepubliken und die beiden autonomen Gebiete innerhalb Serbiens (Vojvodina und Kosovo) gleich. Die sozialistischen Republiken werden sogar als Staaten betrachtet. Deren Grenzen können nur mit dem jeweiligen Einverständnis verändert werden. Für den Kosovo und die Vojvodina gilt für die Grenzfrage das Gleiche.

Verteilung der verschiedenen Nationalitäten auf die einzelnen Republiken und autonomen Gebieten - nach der Volkszählung von 1981 in % (z.n. Holm Sundhaussen, 2011)

Verteilung der verschiedenen Nationalitäten auf die einzelnen Republiken und autonomen Gebieten

Weiterhin wird den Republiken das Recht auf Sezession gegeben, d.h. einzelne Landesteile können sich vom jugoslawischen Staat lösen, um eigene souveräne Staaten zu gründen. Diese Option wird in den 1990er Jahren genutzt und führt nach dem Bürgerkrieg zur Auflösung des jugoslawischen Staates.

 

Der Anfang vom Ende?

 

Quelle: Drug Tito, Tiskarna LjubljanaUnangetastet bleibt die Stellung des Präsidenten Tito, dem vom „Vater der Verfassung“, Titos engstem Vertrauten Eduard Kardelj (r.), die Führung auf Lebenszeit zugeschrieben wird. Sein nie abgelegter militärischer Rang eines Marschalls und das Auftreten in seiner weißen Prunkuniform versinnbildlichen eine Stellung als oberster Befehlshaber.

 

Trotzdem macht man sich Gedanken über eine Nach-Tito-Zeit. Jugoslawien soll dann durch eine paritätische Länderkammer geführt werden.

Neues Deutschland

Mit der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki im Sommer 1975 versuchen erstmals die Staaten West- und Osteuropas unter Einbeziehung der USA und Kanada die Entspannung in Europa durch multilaterale Zusammenarbeit zu sichern.
Bis auf Albanien unterschreiben alle sozialistischen Länder Europas am 1. August die Schlussakte von Helsinki. Es werden Leitlinien zur Verbesserung der sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen und humanitären Beziehungen aufgestellt. (Quelle: Net.Film)

Helsinki 1975
Quelle: Drug Tito, Tiskarna Ljubljana

Im Rahmen des KSZE-Prozesses kommt es zur neuerlichen Annäherung mit der Sowjetunion nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968: Leonid Breschnew (l.) und Tito in Helsinki, 1975

Titos letzter Sieg

Neues Deutschland

Neues Deutschland

Neues Deutschland

Quelle: Tito: Život i Delo, Vuk Karadzič, BeogradAm 4. Mai 1980 tritt ein wovor viele Angst haben: Tito ist tot.
Er stirbt nach schwerer Krankheit im Alter von 87 Jahren im Krankenhaus von Ljubljana.
Seinem autoritärem Führungsstil und seinem Charisma ist es geschuldet, dass die heillos zerstrittenen jugoslawischen Kommunisten am Machtmonopol festhalten können.
Seinem Instinkt ist es geschuldet, dass die konkurrierenden Machtblöcke ein „blockfreies“ Jugoslawien akzeptiert haben und damit der Versuch eines „dritten Weges“ erst möglich wird.

„Tito ist Jugoslawien – Jugoslawien ist Tito“

Titos Tod löst ehrliche Trauer in der Bevölkerung aus, trotz seines ausufernden Personenkults in den 1970er Jahren. Die Überführung der Leiche von Ljubljana nach Belgrad in Titos persönlichem „Blauen Zug“ wird zu einem beeindruckenden Bekenntnis gegenüber der Person Tito.

 

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Titos letzter Sieg: Titos Staatsbegräbnis am 8. Mai wird zum „Who is Who“ der großen Politik und vereint mitten im Kalten Krieg Vertreter aus 127 Ländern. Darunter: 4 Könige, 5 Prinzen, 31 Staatspräsidenten, 22 Premierminister, 47 Außenminister

 

Ausdruck seiner weltweiten Anerkennung (und den Versuchen seiner politischen Vereinnahmung) ist u.a. die Verleihung von 98 Orden in 58 Staaten.

