Alle Artikel, Audios und Videos zu Rumänien.
Im Schatten des Kalten Krieges etabliert der rumänische Diktator Nikolae Ceauşescu ein System der Selbstherrlichkeit und Unterdrückung. Ceauşescus Politik blendet „Freund“ und „Feind“. Seine liberale Haltung zum „Prager Frühling“ 1968 verschafft ihm zunächst einen innen- und außenpolitischen Bonus. Der Westen unterstützt Rumänien in der Annahme, das sowjetische Imperium dadurch zu schwächen. Man negiert lange die unmenschlichen Verhältnisse in Rumänien.
Das Land liegt innerhalb der kleinen bereisbaren Welt der DDR. Offizielle Nachrichten werden damit überprüfbar. Es entwickelt sich eine Solidaritätsbewegung für das geschundene rumänische Volk. Die demonstrativ zur Schau getragene politische und moralische Phalanx zwischen Honecker und Ceauşescu erregt vielfältigen Protest und erweitert das oppositionelle Spektrum in der DDR.
Dem Kriegsende in Rumänien vorausgegangen war der Sturz des faschistischen Machthabers Ion Antonescu am 23. August. Der Militärdiktator hatte sich 1940 mit Rumänien an die Seite Nazi-Deutschlands gestellt und marschierte mit der Wehrmacht im Juni 1941 in die Sowjetunion ein. Unter seinem Befehl wurden 300.000 Juden und 20.000 Roma ermordet. Antonescu wird in einem Schauprozess zum Tode verurteilt und am 1. Juni 1946 erschossen.
Am 30. August marschiert die Rote Armee in Bukarest ein. König Michael I. setzt eine neue Regierung ein, die aus den vier Vertretern des „Nationaldemokratischen Blocks“ besteht: der Bauernpartei (PNT), den Nationalliberalen (PNL), den Sozialdemokraten und den Kommunisten (PCR).
Auf Druck der Sowjets beginnen erste personelle Veränderungen in der politischen Führung.
Demonstration zum Empfang der Roten Armee, links Nicolae Ceauşescu, 30.8.1944
Nachdem der König Michael I. abdanken musste (1947), der „Nationaldemokratische Block“ aufgelöst wurde und es zur Vereinigung von Sozialdemokraten und Kommunisten zur „Partidul Muncitoresc Român“ (PMR, Rumänische Arbeiterpartei) kam, ist das Parlament überwiegend kommunistisch dominiert.
Gheorghe Gheorghiu-Dej ist seit 1945 mit Billigung Moskaus Chef der kommunistischen Partei PCR und Wirtschaftsminister. Bis zu seinem Tod 1965 ist er der unbestrittene Führer der rumänischen Kommunisten.
Petru Groza ist seit März 1945 Regierungschef. Er ist von der Kleinbauernpartei „Front der Pflüger“. Als Sympathisant der Kommunisten wird er von der PCR getragen. Er behält dieses Amt bis 1952. Danach ist er Ehrenpräsident der Volksrepublik Rumänien.
Im April wird eine Verfassung verabschiedet und die „volksdemokratische Republik“ ausgerufen. Es kommt zur Verstaatlichung der Industrie, nachdem bereits 1945 eine Bodenreform unter Groza durchgeführt wurde, bei der Land über 50 Hektar sowie sämtlicher Besitz der deutschen Minderheit enteignet wurde.
In der Nacht vom 14. auf den 15. Mai werden in Bukarest, Cluj und Iaşi etwa 1.000 Studenten festgenommen, die als Anhänger eines antikommunistischen Widerstandes angesehen werden. Die meisten von ihnen verurteilt man zu mindestens fünfjährigen Haftstrafen.
An den inhaftierten Studenten wird später unter der Aufsicht des stellvertretenden Direktors der Securitate, Alexandru Nicolsky, das „Piteşti-Experiment“ durchgeführt. Mit dem Ziel, eine Umerziehung durch die Zerstörung der Persönlichkeit zu erreichen, werden die Studenten gezwungen, sich gegenseitig zu foltern. Der eigene Wille soll soweit gebrochen werden, dass willfährige Securitate-Mitarbeiter entstehen. Begonnen wird das Experiment am 6.12.1949 im Gefängnis von Piteşti. Es endete im November 1951, als Gerüchte darüber auch in den Westen dringen und sich die innenpolitische Kursrichtung der rumänischen kommunistischen Partei ändert.
