Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Der Pressesprecher des DDR-Kirchenbundes sprach ständig mit offiziellen Stellen. Sein Gegenüber legitimierte sich dabei nie als Mitarbeiter der Staatssicherheit. Günther habe keine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Erst nach der Auflösung des MfS sei ihm bewusstgeworden, mit wem er da sprach.

 

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Bild 1 und 2: Evangelischer Kirchentag, Leipzig, Juli 1989, Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Martin Jehnichen
Bild 3 und 4: Manfred Stolpe (l.), führendes Mitglied der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, Leipzig, Juli 1989, Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Martin Jehnichen

 

Biografisches:

Rolf-Dieter Günther (1933-2011)

  • Theologe
  • Landesjugendpfarrer in Potsdam
  • seit 1969 Pressesprecher des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR
  • seit 1968 als IM der Staatssicherheit geführt

 

Gesprächsprotokoll:

Länge: 38:39 min

Das Gespräch führten Peter Wensierski und Roland Jahn.

Rolf-Dieter Günther äußert sich zunächst zur Beurteilung der Inoffiziellen Mitarbeiter in der Gesellschaft. Der Mitarbeit werden nun nicht mehr nur Menschen beschuldigt, die eine Verpflichtung unterschrieben und Berichte geliefert haben, sondern auch Menschen die im Gespräch mit der Stasi waren, so wie er. Er habe keine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Er zeigt sich überrascht, wie viel Menschen der Kirche dabei waren (Schnur, de Maiziere, Kapiske). Als Mann der Kirche suchte Günther das Gespräch, auch das Vier-Augen-Gespräch. Es war für ihn eine deeskalierende Form der Auseinandersetzung. Er berichtet von seinem ersten Kontakt 1968 oder 1969. Er solle sich um einen homosexuellen Kreisjugendpfarrer kümmern, damit man ihm nicht den Prozess machen müsse. Das war im Sinne von Günther, die Konfrontation zu vermeiden. Gleichzeitig wollte er den Kontakt nutzen, um für seine Arbeit größere Freiheiten zu erreichen. Konkret ging es um die Veranstaltungsordnung. Dabei mussten bei den Anmeldungen auch die Inhalte der Veranstaltungen abgesegnet werden. Über seine Kontakte informierte er auch Propst Ringhardt, Stolpe und Bischof Schönherr. Da sich sein „Gesprächsdraht“ nie als Staatssicherheit legitimierte, sei ihm erst nach der Wende bewusstgeworden, mit wem er da sprach. Man benutzte immer die Formel „Ich habe mal wieder mit den Genossen gesprochen.“ (so auch von Stolpe verwendet).

Die Fragesteller insistieren immer wieder, inwieweit ihm und Stolpe bewusst war, mit der Stasi zu sprechen. Günther entgegnet immer wieder, man habe mit Genossen und dem Staat gesprochen. Im Austausch mit Stolpe ging es dann immer um inhaltliche Dinge. Die Interviewer hinterfragen diese Äußerungen und konfrontieren Günther immer wieder mit der Sicht einer bewussten Zusammenarbeit mit der Stasi. Für Günther hatte die Stasi damals nicht diese herausgehobene Stellung, wie sie diese nach 1990 eingeräumt bekam. Das Gespräch kreist lange darum.

Günther erzählt, wie es dazu kam, dass er einer der acht Männer war, die Stolpe am 3. Mai 1992 auf einer Pressekonferenz präsentierte, um seine Vorgehensweise zu rechtfertigen. Er hatte dabei die Hoffnung, dass die Aufarbeitung der Geschichte sich nicht nur an den IM’s reibt. Die Vergangenheitsbewältigung würde politisch geführt.

Von seinen vielen Auslandsreisen berichtete er über das Bild, welches die DDR im Ausland hatte. Problematisch war dabei immer die Volksbildung. Günther trat für die internationale Anerkennung der DDR ein, denn dann musste sich der Staat DDR auch gegenüber internationalen Standards rechtfertigen. Instruiert wurde er bei den Gesprächen nicht, weil er eine eigene Haltung hatte. In dem Zusammenhang berichtet er von seinen biografischen Auseinandersetzungen mit seinem Bruder, der in der SED war. Mitte der 1960er Jahre sah Günther die DDR als „Provisorium“. Diese Meinung änderte sich im Laufe der Zeit, so dass er im Ausland die Position einer eigenständigen DDR-Kirche vertreten hatte. Er spricht über die Notwendigkeit der organisatorischen Trennung der beiden deutschen evangelischen Kirchen durch die Mauer.

 


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