Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Die beiden Oppositionellen Uwe Kulisch und Wolfgang Templin äußern sich zu den Polizeieinsätzen vor dem Brandenburger Tor Pfingsten 1987. Anlass war die 750-Jahr-Feier Berlins mit einem open-air vor dem Reichstagsgebäude. Eine Chance für DDR-Jugendliche, ihre Idole wie David Bowie, Eurythmics und Genesis zu hören. Die SED erzeugte nun mit ihrem brutalen Vorgehen eine unfreiwillige Politisierung der Jugendlichen.

 

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Schaulustige beim Festumzug zur 750-Jahr-Feier Berlins, Ost-Berlin, 4.7.1987, Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Mahmoud Dabdoub

 

Biografisches:

Uwe Kulisch (Jg. 1957)

  • 1973 Ausbildung zum Industriemechaniker im VEB Ultraschalltechnik Halle
  • 1975 Totalverweigerung des Wehrdienstes
  • bis 1989 Mitglied in mehreren Untergrundgruppen
  • 1976 – 1980 Studium der Jugendsozialarbeit an christlichen Bildungseinrichtungen
  • 1980er Jahre: Wohnungsbesetzungen, Gegenkonzept zur staatlichen Kindererziehung, Versuch der Gründung einer unabhängigen Gewerkschaft, Kirche von unten

 

Wolfgang Templin (Jg. 1948)

  • 1966 Ausbildung zum Bibliotheksfacharbeiter
  • 1970 Studium der Philosophie in Berlin
  • seit 1976 Kontakte zur polnischen Opposition
  • 1983 Austritt aus der SED
  • 1986 Mitbegründer der Initiative Frieden und Menschenrechte
  • 1988 Abschiebung in den Westen

 

Gesprächsprotokoll:

Länge: 3:54 min

Templin (Telefon-Interview) verweist angesichts der Ereignisse darauf, wie die gesellschaftlichen Konflikte in der DDR auf der Oberfläche schwimmen. Zwar könne man in den Rufen "Wir wollen Gorbatschow", "Weg mit der Mauer", "Freiheit und Demokratie" keine politischen Konzepte interpretieren, doch drücken sie den Wusch nach Demokratisierung aus. Es äußerte sich Bürgerunmut und Bürgerprotest.

Kulisch betont, welche Wirkung der Polizeieinsatz auf die Jugendlichen hatte. Es wurden Illusionen zerstört und die Masse politisierte sich. Durch die Brutalität entsteht eine Generation, die in drei vier Jahren noch zu anderen Dingen fähig ist. Das System produziert seine Feinde selbst, da es ursprünglich um Spaß, open air und Idole ging.

Kulisch unterscheidet aber zu den Ereignissen am Pfingstmontag (8.6.1987). Die skandierende Masse ("Wir wollen Gorbatschow", "Wir wollen Rosa Luxemburg") zeige, dass die Opposition in der DDR auch eine Basis hat. Er kritisiert, dass die westlichen Medien in erster Linie die Sprechchöre „Die Mauer muss weg“ thematisierten.

Es folgt ein Ausschnitt aus Stephan Krawczyks Pfingst-Lied.

Kulisch meint, dass nun im Nachgang noch viel darüber gesprochen werden wird. In Schulen, Kneipen, Kleingruppen hinterlässt das Ereignis Selbstbewusstsein.


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