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Ungenierte Lügen
Ende der 1980er Jahre mangelt es nicht an Versuchen der DDR-Führung, ihre Haltung gegenüber Rumänien vor der eigenen Bevölkerung zu rechtfertigen. Auch die SED schickt Korrespondenten nach Rumänien, die auf ihren Reisen jedoch zu ganz anderen Eindrücken kommen:
„Außerordentlich positiv […] wirke sich die vollständige Rückzahlung der Auslandsschulen Rumäniens auf die Lage des Landes und nicht zuletzt auf das Denken seiner Bürger aus. […] In Gesprächen […] wurde immer wieder auf die Ergebnisse allseitiger Zusammenarbeit mit unserem Land verwiesen.“
Rumänien liegt innerhalb der kleinen bereisbaren Welt der DDR. Offizielle Nachrichten werden damit überprüfbar.
„Ich habe mir den Vorschlag zu Herzen genommen und bin nach Rumänien gefahren.“
Als Eingabe formuliert werden eigene Erlebnisse denen des SED-Korrespondenten gegenübergestellt und es wird eine Änderung der Politik gefordert. Das Antwortschreiben relativiert die Verhältnisse, denn im historischen Kontext gesehen, hätte sich in Rumänien eine ganze Menge entwickelt. (Quelle: ABL)
Anstehen vor einem Lebensmittelladen in Bukarest, 1986. Quelle: Privat
Internationaler Solidaritätstag am 15.11.1988
Am 15. November 1988, zum ersten Jahrestag der Arbeiterproteste in Braşov, rufen verschiedene europäische Menschenrechtsgruppen und Exil-Rumänen zu einem weltweiten Aktionstag gegen die rumänische Diktatur auf.
Plakat: Aufruf zu einem weltweiten Aktionstag gegen die rumänische Diktatur (Quelle: ABL)
In der Wahrnehmung der Menschen hat das Bündnis zwischen Honecker und Ceauşescu Symbolcharakter gegen jedwede Veränderung in der DDR. Solidaritätsaktionen mit dem rumänischen Volk werden dadurch automatisch zu oppositionellen Handlungen gegen die SED. Aktionsorte sind kirchliche Räume und die Kommunikation kann nur in den Zeitschriften des Untergrundes stattfinden. Darin finden sich auch kritische Stimmen, nämlich inwieweit ein Engagement für Rumänien „echt“ sei oder nur dem oppositionellen Ego gegen die DDR diene.
Zeitschriften des Untergrundes (Quelle: ABL)
Der Aktionstag bringt deutsch-deutsche Kulturprojekte „von unten“ zusammen. So findet u.a. unter dem Titel „Europäische Normalität?“ eine zeitgleiche Fotoausstellung in West-Berlin und Potsdam statt.
Ausstellung Europäische Normalität? (Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft)
„Wir dürfen nicht schweigen!“
Bereits am 29.10.1988 findet in Leipzig ein „Tag der Solidarität mit Rumänien“ statt. Dabei wird eine Protesterklärung erarbeitet, die von 89 Teilnehmern unterzeichnet wird. Das Schreiben findet Verbreitung in Ost und West. Am 27.1.1989 findet hier ein zweiter „Leipziger Rumänientag“ statt. (Quelle: ABL)
Eine Mobilisierung erfahren die Aktionen durch die gleichzeitig stattfindende Friedensdekade der evangelischen Kirche und dem angekündigten Besuch Ceauşescus in der DDR zwei Tage später.
Veranstaltungen mit größerer Ausstrahlung finden in vielen Städten der DDR statt.
Orte anzeigen/ausblendenWernigerode15.11. Andacht und Geldsammlung Leitzkau Thema der Friedensdekade der evangelischen Kirche, Briefaktion an Erich Honecker und Nicolae Ceausescu Naumburg 15.11. Podiumsdiskussion Leipzig 29.10. Rumänientag in der Stephanuskirche L.-Mockau 27.1.1989 zweiter Rumänientag in der Pauluskirchgemeinde L.-Grünau Zwickau 15.11.1998 Informationsveranstaltung und Resolution an die UNO Berlin 21.10. Informationsabend und Paketaktion in der Elias-Gemeinde 1.11. Friedensgebet in der Golgatha-Gemeinde 13.11.-20.12. Ausstellung der "Initiative Frieden und Menschenrechte" in der Gemeinde am Fennpfuhl 14.11. Lesungen / Gespräche / Fotos im Friedenskreis Friedrichsfelde 15.11. Informationsabend der "Initiative Frieden und Menschenrechte" in der Gethsemane-Gemeinde mit ca. 700 Besuchern 16.11. Gottesdienst und Solidaritätskonzert in der Gemeinde am Fennpfuhl Potsdam 15.11. Ausstellung und Informations- veranstaltung Markleeberg 16.11. Information und Fürbitte Stollberg 15.11. Berichte und Informationen Dresden 15.10.-16.11. Ausstellung und Abend- veranstaltungen in der Versöhnerkirche 15.11.1988 Rumänienabend im Gemeindehaus Leubnitz Meissen Friedensseminar im Oktober, seit mehreren Jahren laufende Info- und Paketaktionen für Rumänien Spremberg 15.11. Solidaritäts- und Informationsabend im Ortsteil Graustein Zittau 14.11. Informationsabend, Offener Brief an Erich Honecker, Organisation von Hilfstransporten nach Brasov |
Dieses Engagement und diese Anteilnahme erklären das große Interesse von DDR-Bürgern am rumänischen Schicksal im Dezember 1989.
Neue Möglichkeiten gegen Ceauşescu
Quelle: ABL / M. Kellermann
Mit dem Machtverlust der SED im Zuge der Herbstdemonstrationen 1989 verschwindet eins der zwei politischen Hemmnisse für eine direkte Hilfe nach Rumänien. Bereits ab November werden neue Hilfslieferungen unternommen und das Ceauşescu-Regime jetzt offen bekämpft.
Anlässlich des 2. Jahrestages des Aufstandes in Braşov ziehen am 15.11.1989 ca. 300 Demonstranten vor die rumänische Botschaft in Berlin. Aufgerufen hatte dazu der Berliner Verband der Bildenden Künstler.Quelle: Bundesarchiv
Schweigemarsch am 20.11.1989 in Berlin | Quelle: Bundesarchiv