Holger Kulick war Fernsehjournalist beim ZDF-Magazin „Kennzeichen D“. Er war eng vernetzt mit der Berliner Prenzlauer-Berg-Kunstszene.
Auch er arbeitete mit Roland Jahn zusammen, der ihm wichtige Kontakte vermittelte. Da das ZDF sich aber immer um eine offizielle Drehgenehmigung bemühte, war es für Kulick schwer seine vielen Eindrücke von der Ost-Berliner Subkultur im Fernsehen zu vermitteln. Hinzu kam, dass das westdeutsche Interesse (Einschaltquote) dafür eher gering war.
„Es half ein kleines Netzwerk schmuggelnder Diplomaten.“ - hier MP3 Ausschnitt herunterladen
Protokoll des Gesprächs:
Holger Kulick stellt sich zunächst vor und erzählt von seinem Vater, der 1952 in den Westen gegangen ist, weil er dort weiterstudieren konnte. Durch die vielen Besuche bei der Verwandtschaft in Neuruppin wurde er mit dem Alltag in der DDR vertraut. Ausführlich erzählt er von seinen Kindheitserfahrungen in und mit der DDR. Als 17- / 18-jähriger kommt er zufällig mit Reiner Kunze auf einer Lesereise nach dessen Ausreise ins Gespräch. Politisch bereits sehr interessiert, bekommt er Antworten über die Familiengeschichte seines Vaters hinaus.
Durch sein Studium in Mainz kam er 1980 zum ZDF. So wuchs er in den Fernsehjournalismus hinein. 1982 wechselte er während des Studiums nach West-Berlin und arbeitete u.a. für „aspekte“ und die Heute-Nachrichten. Darüber war er auch mit der DDR-Künstlerszene verbunden und ging in Ost-Berlin zu versteckten Ausstellungseröffnungen in irgendwelchen Kellerräumen. Nun war er mit einer Super-8-Kamera unterwegs. Über zwei Diplomatenfamilien der Ständigen Vertretung bekam er Mehrtagesvisa bzw. schmuggelten diese seine Bilder nach West-Berlin. Kulick berichtet über das Procedere für Kennzeichen D, eine offizielle Drehgenehmigung in der DDR zu bekommen. Da Kulick in der Ost-Berliner alternativen Szene unterwegs war, wollte er auch darüber eine Reportage machen, jedoch ohne Aussicht auf Genehmigung durch die staatlichen Stellen der DDR.
Roland Jahn verhalf der Kennzeichen D-Redaktion zu wichtigen Kontakten und Material. So auch für eine Reportage zur Razzia in der Umweltbibliothek 1987. Jedoch war man unter den ZDF-Verantwortlichen eher zurückhaltend. Man befürchtete Ärger mit der DDR-Seite und Einschnitte in ihrer Arbeit. Kulick erzählt von der politischen Arbeitsweise beim ZDF. Das „D“ bei Kennzeichen D stand für „Dialog“. Daher scheute die Redaktion ausführlicher über die oppositionelle Szene zu berichten. Man hielt sich eher an Kirchenvertreter, die die Probleme „diplomatischer“ beschrieben. Für Kulick war es oft eine unbefriedigende Situation. Er nennt einige Beispiele dafür, so auch die nichtgewährte Unterstützung nach Schabowskis Pressekonferenz am 9. November 1989, wo der Redaktionsleiter die Zeichen der Zeit nicht erkannte.
Kulick wusste, dass Siegbert Schefke und Aram Radomski im Zusammenspiel mit Roland Jahn für die illegalen Aufnahmen verantwortlich waren.
Abschließend reflektiert Kulick über das Interesse des Westens an der DDR-Berichterstattung. Demnach gab es für Kennzeichen D und KONTRASTE im Osten eine Einschaltquote von 60%, während sie im Westen zwischen 12 und 18% lag. Wer keine Verbindungen zur DDR hatte (Familien, Freunde, Ausreise), den interessierte das Thema nicht.