Marcel Petrisor: „Dich selbst zu verleugnen, ist unerträglich.“
Am 30. August entsteht aus einer Vorgängerorganisation die rumänische Staatssicherheit „Securitate“.
Im Rahmen der größten Deportation in der Geschichte Rumäniens werden über 40.000 Menschen aus dem Westen des Landes in die Bărăgan-Ebene im Südosten Rumäniens verschleppt. Es handelt sich neben Rumänen meist um Angehörige ethnischer Minderheiten: Deutsche, Bulgaren, Ungarn, Serben, Arumänen (vom Balkan geflüchtete Menschen rumänischer Herkunft) und Juden.
Auf freiem Feld ausgesetzt, werden sie sich selbst überlassen. In der Folgezeit entstehen 18 Siedlungen aus primitivsten Baumaterialien (Erde, Schilf, Stroh).
Die Verbannung dauert bis 1956.
“Es war ein leeres Stoppelfeld.”
Quelle: Deutsches Staatstheater Temeswar, 1990
Am 23. Oktober beginnt der Volksaufstand im Nachbarland Ungarn. Drei Tage später überschreiten die in Rumänien stationierten sowjetischen Truppen als erste die ungarische Grenze, um dort die Präsenz der Sowjetunion zu stärken.
Die Ereignisse in Ungarn greifen auf Rumänien über, wo als ethnische Minderheit viele Ungarn leben (Banat). Es kommt am 30./31. Oktober zu Solidaritätsbekundungen mit dem Nachbarland. Parolen wie „Hände weg von Ungarn“ werden skandiert. In erster Linie sind es Studenten aus Cluj und Timişoara, die protestieren. Ihr Protest zielt auf die Zustände im eigenen Land. Neben sozialen Forderungen soll auch das sowjetische Militär das Land verlassen.
Auf Weisung Chruschtschows wird der ungarische Ministerpräsident und Hoffnungsträger Imre Nagy nach Bukarest gebracht und inhaftiert. Ceauşescu leitet die Aktion. Er ist zu diesem Zeitpunkt Sekretär des Zentralkomitees für Organisationsfragen.
Nach der Niederschlagung des ungarischen Aufstandes geht die rumänische Diktatur gegen die Widerständler im eigenen Land vor. 2.500 Studenten werden verhaftet, vier von ihnen zum Tode verurteilt und die übrigen mit langjährigen Haftstrafen oder lebenslanger Zwangsarbeit belegt.
Schon drei Tage nach dem Tod des bisherigen Staats- und Parteichefs Gherghe Gheorghiu-Dej wird Nicolae Ceauşescu am 22. März zu seinem Nachfolger gewählt.
Februar 1965 | Quelle: Fototeca online a comunismului românesc
Als reine Formsache bestätigt ein Parteitag im Juli Ceauşescus Wahl zum Parteichef. Mit ihm kommt der jüngste KP-Chef im ganzen Ostblock an die Macht. Nach und nach verjüngt sich die gesamte Nomenklatura und Ceauşescus wird von der Bevölkerung zunächst als ein Hoffnungsträger gesehen.
Parteitag 1965 | Quelle: Fototeca online a comunismului românesc
Die Hoffnungen bestätigen sich u.a. darin, dass 1965 Russisch als Pflichtfach in der Schule abgeschafft wird (allerdings Ende 1968 wieder eingeführt). Das kommt bei der Bevölkerung zunächst als Befreiungsschlag an. Die Liberalisierung in den Folgejahren äußert sich außerdem in der Wiederzulassung verbotener Schriftsteller. Das Dienstleistungsgewerbe wird zum Teil privatisiert. Es beginnen Jahre der ideologischen Lockerung und relativen künstlerischen Freiheit, die bis 1971 reichen.
