Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.
Die Bundesrepublik ist eine Projektionsfläche für die Menschen in der DDR. Auch wer „bleibt“ ist mental meist „gegangen“. Millionenfach werden die empfangbaren West-Medien genutzt, um das eigene Informationsdefizit zu kompensieren und der immer gleichen Propaganda zu entgehen. Die Fluchtwelle 1989 wird sehr verschieden eingeschätzt. Mancher sieht darin ein mehr oder weniger gesteuertes Ventil zum Machterhalt der SED.

Wolf Biermann plädiert zwar dafür, in der DDR zu bleiben und sich zu wehren, denn sonst würde es nur Ja-Sager geben und es ändere sich nichts, kann aber zehn Jahre nach seiner Ausbürgerung jeden verstehen, der das Menschenrecht der Ausreise in Anspruch nimmt, weil er an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit gekommen ist.

Nach ihrer Ausreise aus Eilenburg (Bezirk Leipzig) reflektiert das Ehepaar ihr Leben in der DDR. Die DDR bekommt die Ausreiseproblematik nicht in den Griff. Würde die Forderung von US-Präsident Reagan vom 12.6.1987 vorm Brandenburger Tor („Mr. Gorbatschow, open this gate! Mr. Gorbatschow, tear down this wall!“) zur Realität, dann wären alle weg.

Die Berliner Psychologin reist 1988 aus. Als Motive dafür nennt sie u.a. ihre Tätigkeit in einer Beratungsstelle für Alkohol- und Medikamentenkranke, denn bei der Ursachenforschung für manches Suchtverhalten (Alkohol) spielen auch gesellschaftliche Gründe eine Rolle. Diese müssen jedoch auch in der Therapie tabuisiert werden.

Der Sohn von Günter Guillaume verzweifelte an der Starrheit des DDR-Systems. Zwar bemühte er sich nach seinem Parteieintritt in die SED 1985, Gorbatschows Reformen auch für die SED zu diskutieren, doch innerhalb der Partei war dies nicht erwünscht. Nach 13 Jahren in der DDR ging er mit seiner Familie desillusioniert zurück in die Bundesrepublik.

Die Ausreisewelle über Ungarn im Sommer 1989 schätzt der Schriftsteller nicht als systemgefährdend ein. Er zitiert aus seinem Anfang 1989 im Westen erschienen Buch „Ostberlin, die andere Seite einer Stadt in Texten und Bildern“ (zusammen mit Harald Hauswald). Durch das Thema „Ungarn“ seien die Menschen beschäftigt und es lenkt von einer notwendigen Reformdebatte in der DDR ab.

Angesichts der Fluchtwelle über Ungarn sieht der Theologe im Wesentlichen zwei Gründe für das „Gehen“. Zu einen sind es ökonomische Gründe und materielle Begehrlichkeiten. Zum anderen gibt es in der DDR Gesellschaft einen tiefen Frust. Die SED schreibe den Menschen vor, was sie zu denken haben. Im Alltag mache ein kleingeistiger bürokratischer Apparat den Menschen das Leben einfach schwer.


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