Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Jordan kündigt die Gründung einer Grünen Partei in der DDR an. Mit dem Mauerfall haben sich nun die politischen Rahmenbedingungen wesentlich verbessert. Doch der ökologische Umbau steht vor gewaltigen Herausforderungen, da man sich mit Altlasten der Autarkieprogramme im Nationalsozialismus und dem Stalinismus beschäftigen muss.

 

Biografisches:

Carlo Jordan (Jg. 1951)

  • 1965 Zimmererlehre
  • 1969 bis 1972 Bauingenieurstudium in Berlin
  • ab 1970 Mitglied in oppositionellen Zirkeln
  • 1978 Fernstudium Philosophie und Geschichte in Berlin – Relegierung 1982
  • ab 1982 Mitarbeit in verschiedenen Ökologie-Kreisen
  • 1986 Mitbegründer der Berliner Umweltbibliothek
  • 1988 Mitbegründer des Grün-Ökologischen Netzwerks Arche
  • 1989 Mitbegründer der Grünen Partei

 

  • RHG_Fo_SiSch_01_014-12

 

Carlo Jordan in der Umweltbibliothek (dahinter Lutz Rathenow), Berlin, 24.5.1987, Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Siegbert Schefke

 

Gesprächsprotokoll:

Länge: 20:15 min

Peter Wensierski stellt Carlo Jordan zunächst vor, bevor Jordan die zwei Formen der Ökologiearbeit in der DDR mit der „Arche“ und der staatlichen „Gesellschaft für Natur und Umwelt“ skizziert. Zum Zeitpunkt des Interviews steht die Gründung einer grünen Partei unmittelbar bevor. Jordan beschreibt den Prozess bis hierher, der seit September läuft. Seit Oktober hat sich die politische Ausgangslage wesentlich verbessert. Zwei wichtige Forderungen der Ökologiebewegung sind mit der Reisefreiheit und der Freigabe der Umweltdaten bereits erfüllt. Doch der ökologische Umbau steht vor gewaltigen Herausforderungen, da man sich mit Altlasten der Autarkieprogramme im Nationalsozialismus und dem Stalinismus beschäftigen muss. Als besonders krasse Beispiele nennt er Espenhain und Buna. Darauf aufbauend produzierte die DDR eine monostrukturelle Infrastruktur, so dass es große Flächen von Katastrophengebieten gibt. Beispiele: Leipzig-Bitterfeld-Halle-Espenhain, Cottbuser Raum.

Zu diesen hausgemachten Problemen kommt der Import von Giftmüll für Devisen. Nach der Öffnung der Mauer besteht die Gefahr, dass sich daran nicht viel ändert, denn der Staat braucht nun auch Devisen, um seine Bürger mit Reisezahlungsmitteln ausstatten zu können. Mit der Grenzöffnung entsteht auch ein neues Konsumverhalten in der Bevölkerung. Als Grüne Partei will man darauf Einfluss nehmen.

Im momentanen politischen Diskurs, so schätzt Jordan ein, werden ihre Forderungen aufgegriffen. Der ökologische Umbau kostet Geld. Jordan sieht eine Möglichkeit, dies zu schaffen, in „Eco Joint Ventures“. Staat und unternehmerische Eigentumsformen bilden Umweltpartnerschaften. Mit der Entwicklung eines Wirtschaftsprogramms steht die Grüne Partei noch ganz am Anfang. Kurzfristig könnten aber Regionen mit einem gemeinsamen Interesse, wie die durch die Elbe verbunden Städte Hamburg und Dresden, durch die Vergabe von Krediten und Umwelttechnologien mit einem Umbau beginnen. Sehr viel schwieriger ist es mit den Katastrophengebieten (Halle-Leipzig-Bitterfeld). Hier müssen vor der Stilllegung zunächst Einkommensalternativen für die Menschen geschaffen werden.

Sofortmaßnahmen in den Katastrophengebieten wären die Gewässerreinhaltung durch den Weiterbau von Kläranlagen, Luftreinhaltung durch neue Energiekonzepte, Sofortprogramm zur Rettung der sächsischen Altstädte.

Abschließend geht es um die momentanen politischen Rahmenbedingungen. Im Gegensatz zu den Blockparteien gibt es keine Räumlichkeiten, keine Zeitung, keine Angestellten, was die politische Arbeit erschwert.

 


Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Diese Cookies sind essenziell für den Betrieb der Seite. Dabei handelt es sich um sogenannte Session-Cookies und ein Cookie, das Ihre Cookie-Einstellungen speichert. Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.