Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Die Psychologin erklärt ausführlich, u.a. warum sich Inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit auch fünf Jahre nach dem Ende der DDR nicht outen können. Erst wenn ihnen der Beweis vorgelegt wird, äußern sie sich zu ihrer Vergangenheit. Eine Rolle spielen Scham, Schuld und Angst.

 

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Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit – heimliche Aufnahmen aus einem Dachboden gegenüber der Stasi-Untersuchungshaftanstalt in Leipzig (Beethovenstraße), Juli 1989, Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Rainer Kühn, Michael Arnold

 

Biografisches:

Ursula Plog (1940-2002)

  • 1959 bis 1965 Psychologiestudium in Marburg, Mount Holyoke (USA), Hamburg
  • 1966 bis 1979 Diplom-Psychologin in Hamburg
  • seit 1979 Lebens- und Arbeitsschwerpunkt in Berlin
  • 1991 bis 1995 Vorsitz der Kommission zur Untersuchung des Missbrauchs der Psychiatrie durch die Staatssicherheit

 

Gesprächsprotokoll:

Länge: 45:57

Als Aufhänger über die Beurteilung der Spitzeltätigkeit für die Stasi dient der aktuelle Fall von Monika Maron, die kurz vor dem Gespräch enttarnt wurde. Scham- und Schuldgefühle verhindern einen offensiven Umgang mit der Spitzeltätigkeit. Zum Selbstverständnis der Staatssicherheit gehört, dass sie sich als Avantgarde verstand. Als Mitarbeiter konnte man sich demnach auch dazugehörig fühlen. Die Stasi hat aber immer mit Drohungen gearbeitet.

Es stellt sich die Frage, wieso nach fünf, sechs Jahren noch immer nicht darüber gesprochen werden kann. Unverständlich bleibt für die Interviewer der psychische Mechanismus von Verdrängung und Leugnung. Die Aussagen vieler IMs „keinem geschadet“ zu haben, dient der persönlichen Beschwichtigung und der Verharmlosung des eigenen Handelns. Dabei werden nur Teilaspekte des Ganzen widergegeben. Ursula Plog verdeutlicht es anhand zweier Beispiele: Ein überlebender KZ-Häftling erzählt seinen Kindern nur die Schelmenstreiche im Lager. Ein weiteres Beispiel handelt von ihrer Tochter, wo im Moment der „Tat“ das Faktische nicht anerkannt werden kann. Doch gerade bei IMs werde doch bewusst gelogen, obwohl ihnen auch Brücken in die Wahrheit gebaut werden. Es bleibt immer wieder die Frage, warum zB. Schriftsteller (Monika Maron, Christa Wolf, Heiner Müller, Sascha Andersen) ohne Schuldgefühle ihre Rolle im Stasi-System herunterspielen. Für Ursula Plog macht es einen Unterschied, wann man für die Stasi tätig war. Eine Zäsur bilden für sie die Jahre nach 1973. Vorher vermittelte die Stasi noch das Bild, man sei Bestandteil eines sozialistischen Aufbaus und damit auf der richtigen Seite.

Auf Nachfrage beschreibt Ursula Plog wie die Rekrutierung von IMs vonstattenging. Ausschlaggebend sei die Persönlichkeit. Zur Mitarbeit erpresst wurden die Wenigsten. Immer wieder kommt man auf Monika Maron zu sprechen. Im Verhältnis von IM und Führungsoffizier erkennt man die Verkettung mit einem Beichtvater. Dieses Leben und das reale Leben haben nichts miteinander zu tun. Diese voneinander getrennten Leben meint Ursula Plog mit Abspaltung. Die entstehenden Abhängigkeiten werden mit der Dynamik in Sekten verglichen. Dazu kommt etwas nahezu Mystisches durch die Konspiration. Zu zweit teilt man ein Geheimnis. Der IM fühlt sich als was Besonderes. Das erhöht aber nur die Abhängigkeit.

Diese Abhängigkeit ist verinnerlicht worden und wirkt bis in die Gegenwart (z.B. Jürgen Kapiske, Lutz Bertram). Noch heute verbindet IM und Führungsoffizier ein gemeinsames Geheimnis. Diese konspirative Verbundenheit erschwert den Aufarbeitungsprozess, indem die Betroffenen nichts erzählen. Von dieser Abhängigkeit können sich die IMs emanzipieren. Ursula Plog stellt jedoch die Frage, welchen Raum Betroffene haben, dies in der Gesellschaft (Öffentlichkeit) tun zu können. Gegenüber dem Führungsoffizier erfahren sie einen „Freispruch“. Von der Gesellschaft ist dies nicht zu erwarten. Sich öffnen bedeutet, ein Risiko einzugehen.

 


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