 

Personenkult

Um Tito entsteht auch in Jugoslawien ein Personenkult, wie es allen autoritären Regimen gemein ist. So huldigt ihm z.B. die Jugend alljährlich am 25.Mai, dem „Tag der Jugend“ und gleichzeitig seinem Geburtstag. Dazu finden „Stafettenläufe“ durch das ganze Land statt.
Zugleich umgibt sich der Mensch Josip Broz mit einem Luxus, der den allgemeinen Verhältnissen unangemessen ist: 25 Residenzen und Villen, der persönliche „Blaue Zug“, die Edeljacht „Galeb“ nennt er u.a. sein Eigen.

 

Quelle: Drug Tito, Tiskarna LjubljanaDie integrative Kraft Titos beruht auf der kritiklosen Anerkennung seiner Leistungen bei der Befreiung des Landes im Zweiten Weltkrieg. Er war, ist und bleibt der Marschall. Ihm zu Ehren werden neben Bildern und Statuen auch zahllose Hymnen verfasst.

Unser Anführer

Er ist aus Eisen, aber in diesem Eisen schlägt
ein warmes Herz. - Wenn er die Arme himmelwärts hebt,
reicht er bis an die Wolken aus dunklem Licht der Flammen;
Wenn er läuft, zerbirst unter seinen Hacken das Eis.


Und so führt er uns an. - Wir wissen nicht, ob er
ein Sohn der heutigen Zeit, eine Figur uralter Geschichten ist:
Wir schreiten voran mit ihm, immer fester und weiter.
Und die Hoffnung keimt immer stärker in uns.


(Vladimir Nazor)

(Quelle: Übersetzung aus Drug Tito, Tiskarna Ljubljana)

 

Eintrittskarte
Eintrittskarte ins Tito-Memorial; Quelle: ABL

Nach Titos Tod wird ihm in Belgrad ein Erinnerungskomplex gebaut, mit Mausoleum und Museen der Heldenverehrung (Kuča cveča – Haus der Blumen).

Legitimationskrise

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Nach dem Tod Titos macht sich eine gewisse Unsicherheit breit. Sie betrifft mögliche außenpolitische Konflikte. Man fürchtet, dass der Warschauer Pakt die Situation nutzen könne, um Jugoslawien zu destabilisieren.
Aus dieser Sorge heraus rückt Jugoslawien noch einmal kurzzeitig zusammen: „Nach Tito? - Tito!“ lautet die Perspektive.
Auf Tito folgen bis zum Ende Jugoslawiens 14 weitere Staatspräsidenten! Gemäß der Verfassung von 1974 setzt sich das Staatspräsidium als oberstes jugoslawisches Gremium nach Titos Tod aus je einem Vertreter der Republiken (6), den autonomen Gebieten (2) sowie dem Staatspräsidenten (1) zusammen. Im Rotationsprinzip wird jährlich ein neuer Präsident gewählt. Die acht Mitglieder des Präsidiums werden von den Länderparlamenten auf fünf Jahre bestimmt.
Die eigentliche politische Macht liegt aber bei der Partei und in den Republiken.

Quelle: ABLDie Anzeichen für eine sich überschlagende Inflation ist Anfang der 1980er Jahre unübersehbar. Der Import ist nur zu 53% vom Export gedeckt. Jugoslawien gerät in eine Schuldenkrise, die sich im Laufe der 1980er Jahre noch verstärkt. So wird 1987 der US-Dollar mit 1.244 Dinar gehandelt. Dazu kommt eine immense Inlandsverschuldung.
Es beginnt ein Kampf um die wirtschaftliche Existenz des Landes, der jedoch zu spät begonnen wird. Darüber hinaus verhindern die konkurrierenden politischen Eliten notwendige Veränderungen. Durch den Dauerkonflikt zwischen Dogmatikern und Reformern entsteht nie ein nötiger Grundkonsens.

Nach dem Tod Titos gerät Jugoslawien in den 1980er Jahren in eine Legitimationskrise, die der Staat nicht lösen kann. Alles, was die Menschen mit einem gewissen Stolz verbunden haben, bricht allmählich weg:
-> Der Wohlstand verschwindet.
-> Das Sozialismus-Modell der Selbstverwaltung erweist sich als unfähig, die wirtschaftliche Krise zu bewältigen.
-> Die Bedeutung der „Blockfreiheit“ und das außenpolitische Gewicht schwinden mit der Entspannungspolitik Mitte der 1980er Jahre.

