Die SED ist nicht mehr in der Lage, Strategien zur Problemlösung zu entwickeln. Die Parteiführung ist auch kein glaubwürdiger Dialogpartner. Sie ist nicht reformbereit und reformfähig. Poppe setzt aber auf die Gesprächsbereitschaft der Parteibasis. Viele Mitglieder würden die Notwendigkeit zur Veränderung anerkennen.
Ulrike Poppe, Berlin, September 1989, Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Armin Wiech
Biografisches:
Ulrike Poppe (Jg. 1953)
- 1971 bis 1973 Kunsterziehungs- und Geschichtsstudium in Berlin – Abbruch
- ab 1973 verschiedene Tätigkeiten
- 1980 Mitinitiatorin des ersten unabhängigen Kinderladens in Berlin (Ost)
- 1982 Netzwerk „Frauen für den Frieden“
- 1986 Initiative Frieden und Menschenrechte
- 1987 Berliner Vertreterin des DDR-weiten Netzwerks „Frieden konkret“, Arbeitskreis „Initiative für Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung“
- 1989 Mitbegründerin „Demokratie Jetzt“
Gesprächsprotokoll:
Länge: 3:49 min
Ulrike Poppe spricht von einer politischen Krise. Die SED ist nicht mehr in der Lage, Strategien zur Problemlösung zu entwickeln. Einen Indikator der Resignation in der Bevölkerung bilden die hohen Ausreisezahlen. Sie zählt Krisenmomente auf: Verfall der Altbausubstanz, Versorgungslage, Rechtsstaatlichkeit, Volksbildung, Gesundheitswesen, Infrastruktur. Die Opposition steht vor der Aufgabe, die politische Kultur zu fördern und Möglichkeiten einer gesellschaftlichen Kommunikation zu schaffen. Ansätze sieht sie in der Arbeit kirchlicher Gruppen. Mit Zeitungen, Seminaren, Foren, Formen einer demokratischen Kommunikation (Überlegungen zur Gründung von Parteien) wird Öffentlichkeit hergestellt.
Perspektivisch reicht der kirchliche Rahmen nicht aus, um diese Kommunikation zu fördern. Die SED-Führung ist kein glaubwürdiger Dialogpartner. Sie ist nicht reformbereit und reformfähig. Poppe setzt auf die Gesprächsbereitschaft der Parteibasis. Voraussetzung eines Dialogs ist, dass die SED den Führungsanspruch aufgibt und andere Meinungen gleichberechtigt annimmt.