Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

 

Verdrängte Schuld

Logo Aktion SühnezeichenAls unerträglich empfindet der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Sachsen Lothar Kreyssig wie schnell die Deutschen nach 1945 wieder zur Tagesordnung übergehen.

Am 30. April 1958 setzt er ein Zeichen der Schuldanerkennung. In seinem Aufruf zur „Aktion Sühnezeichen“ (ASZ) - heißt es: "[Wir bitten] die Völker, die Gewalt von uns erlitten haben, daß sie uns erlauben, mit unseren Händen und mit unseren Mitteln in ihrem Lande etwas Gutes zu tun …". In Polen, Rußland und Israel solle damit begonnen werden.

 Aufruf Kreyssig.pdf


Entsprechend dem "antifaschistischen" Selbstverständnis der SED müsse man in der DDR keine Schuld sühnen und die Organisation wird verleumdet. Im Gegensatz zu Westdeutschland konnte die Aktion Sühnezeichen in der DDR daher nur unter dem Dach der Kirche agieren.


Ehemaliges Konzentrationslager Auschwitz (Quelle Bundesarchiv)

 

Helfen in Polen

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Wandzeitung der ersten Fahrt - Aktion Sühnezeichen 1965 - Quelle: Robert Havemann Gesellschaft

Vornehmlich Jugendliche helfen in Sommerlagern beim Gedenkstättenbau und in sozialen Einrichtungen. Im Jahr 1965 findet die erste Fahrt nach Polen statt:

„Im Abstand von wenigen Minuten, so als hätten sie [die Jugendlichen] nichts miteinander zu tun, überquerten sie am 19. Juli in Görlitz einzeln die Grenze und schlossen sich auf polnischen Boden wieder als Gruppe zusammen.“
[Konrad Weiß: Lothar Kreyssig. Prophet der Versöhnung, 1998, S. 380]

 

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Lothar Kreyssig (Quelle: Archiv des Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrums Magdeburg)

Oft wird ihnen jedoch die Ausreise nach Polen durch die DDR-Behörden verwehrt und die Lager finden im Inland statt. Diese Ausgrenzung befördert ein Selbstverständnis der kritischen Auseinandersetzung mit Geschichte, Verantwortung und Glaube.


(Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig)

 

Erfahrungen des kritischen Denkens

Geschätzte 14.000 Jugendliche nehmen an den Sommerlagern teil. Aktion Sühnezeichen versteht sich als unpolitisch und nicht Teil der DDR-Opposition. Doch der erlebte offene Geist in den Sommerlagern prägt manchen Jugendlichen im späteren gesellschaftlichen Denken und Handeln. So kommen nicht ganz zufällig u.a. vier Gründer der Bürgerbewegung "Demokratie Jetzt" von 1989 aus diesem Umfeld: Konrad Weiß, Ludwig Mehlhorn, Michael Bartoszek und Stephan Bickhardt.

Stephan Bickhardt: „Da gab es lange Diskussionsabende.“


Viele Jahre an der Organisation von Sommerlagern beteiligt, erzählt Bickhardt von den Möglichkeiten kritischer Debatten über Vergangenheit und Gegenwart.

 

Christian Sachse: „Wir flogen aus der LPG-Kantine raus.“


Staatliche Überwachung und individuelle Ressentiments gegenüber der unbekannten polnischen Kultur prägen mitunter die Sommerlager.

 

 Lebenslauf

Christian Sachse

  • geb. 1954 in Halle
  • 1974 Theologiestudium in Naumburg
  • 1983 Pfarrstelle in Torgau
  • Seit 1986/87 Organisator von Friedensseminaren
  • Umweltgruppe Torgau, Arbeitskreis Solidarische Kirche
  • September 1989 Ordinationsrechte entzogen
  • freischaffender Autor

Stephan Bickhardt

  • 1959 in Dresden geboren
  • 1976 - 1988 Aktion Sühnezeichen
  • 1977/78 Lehre zum Werkzeugmacher
  • 1979 – 1986 Studium der Theologie und Pädagogik in Naumburg
  • Mai 1985 Mitorganisator der "Initiative für Blockfreiheit in Europa"
  • Seit 1986 Kontakte zur Initiative Frieden und Menschenrechte Herstellung und Verbreitung von Samisdat-Literatur (Radix-Verlag)
  • Herbst 1986 Mitinitiator von "Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung"
  • Frühjahr 1989 Mitautor des "Aufruf Neues Handeln" (Aufstellung unabhängiger Kandidaten und zur Kontrolle der Auszählung der Kommunalwahlergebnisse vom 7.5.1989) September
  • 1989 Mitbegründer von Demokratie Jetzt (DJ)
  • 1990 Geschäftsführer, Mitglied im Sprecherrat und Länderausschuss von DJ
  • ab 1991 Pfarrer in Eberswalde, Leipzig, Markleeberg
  • seit 2007 Polizeiseelsorger, Leipzig

Lothar Kreyssig

  • geb. 1898 in Flöha, Sachsen
  • 1919 – 1922 Jurastudium in Leipzig
  • 1928 Richter in Chemnitz
  • 1935 Präses der Synode der Bekennenden Kirche in Sachsen
  • 1940 Zwangsbeurlaubung als Richter
  • 1942 Versetzung in den Ruhestand durch einen Erlass von Hitler
  • 1947 Präses der Sächsischen Kirchenprovinz
  • 1949 – 1961 Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
  • 1958 Gründung von Aktion Sühnezeichen
  • 1971 Übersiedlung nach Westberlin
  • 1986 gest. in Bergisch-Gladbach

 


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