In das entstehende Vakuum treten verstärkt nationalistische Elemente, zur Legitimation separatistischer Entwicklungen.

 

Kosovokonflikt

Durch die Krise des politischen und wirtschaftlichen Systems entladen sich die nationalen Konflikte. Das Dogma „Wir sind Kameraden“ tabuisiert die tradierten und jahrelang schwelenden Ressentiments.
Am 11. März 1981 brechen die ersten Unruhen an der Universität in Priština, der Hauptstadt des Kosovo, aus. Zunächst erheben die Studenten rein soziale Forderungen über den Zustand der Wohnheime und des Mensaessens. Schnell wird daraus ein politischer Protest als sich tausende Kosovo-Albaner anschließen. Die weitverbreitete Perspektivlosigkeit (23 % Arbeitslosigkeit) bildet dabei den Nährboden für nationalistische Strömungen.

Enver Hoxha | Quelle: Net.FilmDie Demonstranten fordern soziale Gerechtigkeit und den Republik-Status für den Kosovo. Perspektivisch will man die Vereinigung mit Albanien. Der greise albanische Diktator Enver Hoxha erfährt noch eine späte Ehre, denn er wird für viele zur Symbolfigur einer Kosovo-albanischen Freiheit.
Was die Kosovo-Albaner nicht wissen, dass Hoxha zugunsten seiner Unabhängigkeit auf den Kosovo verzichtet.
Nach tagelangen Unruhen werden die Demonstrationen durch Polizei und Militär niedergeschlagen.

Der im Mai 1982 veröffentlichte „Appell zur Verteidigung der serbischen Bevölkerung und seiner Heiligtümer im Kosovo“ von 21 serbisch-orthodoxen Priestern ist der Auftakt eines nationalistisch geführten Diskurses in Serbien, der das gewaltsame Vorgehen rechtfertigt und der Jugoslawien in der Folgezeit erschüttert.

Quelle: Net.FilmDie Geschichte wird dabei gnadenlos instrumentalisiert. So wird u.a. Kosovo Polje zu einem der wichtigsten serbischen Erinnerungsorte. Hier fand am 28. Juni 1389 (Vidovdan) die Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) statt. Eine der Legenden meint, hier habe Serbien das „europäische Christentum vor der osmanischen Eroberung geschützt“. Seit dem 19. Jahrhundert dient dieses Ereignis dem serbischen „Nationalmythos“.
In Kosovo Polje liegt jetzt das Zentrum der serbischen Protestbewegung gegen die Kosovo-Albaner.

 

Die nationalen Konflikte im Kosovo schaukeln sich im Laufe der 1980er Jahre immer weiter hoch und eskalieren. Serbien betrachtet dabei die Lösung des Konflikts als eine rein innere Angelegenheit und verwahrt sich gegen Einwände anderer Teilrepubliken als unerlaubte Einmischung von „außen“. (Quelle: Net.Film)

Der Kosovokonflikt eskaliert

Die Mobilisierungsmechanismen seitens der Serben sind:
- Kanalisierung der allgemeine Unzufriedenheit unter den Kosovo-Serben durch nationale Extremisten
- Duldung und schließlich Förderung durch die serbische Politik
- ideelle Legitimierung durch die Kirche, den Intellektuellen und in der Folge durch die Politiker

 

„Antibürokratische Revolution“ 1987-89

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Überschrift

„Sind wir schuld oder die Funktionäre?“: Die wirtschaftliche Situation scheint nicht mehr beherrschbar. Die Inflation überschlägt sich. Wie zwei Seiten einer Medaille ist die politische Krise damit verbunden. Die Unzufriedenheit der Menschen richtet sich gegen die eigene Führung. Forderungen nach Veränderungen werden immer lauter.
In dieser Situation fällt die Akzeptanz eines „starken Mannes“ leicht.
(Quelle: Net.Film)

Slobodan Miloševićs, Februar 1989 | Quelle: ČTKIn die Dynamik des nationalistischen Widerstreits und der weitverbreiteten Unzufriedenheit hinein betritt Slobodan Miloševićs die politische Bühne in Serbien. Ab 1984 KP-Chef von Belgrad und seit 1986 serbischer Parteichef wird er 1987 unfreiwillig zum Volkstribun und springt auf den nationalistischen Zug auf.

