Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Unterschiedliche Voraussetzungen der Opposition

Cover Peace University | Quelle: Robert-Havemann-GesellschaftDie lange Tradition des Widerstandes in Polen wirkt inspirierend und mobilisierend auf die Opposition in der DDR der 1980er Jahre. Genau verfolgt man deren Entwicklung – von der Annäherung zwischen katholischen Laien und Linken in den „Klubs der katholischen Intelligenz“ seit den 1960er Jahren bis zur Verbindung zwischen Intellektuellen und Arbeitern mit der Gründung von KOR (Komitet Obrony Robotnikow - Komitee zur Verteidigung der Arbeiter) im Jahr 1976. Diese Bündnisse führen zum Erfolg der unabhängigen Gewerkschaft Solidarność 1980.
Das universelle Thema sind die Menschenrechte, ohne die ein dauerhafter Frieden in Europa nicht möglich wird.
Polnische Oppositionelle suchen immer wieder den internationalen Kontakt. Durch die Überwindung der Blockgrenzen (Ost-West-Konflikt) soll die eigene Unabhängigkeit vom sowjetischen Imperium erreicht werden.

Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft


PDF Download: Liebe Freunde in Polen. Bild: subjug/iStockphoto Stephan Bickhardt weist 1986 auf die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in der DDR und in Polen hin. Die DDR-Opposition muss die deutsche Schuldfrage und die deutsche Teilung bedenken. Die globale Blockkonfrontation kulminiert in der Teilung Deutschlands, d.h. ein Demokratisierungsprozess in der DDR ist an weltpolitische Interessen gebunden. (Quelle: ABL)


Wichtige Kontaktpersonen zur polnischen Opposition sind Ludwig Mehlhorn und Wolfgang Templin.

Cover Peace University | Quelle: Robert-Havemann-GesellschaftLudwig Mehlhorns (1950-2011) Credo war „Solidarität zwischen Völkern lässt sich nicht anordnen. Sie braucht Worte.“ Erst recht bei solch unterschiedlichen historischen Erfahrungen und religiösen Traditionen wie zwischen Deutschen und Polen.

Dementsprechend vermittelt er über viele Jahre und organisiert Netzwerke. Auf Grund seiner Polnisch-Kenntnisse übersetzt er polnische Untergrund-Schriften ins Deutsche. Ein Reiseverbot zwischen 1981 und 1987 schafft all dem keinen Abbruch.


PDF Download: ODER – Literarische Texte. Bild: subjug/iStockphoto Als Mitherausgeber veröffentlicht Mehlhorn 1987 literarischer Texte zur deutsch-polnischen Verständigung im Untergrundverlag „Radix“. „Auf dem Weg über die ODER (etwas weiter südlich die Neiße) fahren wir in das Land, das vielen Deutschen fremd vorkommt.“ (Quelle: ABL)

 

Initiative Frieden und Menschenrechte – IFM

Wolfgang Templin, Ralf Hirsch, Bärbel Bohley, Ulrike und Gerd Poppe | Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft Besonders für die im März 1986 gegründete „Initiative für Frieden und Menschenrechte“ (IFM) stehen die Erfahrungen des KOR und der Charta 77 in der ČSSR Pate. Sie ist die erste von der Kirche unabhängige Oppositionsgruppe in der DDR. Der Impuls zur Gründung ist, in der DDR konkrete Menschenrechtsarbeit zu leisten und das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Dabei will man auf die Oppositionserfahrung der osteuropäischen Länder zurückgreifen. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Wolfgang Templin, Ralf Hirsch, Bärbel Bohley, Ulrike und Gerd Poppe. Eine feste Organisationsstruktur gibt es nicht - Mitglied wird, wer etwas tut.

 

„Die Initiative Frieden und Menschenrechte ist eine Gruppe mit nicht festgeschriebenen Mitgliedern, sie existiert durch deren Mitarbeit, was die Mitgliedschaft in ihr ausmacht. Sie ist ein Zusammenschluß von Engagierten, von Christen und Marxisten, von Arbeitern und Intellektuellen. Sie überläßt den einzelnen die individuelle Entscheidung der Form seiner Mitarbeit, läßt Spielräume für Einzelaktivitäten. Mitglieder der Initiative nutzen internationale und nationale politische Ereignisse, um ihre Vorstellungen zur Menschenrechtsfrage in der DDR und Osteuropa darzulegen und rufen zur Auseinandersetzung auf.“ (Januar 1986)

IFM 1987

IFM 1987, v.l.: Ulrike Poppe, Martin Böttger, Antje Böttger, Stephan Bickhardt, Regina Templin, Ralf Hirsch, Rainer Dietrich (IM der Staatssicherheit), Wolfgang Templin (Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft)

Untergrund-Zeitschrift „grenzfall“

Grenzfall""
Große Bedeutung hat die vom IFM herausgegebene Zeitschrift „grenzfall“. Während die Nr. 1 zur Berliner Friedenswerkstatt im Juni 1986 innerhalb kirchlicher Räume verteilt wird, bildet die Nr. 2 die eigentliche Startauflage.

