Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Evelyn L. hat als Chemikerin in einem staatlichen Betrieb, aufgehört zu arbeiten. Sie berichtet von ihrer Zwangssituation, sich mit 17 Jahren entscheiden zu müssen, was sie studieren will.

 

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Bild 1: Pfingsttreffen der FDJ, Berlin, 1984, Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Mahmoud Dabdoub
Bild 2: Spalier von Jugendlichen der FDJ zum 30. Jahrestag der Gründung der Kampfgruppen der DDR, Schwerin, September 1983, Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Mahmoud Dabdoub
Bild 3: Maidemonstration, Leipzig, 1. Mai 1986, Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Mahmoud Dabdoub
Bild 4: Maidemonstration, Leipzig, 1. Mai 1986, Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Mahmoud Dabdoub

 

Gesprächsprotokoll:

Länge: 47:03 min

Evelyn L. hat als Chemikerin in einem staatlichen Betrieb, aufgehört zu arbeiten. Sie berichtet von ihrer Zwangssituation, sich mit 17 Jahren entscheiden zu müssen, was sie studieren will. Sie hatte aber noch nicht die Stärke, sich dem vorgegebenen Weg zu entziehen und zunächst einen Beruf zu erlernen, um ihre Interessen zu erfahren. Ihre Berufsentscheidung wurde hauptsächlich durch das Elternhaus geprägt. Evelyn L. machte 1973 Abitur. Zu dieser Zeit sei der Lenkungsdruck noch nicht so stark gewesen wie heute, wo es auch um militärische Berufe geht. Die heutige Berufsberatung geht nur vom gesellschaftlichen Interesse aus und hat nicht die Förderung des Einzelnen im Blick. Für Evelyn stellt sich die Situation so dar, dass die Jugendlichen in Berlin selbstbestimmter agieren als im Rest der DDR, weil sie über mehr Informationen verfügen. Abiturienten würden selbstbestimmter ihre Zukunft angehen, wobei sie einräumt, dass dies nur ein kleiner Teil ist. Die Mehrzahl geht den „normalen“ Weg: nach dem Abitur Studium und Beruf. Mancher lässt sich vielleicht „umlenken“ aus Angst, kein anderes Studium zu bekommen, obwohl die Interessen woanders liegen. Auch wenn der Weg einmal eingeschlagen wurde, ist es schwerer, da wieder rauszukommen. Der Anpassungsdruck ist groß, da jeder weiß, was es bedeutet, sich in der FDJ offen zu äußern. Irgendwann hat man diese Anpassung verinnerlicht.

Es gibt wenige, die den Gruppenzwang nicht mitmachen. Da die FDJ oder die GST Zwang ausüben, gelingt es diesen Organisationen auch nicht, die Leute wieder zu gewinnen. Evelyn spricht von der FDJ-Arbeit in ihrer Schulzeit und reflektiert, dass die Diskussionen in Geschichte und Staatsbürgerkunde noch offener waren. Das einzige, was die FDJ im Freizeitbereich heute organisiert sind Discos. Der Andrang in den Discos ist für sie nur ein Beleg für fehlende Alternativen. In der Jungen Gemeinde hat sie die Erfahrung gemacht, dass sich andere Sinne und Erlebnisse entwickeln können. Daher verfolgt sie auch die westdeutsche Frauenbewegung.

Über das Verhältnis der Geschlechter führt das Gespräch wieder auf ihre Schulzeit und zu Beziehungsfragen unter Jugendlichen. Das Thema Emanzipation spielte damals keine Rolle. „Wir haben uns emanzipiert gefühlt, ohne es zu sein.“ Am Schulsystem bemängelt sie, dass es nicht zum selbstständigen Denken anregt. Ihren Ausgleich findet sie in der Kultur. So hat sich ihre Klasse 14tägig privat getroffen und klassische Musik gehört. Danach wurde über vieles diskutiert. Diesen Freiraum nimmt heute die Junge Gemeinde ein, was für sie Anfang der 1970er Jahre keine Alternative war, da sie es noch für möglich hielten, sich in die Gesellschaft einzubringen.


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