 

„Wie können Sie es zulassen, dass gegen dieses Volk der Schlagstock erhoben wird?“: Im April 1987 verhandelt Miloševićs in Priština mit Kosovo-albanischen Politikern. Zu diesem Anlass findet eine Demonstration von Kosovo-Serben statt, die den nationalen Gefühlen Ausdruck gibt.
Die Demonstration wird von albanischen Polizisten gewaltsam aufgelöst. (Quelle: Net.Film)

In dieser Situation stellt sich Miloševićs vor die aufgebrachte Menge und ruft:

„Niemand darf euch schlagen!“

Diesem wohl eher beschwichtigend gemeinten Satz wird in der Folge eine symbolische Überhöhung beigemessen und die Kosovo-Serben interpretieren darin ein nationales Fanal:

„Niemand darf UNS SERBEN schlagen!“

Die nationalistische Hysterie hat jetzt ihren „Führer“ gefunden.

In dieser aufgeheizten Atmosphäre verbindet Miloševićs die nationale Rhetorik mit stalinistischen Kampfbegriffen: Was im Kosovo geschieht ist „Konterrevolution“! Für Parteikreise bedient er damit die Sehnsucht nach dem revolutionären „Titoismus“ und der Einheit der Partei. Auf einer Sitzung der serbischen KP im September 1987 „putscht“ er sich als „neuer Tito“ mit seinen Gefolgsleuten an die Spitze der serbischen Politik. Damit beginnt die „antibürokratische Revolution“. In der Folge gelingt es Miloševićs die überregionalen serbischen Medien durch Personalveränderungen gleichzuschalten.

Durch Populismus zur Manipulation

gleichschaltung
„Politika“ und „Politika Express“ gehören zu den einflussreichen, überregionalen (serbischen) Tageszeitungen. Darin äußert sich nun der „Volkswille“ | Quelle: Net.Film, ABL

Miloševićs‘ Ziel ist die Stärkung Serbiens in der Machtbalance zwischen den jugoslawischen Republiken durch entsprechende Verfassungsänderungen. Die „antibürokratische Revolution“ soll daher nicht etwa bürokratische Strukturen abbauen. Vielmehr zielt die „Bürokratie“ als Kampfbegriff auf politische Kader in den Provinzen, die den Status Quo (Gleichberechtigung) in Serbien aufrechterhalten wollen. In dem Moment, wo diese daran festhalten, hätten sie, so Miloševićs, die Bindung zum (serbischen) Volk verloren.

Meeting in Priština | Quelle: net-filmZunächst sollen die Führungspositionen der beiden autonomen Provinzen innerhalb Serbiens durch den „Volkswillen“ mit Anhängern von Miloševićs besetzt werden. Der Souverän ist aber nicht mehr laut kommunistischer Ideologie die „Arbeiterklasse“ sondern die Ethnie „Volk“.

 

Meeting in Priština | Quelle: net-filmSeit Mitte 1988 beginnt in Serbien eine Welle von bestellten Demonstrationen, sogenannten „Meetings“, die Ausdruck des spontanen „Volkswillens“ sein sollen. Dahinter steht ein eigens errichtetes Organisationskomitee, dass bis zum Frühjahr 1989 ca. 100 „Meetings“ organisiert. Die Teilnehmer werden kostenfrei mit Bussen zu den Veranstaltungen gefahren und werden verpflegt. Die serbische Propaganda in den Massenmedien leistet ihr übriges, um die betreffenden Politiker zum Rücktritt zu zwingen. Damit wird der Platz frei für Miloševićs‘ Parteigänger.

Zuerst „fällt“ am 6. Oktober 1988 die autonome Provinz Vojvodina. Bevor man sich an das schwer zu erobernde Kosovo macht, soll die den Serben traditionell verbundene Regierung der Republik Montenegro „wegdemonstriert“ werden. Einzig Slowenien und die Bundespartei protestieren, denn jetzt rüttelt Serbien unmittelbar an den Grundfesten des Staates. Lange hat sich Montenegro gesträubt, doch am 11.1.1989 hat Miloševićs auch diese „Schlacht“ geschlagen.

