Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Nach ihrer Ausreise erzählt die Zahnärztin ein Beispiel aus ihrem Arbeitsbereich (Tabletten-Fluoridierung), wie Entscheidungen zentral getroffen worden sind und wenig später zurückgenommen wurden, weil sie unsinnig sind. Es gibt kaum Spielräume, selbst zu entscheiden.

 

Gesprächsprotokoll:

Ehepaar Laffers, 18.3.1988, nach ihrer Ausreise

Länge: 38 min

Zunächst erklärt Frau Laffers ihre Beweggründe zur Ausreise. Ihnen ging es materiell gesehen sehr gut (sie: Kieferorthopädin, Leiterin der Jugendzahnklinik Eilenburg, er: wissenschaftlicher Mitarbeiter in Hoch- und Fachschulwesen, Wirtschaftswissenschaft), doch die permanente Bevormundung durch den Staat veranlasste sie zur Ausreise. Auch in ihrem Arbeitsfeld gab es Probleme, die zur Entscheidung beigetragen haben. Frau Laffers nennt Beispiele (Tablettenfluoridierung).

Herr Laffers benennt so wohl familiäre Gründe als auch berufliche. Durch die Teilung Deutschlands ist auch die Familie getrennt. Als Hochschullehrer hat er Lehrinhalte zu vermitteln, die mit seiner persönlichen Meinung nichts zu tun hatten. Er nennt ein Beispiel, wie die Einführung von Delikat- und Exquisitläden diskutiert wurde. Es gibt dieses „Doppelleben“. Privat äußert man sich anders als im Dienst. Im Arbeitsalltag ist man Zwängen unterworfen, die man akzeptiert. In der Freizeit und im Privaten fühlt man sich da freier, denn da kann der Staat nicht ohne weiteres hineinreden. Die Kleingartenanlagen wären solche Freizonen.

Der Opportunismus, so Frau Laffers, sei schon in der Kindheit mit dem Schulsystem angelegt. Man akzeptiert die Vorgaben, um sich den schulischen / später beruflichen Weg nicht zu verbauen. Leistung (Noten) allein entscheiden nicht, sondern auch sozialistisches Engagement in der Freizeit. Bei ihr selbst war es so, dass sie sich erst nach der Schule hat konfirmieren lassen. Vorher hat sie alles mitgemacht (Pioniere, FDJ, Jugendweihe). Im Studium hat sie sich ähnlich verhalten. Auch ihre eigenen Kinder hatten dieses Doppellaben (Schule / Privat) geführt. Ihr ganzer beruflicher Werdegang (Facharztausbildung, Dissertation) war davon geprägt, sich neben dem Fachlichen auch immer politisch zu betätigen. Jetzt habe sie eine Stellung erreicht, um aus dem „Doppelleben“ auszusteigen. Mit der Ausreise wollen sie endlich „mündig“ werden.

Frau Laffers erzählt ein Beispiel zur Versorgung in der DDR. Für bestimmte Dinge (Südfrüchte) müsse man sich anstellen, was aber in ihrer Arbeitszeit gar nicht geht. Ein weiteres Beispiel der dauernden Bevormundung sind die Besuchsreisen zu Familienangehörigen in der Bundesrepublik. Ihr wurden viele Anträge ohne Begründung gestrichen. Dieses dauernde nur „hinnehmen“ können frustriert.

Beide haben aber in den letzten Jahren wahrgenommen, dass die Menschen auch stärker ihren Unmut in der Öffentlichkeit äußern. Zwar hat man mit den Besuchsreisen in den Westen ein kleines Ventil geschaffen, trotzdem nehmen die Anträge auf ständige Ausreise zu. Die DDR wird das Problem nicht in den Griff bekommen, außer es ändert sich prinzipiell etwas. Die Forderung von US-Präsident Ronald Reagan vom 12.6.1987 vorm Brandenburger Tor („Mr. Gorbatschow, open this gate! Mr. Gorbatschow, tear down this wall!“) halten sie für utopisch. Wenn dies eintreffen sollte, so wäre niemand mehr in der DDR. Die Leute sollten sich aber aus freien Stücken vom Westen eine Meinung bilden können, indem man sie reisen lässt.

Das Ausreise-Problem wächst der DDR über den Kopf. Herr Laffers prognostiziert einen weiteren Anstieg. Aus dieser Krise wird es Anstöße für Veränderungen geben. Das ist unumgänglich und die Führung muss darauf reagieren.

 


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