Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.
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Papst Johannes Paul II :: bei seinem Besuch in Polen 1987 mit der ersten Ausgabe der Tygodnik Solidarność - Quelle: BStU

Zwischen 1976 und 1980 agiert die Opposition in Polen völlig offen. Es gelingt ihr u.a. über eigene Verlage und Publikationen, eine unabhängige Öffentlichkeit herzustellen.
Ab 3. April 1981 erscheint wöchentlich "Tygodnik Solidarność" in einer Auflage von 500.000 Zeitungen. Selbst nach Verhängung des Kriegsrechts erscheinen in den 1980er Jahren neben Flugblättern, Postkarten und Briefmarken über 5.000 Bücher und 3.000 Zeitschriften im Untergrund.

Dieser Prozess beginnt in der DDR ab Mitte der 1980er Jahre und viel bescheidener. Im Herbst 1989 gibt es ca. 650 oppositionelle Gruppen, die sich personell z.T. überschneiden.

Allen geht es um die Schaffung einer Gegenöffentlichkeit durch

 

Samisdat:

Quelle: ABL
Samisdat | Quelle: ABL

Bestanden Untergrundpublikationen bisher aus Durchschlägen von Schreibmaschinenseiten, so entstehen in den 1980er Jahren Periodika. Nahezu ohne Bildanteil werden die Zeitungen im Ormig– oder Wachsmatrizenverfahren hergestellt.

„Ich seh die Wälder meiner Sehnsucht“


Film der Umweltbibliothek Berlin zum "Kirchentag von Unten", Berlin 1987 (Quelle: Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft)


Bis 1989 erscheinen ca. 190 Zeitschriften mit Auflagen von 100 bis 4.000 Exemplaren. Beiträge über Polen dienen dabei immer wieder als mobilisierendes Vorbild.

Peter Grimm: „Wir nehmen uns jetzt Freiheiten.“


Einer der „Macher“ der ersten von der Kirche unabhängigen Zeitung „grenzfall“ berichtet von den Schwierigkeiten der Herstellung und Verteilung von Untergrundpublikationen.

Lebenslauf Peter Grimm

Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft, Bundeszentrale für politische Bildung

 


Comic der Opposition, 1987, Quelle: Dirk Moldt

 

Informationsräume:


Quelle: ABL / Martin Jehnichen

Einen Spielraum bietet die evangelische Kirche in der DDR, da sie als bedeutende Institution der offiziellen Ideologie nicht verpflichtet ist. Die Amtskirche gerät jedoch in einen Konflikt – einerseits die Loyalität gegenüber dem Staat andererseits der Druck der Basisgruppen nach mehr Freiräumen. Wichtige Informationsbörsen sind die an Kirchgemeinden angebundenen "Umweltbibliotheken" (UB) im ganzen Land.

Quelle: ABL

Die "Umweltbibliotheken" stehen in der Tradition der osteuropäischen "Fliegenden Universitäten", den alternativen Bildungseinrichtungen in Selbstorganisation. Die bedeutendste ist die 1986 in der Zionskirchgemeinde Prenzlauer Berg gegründete UB Berlin. Sie ist d i e Informationsbörse in der DDR. Viele Gruppen haben dort ihre "Postfächer". Kuriere verteilen das Material in ihren Heimatregionen bzw. bringen Infos mit. In der Nacht 24./25. November 1987 kommt es zu einer Razzia und die Stasi verhaftet mehrere Mitarbeiter. Damit verschafft sie jedoch der UB eine große Öffentlichkeit. Im ganzen Land kommt es zu Solidaritätsbekundungen und die Berliner UB wird bis zum Ende der DDR von der Staatsmacht geduldet.

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"Wir haben alle Spießer satt!"

In den 1980er Jahren wächst eine Generation heran, die eigene Lebensentwürfe entwickelt. Subkultur und verbotene Kultur bringen die Kirchen an den Rand eigener Moralvorstellungen.

Berlin 1987 (Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft)

 

Friedensgebete:

Eine andere Form der "Informationsbörse" bilden die Friedensgebete. Die Leipziger sind dabei die bedeutendsten, denn aus diesen entwickeln sich 1989 die so genannten "Montagsdemonstrationen". Seit 1982 finden hier Friedensgebete statt, doch erst ab 1987 erfahren sie unter der Leitung von Christoph Wonneberger eine breitere Öffentlichkeit. Die Liturgie bietet Freiraum für gesellschaftliche Themen. Damit werden die Friedensgebete auch für Nichtchristen interessant und die Basisgruppen tauschen verstärkt Informationen, Termine, Kontakte aus.


Demonstration der Initiativgruppe Leben während des Friedensgebetes am 24. Oktober 1988 | Quelle: ABL / Christoph Motzer

Schnell wird aber auch deutlich, dass die Statements der Opposition der Kirchenleitung zu politisch sind und es kommt zur Ausgrenzung.