Neues Deutschland 8./9.10.1988 Neues Deutschland 15./16.10.1988
Neues Deutschland 8./9.10.1988 Neues Deutschland 15./16.10.1988

„Sie haben das Volk verraten!“: Bleibt der Kosovo. Hier kann Miloševićs sein Ziel nur mit Gewalt, Verhaftungen und Einschüchterung durchsetzen. Über den Kosovo wird der Ausnahmezustand verhängt. Es gibt Tote.
Den Rückhalt und die Legitimation liefern Miloševićs die „Meetings“ in Serbien.

KoS.O.S.ovo (Quelle: Net.Film)

Die verunsicherten Parlamente der Vojvodina und des Kosovo stimmen am 23. März 1989 einer serbischen Verfassungsänderung zu. Damit geben die beiden Provinzen ihren Autonomie-Status auf.

 

„Slowenisches Frühling“

Quelle: ČTKEtwa zur gleichen Zeit wie Miloševićs in Belgrad wird Milan Kučan 1986 Parteichef der slowenischen KP. Auch er verhält sich zunächst sowohl dem Bund als auch den nationalen Vorstellungen und Forderungen innerhalb der slowenischen Gesellschaft gegenüber loyal. Doch mit dem Ausbruch des „Slowenischen Frühlings“ 1988 wird er zum Gegenspieler der serbischen Politik.

Ähnlich wie beim „kroatischen Frühling“ 1971 oder der „antibürokratischen Revolution“ setzten zunächst Intellektuelle die ersten Zeichen. Bereits 1987 wird ein „slowenisches Nationalprogramm“ verfasst, dessen Grundtenor ist: Wenn Slowenien innerhalb Jugoslawiens keine Entwicklungsmöglichkeiten (Marktwirtschaft, Demokratie, Zivilgesellschaft) hat, dann solle die Republik unabhängig werden. Diese Provokation und die darauf folgende heftige Debatte in Jugoslawien bilden das Vorspiel für die Massenproteste des Jahres 1988, dem sogenannten „slowenischen Frühling“.

 

Quelle: net-filmDen unmittelbaren Anlass bildet ein Artikel in der slowenischen Jugendzeitschrift „Mladina“, der, bevor er erscheinen kann, verboten wird. Das vom sozialistischen Jugendverband Sloweniens herausgegebene Wochenblatt war jahrelang parteitreu und schreibt jetzt frech und witzig für sozial Schwache, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung, gegen Personenkult, die Todesstrafe, Umweltverschmutzung und Atomkraftwerke. Unter dem Titel „Die Nacht der langen Messer“ soll am 10. Mai 1988 ein Artikel erscheinen, der investigativ die Planungen der jugoslawischen Volksarmee zur Niederschlagung der slowenischen Oppositionsbewegung beschreibt.

 

Vier der Zeitungsmacher werden wegen „Verrats von Militärgeheimnissen“ verhaftet und durch ein Militärgericht in nichtöffentlicher Verhandlung zu Haftstrafen verurteilt. Die slowenische Gerichtsbarkeit hat keinen Einfluss auf den Prozess und die Abhängigkeit vom ungeliebten Staat wird wiederrum deutlich. Es artikuliert sich eine breite Solidaritäts- und Protestwelle. Auf der Agenda stehen jetzt auch die Menschenrechte.
Kučan stellt sich immer offener auf die Seite des Protestes. Slowenien entfernt sich mehr und mehr von Rest-Jugoslawien und dem Miloševićs-Regime.

Verfassungsänderung in Serbien

Neues Deutschland

Neues Deutschland 8./9.10.1988 Neues Deutschland 15./16.10.1988
Belgrad, 28.3.1989; Quelle: Net.Film

„Um 14.30 Uhr wurde die Demonstration mit Hilfe von Tränengas zerschlagen.“: Am 28. März 1989 nimmt das serbische Parlament die Verfassungsänderungen der (nun nicht mehr) autonomen Provinzen an.
Begleitet wird die Sitzung von gewaltigen Massenprotesten im Kosovo mit vielen Toten und Verletzten.
Der 28. März wird serbischer Nationalfeiertag. (Quelle: Net.Film)

Es beginnt die staatsrechtliche Demontage der Föderation Jugoslawien, denn verfassungsrechtlich entsteht eine widersprüchliche Situation: Zwar gelten die Provinzen in Serbien nicht mehr als stimmberechtigt, aber innerhalb des Bundes sind die Vojvodina und der Kosovo konstitutioneller Bestandteil Jugoslawiens. Im Staatspräsidium entsteht ein serbischer „Block“. Das oberste Staatsorgan ist nahezu entscheidungsunfähig.