Am 21. August 1965 wird eine neue Verfassung erlassen, die u.a. die bisherige Volksrepublik in Sozialistische Republik Rumäniens (SRR) umbenennt.
Ein soziales Experiment ohne Gleichen beginnt im Oktober 1966 mit dem Dekret 770. Ceauşescu legt ein umfangreiches Programm zur Vermehrung der Bevölkerung auf. Über ein omnipräsentes Netz der staatlichen Kinderbetreuung (Kindergärten, Schule, Sportvereine) soll der sozialistische Mensch „entstehen“, der kein Bewusstseins für das historische Rumänien entwickelt.
Kinder und Jugendliche „schicken“ an das Ehepaar Nicolae und Elena Ceauşescu die besten Neujahrsgrüße, 30.12.1977 | Quelle: Fototeca online a comunismului românesc
Es wächst eine Generation heran, die auf Befehl geboren wurde. Sie heißt „decretei“ (Kinder des Dekrets). Die Konsequenz ist ein Abtreibungsverbot für Frauen unter 42 Jahren mit weniger als 4 Kindern, Einführung von Mutterkreuzen und Steuererleichterungen ab 5 Kinder - im Gegenzug Strafsteuern für Kinderlose. Schwangerschaftsverhütung ist zwar nicht ungesetzlich, jedoch inoffiziell verboten.
Etwa 11.000 Frauen sterben durch unsachgemäß vorgenommene Abtreibungsversuche oder es werden Kinder mit Missbildungen und Behinderungen geboren. Diese Kinder kommen in vielen Fällen in das berüchtigte Kinderheim von Cighid, wo sie unter menschenunwürdigen Bedingungen „verwahrt“ werden und ihr Tod durch Vernachlässigung einkalkuliert ist.
Deckblatt der SUNDAY TIMES im Jahre 1966
Erst nach 1990 wird für die Weltöffentlichkeit das Ausmaß der menschlichen Katastrophe sichtbar.
In der Nacht vom 20. auf den 21. August marschieren Truppen des Warschauer Paktes unter der Führung der sowjetischen Armee in Prag ein. Rumänien, 1955 Gründungsmitglied des Militärbündnisses, verweigert die Gefolgschaft bei der Zerschlagung des „Prager Frühlings“.
Das militärische Eingreifen Moskaus in Prag verstärkt die Angst der rumänischen Bevölkerung, selbst Ziel eines derartigen Militärschlages zu werden. Entgegen aller Realität schürt Ceauşescu die Invasionsgefahr und versichert sich damit der Solidarität des Volkes.
Nicolae Ceauşescu: „Eine Gefahr für das Schicksal des Sozialismus in Rumänien“
Am 21. August kommt es zu einem einmaligen Moment in der rumänischen Nachkriegsgeschichte. Volk und Partei befinden sich in Übereinstimmung.
(Quelle: British Pathé)
Auszüge aus Ceauşescus Rede.
Unter dem Jubel der Bevölkerung verurteilt er die militärische Intervention.
Sowohl innenpolitisch als auch außenpolitisch gewinnt Ceauşescu einen Bonus. (Quelle: ABL)
Das Jahr 1971 bedeutet einen tiefen Einschnitt für die rumänische Gesellschaft. Im Schatten des innen- und außenpolitischen Bonus festigt Ceauşescu gnadenlos seine Macht und errichtet eine Familienherrschaft.
Elena Ceauşescu (Jg. 1916) Seit 1945 mit Nicolae Ceauşescu verheiratet, begleitet Elena Ceauşescu seit 1971 offizielle Ämter und Funktionen. Sie ist Vorsitzende der Kommission für Partei- und Staatskader des Zentralkomitees und kontrolliert damit sämtliche Beförderungen und Umbesetzungen. Die Familiendynastie geht so weit, dass Ceauşescus Mutter 1977 durch ein Staatsbegräbnis beigesetzt wird.
Das erbeutete Vermögen der Eheleute wird 1989 auf 400 Mio. Dollar auf einer Schweizer Bank geschätzt. |
Von seiner Asienreise im Juni 1971 kommt Ceauşescu mit seiner eigenen „kleinen Kulturrevolution“ zurück.