 

Private Lesungen:

Ebenfalls in der Tradition der "Fliegenden Universitäten" in Polen stehen die privat organisierten Diskussionsabende. In Privatwohnungen findet eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen jenseits offizieller Darstellungen statt. Es entstehen mitunter regelmäßige Kreise und man diskutiert philosophische Aspekte des Realsozialismus, liest verbotene Literatur, beleuchtet die "weißen Flecken" der Geschichte.

Reinhard Bohse: "Gegenseitig Erfahrungen vermitteln und etwas mehr begreifen."


Über viele Jahre trifft man sich regelmäßig bei Familie Bohse.

Lebenslauf Reinhard Bohse

 

Ausstellungen:

 


Quelle: ABL / Christoph Motzer

Ausstellungen werden in den 1980er Jahren zu einem probaten Mittel, eine größere Öffentlichkeit zu erreichen. Dabei wird über Themen aufgeklärt und sensibilisiert, die in der DDR unterdrückt oder tabuisiert werden. Im Gegensatz zu Ausstellungen der unabhängigen Kunstszene, die in privaten Räumen oder besetzten Häusern organisiert werden, können gesellschaftspolitische Themen nur in den geschützten Räumen der Kirche präsentiert werden. Die grafischen Gestaltungsmöglichkeiten bleiben dabei oft begrenzt.

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Radio:


Quelle: ABL / Frank Sellentin

Trotz großer Anstrengungen der osteuropäischen Machthaber durch Störsender ist der Informationsfluss via Radio und Fernsehen nicht zu unterbinden. In Polen spielt "Radio Free Europe" eine wichtige Rolle. In München auf Kurzwelle produziert und von Exil-Polen gemacht, soll das polnische Programm in Krisenzeiten eine Einschaltquote von 80% gehabt haben.
Für die DDR spielte "Radio Free Europe" keine Rolle, empfängt man doch die Sendungen der Bundesrepublik frei Haus, denn es gibt keine Sprachbarriere.


Quelle: Bundesarchiv

Menschen, die die DDR verlassen, fühlen sich nicht als Exilanten. Nur wenige unterstützen von Westdeutschland aus die Opposition in der DDR. Mit der Entstehung des ersten Westberliner Privatsenders „Radio 100“ bietet sich 1987 die Möglichkeit, der DDR-Opposition ein Sprachrohr zu eröffnen. Jeden letzten Montag im Monat von 21 bis 22 Uhr sendet "Radio Glasnost – außer Kontrolle".


Mit einem Kinderstempelkasten erstellte Postwurfsendung in Berlin | Quelle: Robert Havemann Gesellschaft


In insgesamt 27 Sendungen werden geschmuggelte Informationen aus erster Hand zurück über die Mauer geschickt.
In dem Bericht über das Treffen der European Youth Forest Action vom 10. bis 16.7.1988 in Krakau werden die Unterschiede zwischen den osteuropäischen Umweltgruppen deutlich.


Quelle: Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen (BStU)

Der Empfang erstreckt sich auf Berlin und die angrenzenden Bezirke. Mit Störsendern versucht die Staatssicherheit den Empfang zu verhindern. Doch Mitschnitte der Sendungen werden über die ganze DDR verteilt.
Ungewollt verhilft das "Neue Deutschland" mit einem abwertenden Kommentar dem Sender zur Bekanntheit in der DDR und erreicht damit das Gegenteil.

Quelle: ABL. Bild: subjug/iStockphoto

Quelle: ABL

Lebensläufe:

Reinhard Bohse

  • geb. 1948 in Leuben bei Lommatzsch (Sachsen)
  • 1963 bis 1967 Abitur mit Berufsausbildung (Gärtner)
  • Jazzmusiker (Amateurstatus)
  • 1969 bis 1973 Geologiestudium an der Bergakademie Freiberg
  • 1973 Bergbau in Regis-Breitingen
  • 1974 Bezirksstelle für Geologie Leipzig beim Rat des Bezirkes Leipzig
  • 1982 Lektor beim Touristverlag in Leipzig, postgraduales Studium des Verlagswesen an der Karl-Marx-Universität Leipzig
  • 1989 Mitbegründer des Forum-Verlages, Leipzig
  • 1990 Pressesprecher der Stadt Leipzig
  • Heute: Pressesprecher der Leipziger Verkehrsbetriebe GmbH

Peter Grimm

  • 1965 in Berlin geboren
  • 1983 Relegation von der Oberschule (kurz vor dem Abitur)
  • Hilfsarbeiter
  • Am 26. April 1986 erscheint die erste Nummer des „grenzfall“ der „Initiative für Frieden und Menschenrechte“ (IFM).
  • 1990 Redakteur der Zeitung „die andere“
  • 1990/91 Pressesprecher der sächsischen Landtagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen
  • danach Fernsehproduktionen, freier Autor
  • 2005 Redakteur bei „Horch und Guck“

 


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