Infografik Staatspräsidium

 

Serbischer Opfermythos / 1389 - 1989

Quelle: archive.orgAm 28. Juni 1989 wird in Gezimestan, Kosovo, dem 600. Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) durch eine Massendemonstration gedacht. Der Missbrauch des überlieferten Kosovo-Mythos zur nationalen Mobilisierung der Massen findet seinen emotionalen Höhepunkt. Kristallisationspunkt ist die militärische Niederlage der serbischen Truppen und die Hinrichtung ihres Anführers, Fürst Lasar, durch das osmanische Reich. Damit beginnt der Untergang des mittelalterlichen serbischen Staates.

Die Schlacht und der Ort wirken identitätsstiftend, denn sie bilden die kollektive Erinnerung an den letzten Akt einer „souveränen serbischen Nation“. Es folgen jahrhundertelange türkische Fremdherrschaft und die beiden jugoslawischen Staaten.

Infografik Kosovo-Mythos

Slobodan Miloševićs: „Heute werden wir mit neuen Schlachten konfrontiert.“:
An dem Event nehmen über eine Millionen Menschen teil. Kränze werden niedergelegt. Die Kirche zelebriert einen Gottesdienst. Das Kulturprogramm reiht sich ein in die unüberschaubare Masse an künstlerischen Beiträgen, die 1989 zu diesem Anlass erscheinen.
Vom Himmel herab (mit dem Hubschrauber) kommt der neue „Messias“ Miloševićs. (Quelle: archive.org)

PDF Download: Miloševićs‘ Rede Bild: vusta/iStockphotoMiloševićs‘ Rede ist nicht die „Kampfansage“, zu der sie die westlichen Medien und Politiker später machen werden. Das kann Miloševićs anderen überlassen. Nach seinen gewonnenen „Schlachten“ (Verfassungsänderung, „antibürokratische Revolution“) schlägt er versöhnlichere Töne an.

 

Betrachtet man die historischen Fakten war das alte serbische Reich in den Jahrzehnten vor der Schlacht auf dem Amselfeld durch eigene rivalisierende Feudalfürsten schon lange vorher in der Krise. Es blieb einzig die Erinnerung an einen mittelalterlichen serbischen Staat. Diese Vergangenheit wurde in idealisierter Form durch Heldengesänge und Geschichten weitergetragen. Bestandteil der Verklärung ist die Opfermystik, wonach das eigene Leben in den Dienst der Nation gestellt wird.
Für die Gegenwart rechtfertigt diese mentale Einstellung auch einen Krieg, denn es wäre ein „gerechter Krieg“.

Der monumentale Historienfilm „Boj na Kosovu“ vom Untergang und der Auferstehung des serbischen Volkes im 14. Jahrhundert bediente sich aller künstlerischen, religiösen und historischen Klischees.

Bild aus dem Film: Der monumentale Historienfilm - Boj na Kosovu

Verfassungsänderung in Slowenien

Sechs Monate nach der Verfassungsänderung in Serbien „schützt“ sich das slowenische Parlament gegen die empfundene „Kosovisierung“ ihrer Teilrepublik ebenfalls durch die Änderung der Verfassung. Darin wird u.a. proklamiert, dass die Verhängung eines Ausnahmezustandes (wie im Kosovo) der Zustimmung der Republik Slowenien bedarf. Weiterhin wird das Recht auf nationale Selbstbestimmung festgeschrieben.
Nicht zuletzt unter dem Eindruck der Veränderungen in anderen sozialistischen Ländern verzichtet der slowenische Bund der Kommunisten auf sein politisches Monopol. Es kommt 1989/90 zur Gründung oppositioneller Parteien. Das macht den Weg frei für die Mehrparteienwahlen im April 1990.


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