Die zuvor gelockerte Isolation dem Ausland gegenüber wird wieder verschärft. Die Bewegungsfreiheit von Ausländern in Rumänien wird stark eingeschränkt. Rumänische Staatsbürger müssen jeden Kontakt mit Ausländern der Polizei melden und es herrscht ein strenges Verbot für Privatpersonen, Devisen zu besitzen.
Am 29. April 1974 lässt Ceauşescu sich zum Staatspräsidenten ernennen, dessen Dekrete Gesetzeskraft haben. | Quelle: Fototeca online a comunismului românesc
Von weitreichender Bedeutung ist das bereits 1972 beschlossene „Systematisierungsprogramm“, das die Zerstörung kleinerer Dörfer und Ortschaften und die Umsiedlung ihrer Bewohner in „agro-industrielle“ Zentren vorsieht. Jetzt, 1974, wird dieser Plan per Gesetz bestätigt.
Betroffen sind nicht nur Dörfer. Auch in den Städten werden die alten Strukturen zerstört, um sie durch neue sozialistische Wohnviertel zu ersetzen. Von den 13.000 Dörfern Rumäniens sollen 5.000 bis 7.000 verschwinden. Die Zerstörung sozialer Strukturen und die Konzentration der Bevölkerung in Wohnzentren ermöglicht auch eine effektivere Kontrolle für die Securitate.
Das Systematisierungsprogramm rief erst Ende der 1980er Jahre vielfach Proteste im In- und Ausland hervor. | Quelle: Fototeca online a comunismului românesc
Am 1. August unterzeichnet Rumänien die Schlussakte von Helsinki und verpflichtet sich u.a., die Menschenrechte einzuhalten. Ungeachtet der sich verschärfenden Situation in Rumänien wird Ceauşescu von der westlichen Welt hofiert:
1971 wird während eines Staatsbesuches von Bundespräsident Gustav Heinemann in Rumänien Ceauşescu die höchste Auszeichnung der Bundesrepublik für ausländische Regierungschefs, die „Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“, verliehen.
Am 8. Dezember 1972 tritt Rumänien dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank bei.
Im August 1975 besucht der amerikanische Präsident Gerald Ford Ceauşescu. Die USA nimmt Rumänien in den Kreis derjenigen Länder auf, die mit Sonderkonditionen ihre Waren in die USA exportieren können.
Im krassen Gegensatz dazu steht die innenpolitische Autokratie. Im Herbst 1975 wird eine Gruppe junger Literaten, die „Arbeitsgruppe Banat“, von der Staatssicherheit Securitate zerschlagen.
Ähnlich wie in anderen Ostblockstaaten fanden sich im Zuge der „68er-Bewegung“ junge Menschen zusammen, die ihre Wirklichkeit mit anderen Augen sehen als das politische Establishment. 1972 gründete sich in Temeswar die „Aktionsgruppe Banat“.
Sommer 1974, v.l.: William Totok, Werner Kremm, Richard Wagner, Johann Lippelt, Rolf Bossert und Anton Sterbling.
Das Credo der Gruppe heißt „Engagement“ - so der gemeinsam erarbeitete Lyrik-Text, der am Anfang jeden Auftritts gelesen wird. Das Gedicht wird von der Zensur gestrichen.
Neun junge rumänisch-deutsche Schriftsteller suchen nach kulturellen und politischen Orientierungsmöglichkeiten abseits vorhandener Gegebenheiten. Für sie sind das der heimatliche Traditionalismus der Banater Schwaben und die rumänische Parteiideologie. Die Aktionsgruppe Banat versteht sich als Marxisten - die Securitate sieht in ihnen „deutsche Faschisten“ und verfolgt sie dementsprechend.
Die Rumänische Zensur verweigert 1971 die Veröffentlichung des Romans „Ostinato“ von Paul Goma (Jg. 1935). Daraufhin erscheint das Buch in Westdeutschland und Paul Goma wird eines der Hauptobjekte des Geheimdienstes. Spätestens mit seiner Solidaritätserklärung für die „Charta 77“ in der ČSSR wird er zum Dissidenten.