PDF Download:  Grenzfall Nr. 2. Bild: subjug/iStockphotoAls A6-Fotoabzüge werden 50 Stück von Hand zu Hand weitergereicht. (Quelle: ABL)

 


Zwischen 1986 und 1989 erscheinen 17 Ausgaben mit einer Auflage von 800 bis 1.000 Exemplaren. „grenzfall“ ist die erste Untergrundzeitschrift, die unabhängig von der Kirche erscheint. Beiträge über Polen dienen dabei immer wieder als mobilisierendes Vorbild.

Bernd Oehler: "Die haben richtig Massen bewegt."
Eine wichtige Quelle sind persönliche Erlebnisse in Polen.

Lebenslauf Bernd Oehler

 Björn: "Reiseimpressionen aus Polen oder Eine Lektion Zivilcourage"

 


Berlin, 29.6.1986: Stand der „Initiative Frieden und Menschenrechte“ auf der Friedenswerkstatt in der Erlöserkirsche (v.l.: Peter Rölle, Monika Haeger, Martin Böttger, Gerd Poppe, Ruth Kibelka). | (Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft)

„WiP“ und „IFM“

Logo WiP | Quelle: ABL
Zu einer besonders intensiven Zusammenarbeit kommt es zwischen der IFM und der polnischen Oppositionsgruppe „Wolnośc i pokój“ (WiP - Freiheit und Frieden). Deren Statements auf Abrüstungskonferenzen in Westeuropa gelangen nach Ostberlin und man fühlt sich diesen eher verpflichtet als der heterogenen Solidarność.
Ein gemeinsames Thema ist der Kampf um die Auflösung der politischen Blöcke. Brennende Menschenrechtsfragen seien nur in diesem Zusammenhang zu lösen.

(Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft)
(Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft)

Flugplattaktion von Wolność i Pokoj 1987 in Warschau. Sie fordern die Freilassung tschechischer und ungarischer Aktivisten. (Quelle: Stiftung Zentrum Karta)
Flugplattaktion von Wolność i Pokoj 1987 in Warschau. Sie fordern die Freilassung tschechischer und ungarischer Aktivisten. (Quelle: Stiftung Zentrum Karta)

Auch umgekehrt setzt man sich von DDR-Seiten für die Freilassung polnischer Dissidenten ein. (Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft)
Auch umgekehrt setzt man sich von DDR-Seiten für die Freilassung polnischer Dissidenten ein. (Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft)

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Briefmarken sind in Polen ein probates Mittel, Öffentlichkeit zu erreichen. (Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft)


Im Mai 1987 veranstaltete - Wolność i Pokoj - ein internationales Friedensseminar. Trotz Ausreiseverbote können Vorschläge der DDR-Opposition durch westdeutsche Initiativen in das Seminar eingebracht werden.

Gerd Poppe: „Nur die Überwindung des Status Quo führt zum Frieden.“
Auf dieser Grundlage kommt es zur Zusammenarbeit verschiedener internationaler Gruppen, so auch mit „Wolność i Pokoj“.

Lebenslauf Gerd Poppe

 


PDF Download:  AufrufMit dem Bezug auf die gesellschaftlichen Veränderungen in der Sowjetunion, Ungarn und in Polen öffnet sich die bisher auf Berlin beschränkte „Initiative für Frieden und Menschenrechte“. Am 11. März 1989 ruft sie zur DDR-weiten Mitarbeit auf.

 


Montagsdemonstration in Leipzig 27.11.1989


Thomas Rudolph, einer der drei DDR-weiten Sprecher von IFM, kündigt einen Runden Tisch für die DDR an - so wie in Polen und Ungarn.
Quelle: ABL / G. Gäbler


„Wind of Change“: Am 23. April 1990 wird der Bürgerrechtler Markus Meckel, jetzt Außenminister der DDR, vom einstigen Militärdiktator und nunmehrigen Präsidenten der Republik Polen Wojciech Jaruzelski in Warschau empfangen. (Quelle: Bundesarchiv)

Lebensläufe

Gerd Poppe

  • 1941 geboren
  • 1959 bis 1964 Physikstudium in Rostock
  • 1965 bis 1976 Physiker im Halbleiterwerk Stahnsdorf
  • seit der Niederschlagung des Prager Frühling 1968 in der politischen Opposition
  • Organisation verschiedener informeller Gruppen
  • 1977 bis 1984 Maschinist in einer Berliner Schwimmhalle
  • 1980 bis 1989 generelles Auslandsreiseverbot
  • 1984 bis 1989 Ingenieur beim Diakonischen Werk
  • Mitinitiator der „Initiative Frieden und Menschenrechte“ 1985
  • Mitherausgeber und Autor in verschiedenen illegalen Publikationen
  • 1989/90 Mitglied am Zentralen Runden Tisch der DDR
  • 1990 bis 1998 Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90 / Die Grünen
  • 1998 bis 2003 Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung

 

Bernd Oehler

  • in der Nähe von Crimmitschau 1960 geboren
  • 1980 – 82 Bausoldat
  • 1983 Theologiestudium in Leipzig
  • Mitarbeit in oppositionellen Gruppen, enger Kontakt zur "Initiative Frieden und Menschenrechte"
  • Unter dem Decknamen "Björn" schrieb er für den "Grenzfall".
  • Heute: Gemeindepfarrer in Meißen

 


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