Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Der Theologe favorisiert den polnischen Weg zur Demokratisierung, wonach die SED einige Mandate zur freien Wahl stellen solle. Voraussetzung wäre aber die Möglichkeit, sich organisieren zu können. Kritisch-intellektuelle Milieus sieht er nur in der Kirche und unter einzelnen Schriftstellern.

 

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Bild 1: Friedrich Schorlemmer beim Interview 1988, Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig
Bild 2: Friedrich Schorlemmer auf einer Veranstaltung des Neuen Forum, Leipzig, 18.6.1990, Quelle: Archiv Bürgerbewegung Leipzig / Bernd Heinze Foto

 

Biografisches:

Friedrich Schorlemmer (Jg. 1944)

  • 1962 bis 1967 Theologiestudium in Halle
  • 1971 bis 1978 Studentenpfarrer in Merseburg
  • 1978 Dozent am Evangelischen Predigerseminar in Wittenberg, Prediger an der Schlosskirche
  • Bildung von oppositionellen kirchlichen Gruppen
  • 1983 symbolträchtige Umschmiedung eines Schwertes zur Pflugschar in Wittenberg
  • 1988 "20 Wittenberger Thesen" zur umfassenden Demokratisierung der DDR vor
  • 1989 Mitbegründer „Demokratischer Aufbruch"

 

Gesprächsprotokoll:

Länge: 20:39

Schorlemmer reflektiert die Möglichkeiten einer organisierten Opposition. Knackpunkt ist der Verfassungsartikel, der die führende Rolle der SED festschreibt. Er würde gern in einer innersozialistischen Opposition mitwirken, um den bürokratischen Sozialismus durch einen demokratischen Sozialismus abzulösen. Bei gleichbleibender Politik hat der Sozialismus in der DDR keine Chance. Bis auf die Kirche und einzelne Schriftsteller gibt es keine unabhängigen intellektuellen Milieus, aus denen heraus politische Aktivität und Oppositionsgruppen entstehen könnten. Schorlemmer vermutet kritische Menschen in der SED. Es käme demnach erst innerhalb der Partei zu einer Diskussion, dann in der Öffentlichkeit. Doch für Dialogpartner muss die SED ihnen die Möglichkeit geben, sich organisieren zu können.

Zwei wesentliche Gründe führen zum Verlassen der DDR. Zum einen ist es die wirtschaftliche Differenz und zum anderen die Gängelung der Leute. Das Land ist in ökonomischer, ökologischer, menschlicher und geistiger Hinsicht ausgezehrt. Die Zeit der Beteiligung der Menschen durch das Schreiben von Eingaben ist vorbei, weil keine grundsätzlichen Fragen beantwortet werden. Zur Erneuerung der Gesellschaft sieht er einen evolutiven Weg statt eine eruptiven. Prinzipiell sieht er den Sozialismus als reformierbar an. Wenn keine Reformen kommen, dann verändert das die Menschen und sie werden konservativer. Als Beleg nennt er ein Beispiel von der Besetzung in der Budapester Botschaft.

 


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