Goma appellierte außerdem in einem offenen Brief an die Teilnehmer-Staaten der KSZE-Nachfolgekonferenz von Oktober 1977 bis März 1978 in Belgrad und forderte die Einhaltung der Menschenrechte in Rumänien ein. Den Brief unterschreiben 200 Personen. Die meisten von ihnen wollen dadurch ihren „Rauswurf“ aus Rumänien provozieren.
Paul Goma: „Nur zwei Personen fürchten die Sicherheitspolizei nicht: Ihre werte Person und ich.“
Im Februar 1977 fordert Goma Ceauşescu in einem Brief auf, sich mit dem Anliegen der „Charta 77“ zu identifizieren. Der Präsident habe mit seiner Haltung von 1968 große Hoffnungen geweckt und solle dies nun bestätigen.
Gomas Pamphlete werden auch über Radio Free Europa verbreitet. Doch eine große Resonanz in der Bevölkerung gibt es nicht, denn Rumänien hat zeitgleich mit einer Naturkatastrophe zu kämpfen.
Diese spielt den Machthabern dahingehend in die Hände, dass sie Goma ohne viel Aufmerksamkeit erst verhaften und dann im Herbst 1977 nach Paris abschieben können.
Am 4. März 1977 erschüttert Bukarest das schwerste Erdbeben in der Geschichte Rumäniens. Am Ende sind es über 1.500 Menschen, die ihr Leben verlieren. Mehr als 150.000 Wohnungen werden zerstört, etwa 350.000 müssen saniert werden. Der Wiederaufbau dauert Jahre.
Der Landesvater „kümmert“ sich. | Quelle: Fototeca online a comunismului românesc
Im Schiltal im Südwesten des Landes (valea Jiului) kommt es im August zu einem Aufruhr der Bergarbeiter. 35.000 versammeln sich in Lupeni, um gegen ein Gesetz zu protestieren, dass ihre Altersversorgung einschränkt. Sie nehmen die als Verhandlungspartner geschickten Parteifunktionäre als Geiseln.
Ceauşescu kommt am 3. August nach Lupeni und geht auf viele ihrer Forderungen ein. Mitte August kommt er erneut ins Schiltal und macht neue Versprechungen. Im September besetzt die Armee das Schiltal und die Securitate setzt zahllose Spitzel ein. Vermeintliche Streikführer werden verhaftet. Nach und nach werden 4.000 Familien, etwa 16.000 Personen, aus den Kohlegebieten in entlegene Gegenden deportiert. Die Angst der Menschen „beruhigt“ die Lage im Schiltal.
Im November muss Ceauşescu erneut ins Schiltal und er zelebriert mit seiner Frau Volksnähe. Er lässt sich zum „Ehrenbergmann“ ernennen. Grund der Inszenierung: Die Unzufriedenheit der Menschen hat auf Textilfabriken in Brasov und sogar ein Schwermaschinenwerk in Bukarest übergegriffen.
Die soziale und wirtschaftliche Situation der Menschen wird immer katastrophaler, die Arbeitsbedingungen immer schlechter. Proportional dazu steigt die allgegenwärtige Kontrolle durch Partei und Securitate.
Im Januar 1979 gründen 15 Arbeiter des Donau-Hafens in Drobeta Turnu Severin und der Arzt Ionel Cana eine „Freie Gewerkschaft der Arbeiter Rumäniens“ – SLOMR (Sindicatul Liber al Oamenilor Muncii din România).
Visite der Familie Ceauşescu im Donauhafen von Drobeta Turnu Severin, 1976 | Quelle: Fototeca online a comunismului românesc
Gefordert wird ein offener Dialog mit den staatlichen Stellen. Schon bald zählt die Bewegung ca. 2.400 Arbeiter. Unterstützt werden sie u.a. von Paul Goma aus dem französischen Exil.
Die offizielle Gründungserklärung wird am 4. März 1979 über Radio Free Europa veröffentlicht. Verhaftungen, systematische Schikane, Einweisungen in psychiatrische Anstalten folgen.
Im April protestieren SLOMR-Mitglieder in einem offenen Brief an Ceauşescu. Doch bereits im Juni 1979 wird die Gewerkschaft durch die gleichzeitige Verhaftung hunderter Mitglieder zerschlagen.
Im Gegensatz dazu zeichnet die Propaganda permanent das Bild der „Industrienation Rumänien“.
„Undenkbar!“
Bei der offiziellen Begrüßung nimmt Ceauşescu seine Mütze ab, während der körperlich größere Giscard d'Estaing seinen Hut auf hat. Zur Redaktionssitzung der wichtigsten Parteizeitung „Scînteia“ entscheidet der zuständige Redakteur, dass dieses Bild untragbar ist. Der „geniale Führer“ wirke neben dem Franzosen wie ein Bettler. Politisch interpretiert, ziehe der rumänische Sozialismus vor dem Kapitalismus den Hut.
„Schnellstmöglich!“
Der Besuch soll aber auf den Titelseiten positiv dargestellt werden. Der unter Zeitdruck stehende Partei-Redakteur fordert im vorauseilenden Gehorsam, das Problem zu beheben und die Ehre des „conducător“(Führer), wie sich Ceauşescu mittlerweile betiteln lässt, wiederherzustellen.
„Peinlich!“
Die Fotolaboranten montieren Ceauşescu kurzerhand eine Mütze auf den Kopf. Das Gleichgewicht scheint wieder hergestellt. Die Zeitungen werden gedruckt. Doch nach der Auslieferung wird zufällig festgestellt, dass Ceauşescu die echte Mütze noch immer in der Hand hält. Bei der Montage wurde vergessen, sie weg zu retuschieren.
Um die Blamage doch noch abzuwenden, wird die Polizei beauftragt, die bereits ausgelieferten Zeitungen zu beschlagnahmen. Was mit dem Redakteur geschah, ist nicht überliefert.
Am 21. Februar 1981 wird im Auftrag des rumänischen Geheimdienstes Securitate ein Sprengstoffanschlag auf den Radiosender „Radio Free Europe“ (RFE) in München verübt. Ziel ist die rumänische Redaktion. Getroffen wird allerdings durch ein Versehen die tschechische. Es gibt mehrere Schwerverletzte.
Quelle: Hoover Institutions Archive
Quelle: Hoover Institutions Archive
In den Auseinandersetzungen der beiden Machtblöcke spielte der Sender eine wichtige Rolle in der Informationspolitik. „Das Kind des Kalten Krieges“ wurde von den USA finanziert und von Exilanten gemacht. Seit 1951 produzierte man auf Kurzwelle muttersprachliche Programme. Sie versorgten die Heimat mit Informationen jenseits der jeweiligen Parteipropaganda. Daneben spielten für die Hörer die neuesten musikalischen Trends eine wichtige Rolle. Waren diese doch oft, im einheimischen Radio nicht zu hören. Was für die Menschen in der DDR Rundfunk und Fernsehen der Bundesrepublik als wichtige Informationsquelle gewesen ist, war in den anderen ehemaligen Ostblockstaaten Radio Free Europe. „Ich hörte es, weil ich es musste.“ Ausschnitt einer Dokumentation über die Rolle von Radio Free Europe im Rumänien der 1980er Jahre. Quelle: archive.org |
Bild: Collage unter Verwendung von elfinima/Niklz/vusta/iStockphoto
Zu den hauptamtlichen Agenten kommt eine große Masse von Zuträgern. Eine genaue Zahl ist nicht bekannt. Schätzungen gehen davon aus, dass das Verhältnis zur Gesamtbevölkerung 1:50 ist. Die Securitate untersteht der direkten Kontrolle durch die Familie Ceauşescu.
Visite auf einem Gemüsemarkt, 1970 | Quelle: Fototeca online a comunismului românesc
Am 9. Oktober verfügt die rumänische Regierung, dass Hamsterkäufe mit 5 Jahren Gefängnis bestraft werden. Am Tag darauf besucht Ceauşescu in Bukarest einen Markt und erklärt demonstrativ, es seien genügend landwirtschaftliche und industrielle Güter vorhanden, um eine „vernünftige Versorgung“, sicherzustellen.
Trotz der innenpolitischen Zustände wird Ceauşescu von westlichen Politikern unterstützt. Durch seinen scheinbar kritischen Kurs gegenüber der Sowjetunion bleibt er für den Westen interessant.
Rumänien ist das einzige sozialistische Land, das die Olympischen Spiele in Los Angeles 1984 nicht boykottiert– trotz mehrerer Intervention des sowjetischen Botschafters in Bukarest. Zum „Dank“ bekommt Rumänien finanzielle Unterstützung und erhält die Übertragungsrechte für die Olympiade geschenkt.
Rumänien gewinnt nach den USA die meisten Medaillen.
Erst Mitte der 1980er Jahre ist Ceauşescus „Stern“ nach jahrelangem Hofieren am Sinken. Das letzte westliche Land, das ihn einlädt, ist im Oktober 1984 die Bundesrepublik. Es finden ausführliche Gespräche mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Bundeskanzler Helmut Kohl und Außenminister Hans-Dietrich Genscher (l.) statt.
Quelle: Bundesarchiv
Für einen Eklat sorgt die Grünen-Politikerin Petra Kelly. Während des Banketts „zu Ehren des rumänischen Präsidenten“ übergibt sie dem Diktator eine Broschüre von amnesty international über Menschenrechtsverletzungen in Rumänien.
Ceauşescus Gigantomanie erreicht den Höhepunkt. Seine absurden Bauwerke, um sich zu verewigen, entstehen auf dem Rücken der Bevölkerung. Trotz der katastrophalen wirtschaftlichen Situation beginnt am 25. Juni 1984 der Bau des „Casa Poporului“ (Volkspalast). Die Idee dazu entstand nach dem großen Erdbeben von 1977. Damals war nur der Bukarester Stadtbezirk Uranus unbeschädigt geblieben. Diesen wählte man nun wegen seiner geologischen Sicherheit zum Standort des Hauptquartiers für Partei und Staat.
Für den gigantischen Bau wird ein Sechstel der historischen Altstadt abgerissen. Fast 10.000 Wohnungen, ein Dutzend Kirchen, drei Synagogen und andere Gebäude fallen den Bulldozern zum Opfer. Die Bewohner werden in Neubausiedlungen am Stadtrand umquartiert. Die Umsiedlung zerreißt alte soziale Strukturen. Gleichzeitig entstehen Aufmarschplätze sowohl für die üblichen Paraden, aber auch für das Militär im Falle von Unruhen, wie sich zeigen wird.
Mit einer nutzbaren Fläche von 365.000 m2, aufgeteilt auf 5.100 Räume, ist der Palast das zweitgrößte Verwaltungsgebäude der Welt nach dem Pentagon in Washington. Innerhalb von 5 Jahren arbeiten über 20.000 Bauleute im Dreischichtsystem. Der Bau hat geschätzte 3,3 Milliarden Euro gekostet, was in etwa 40% des Bruttosozialproduktes Rumäniens entspreche.
Ein ebenso umstrittenes Bauvorhaben bildet der Donau-Schwarzmeer-Kanal. Er wird am 27. Mai 1984 in wiederum göttlicher Personenverehrung eröffnet, denn damit erfüllt sich ein rumänischer Jahrhunderttraum. Er verkürzt den Schiffahrtsweg zum Schwarzen Meer zwar um ca. 240 km, doch seine tatsächliche Wirtschaftlichkeit wird angezweifelt.
Im 19. Jahrhundert bereits geplant beginnt das Vorhaben 1949. Zwischen 1953 und 1973 ruht der Bau wegen fehlendem Geld.
Propagandafilm der DDR zum Baubeginn: „Partei und Regierung liegt das Wohlergehen aller am Kanalbau Schaffenden ganz besonders am Herzen.“
Zum Bau wurden ca. 40.000 Gefangene eingesetzt, die in acht verschiedenen Lagern untergebracht waren und Zwangsarbeit leisten mussten. Beteiligte reflektieren den Kanal als einen „programmierten Friedhof“. (Quelle: archive.org)
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