Späte Freundschaft
Im November 1988 erteilt die SED den Reformbedürfnissen der DDR-Bevölkerung eine klare Absage. Demonstrativ überreicht SED-Chef Honecker am 17. November die höchste DDR-Auszeichnung, den Karl-Marx-Orden, an den rumänischen Diktator. Die moralische und ideologische Phalanx der Beiden macht das zeitgleiche Verbot der sowjetischen Zeitschrift „Sputnik“, die über die dortigen Reformen berichtet, unübersehbar.
Von der Stasi gesammelte Reaktionen der Bevölkerung (Quelle: BStU)
In der Nacht vom 17. zum 18. November tauchen an Häuserwänden von Kahla (Thüringen) verschiedene Losungen auf. Einen Tag später werden drei Jugendliche verhaftet und wegen „Rowdytums“ zu 1 Jahr und 6 Monate auf Bewährung verurteilt. (Bild: Auszug aus dem Strafgesetzbuch der DDR) |
"Volkssport" Eingaben schreiben
Artikel 103 der DDR-Verfassung schreibt die Möglichkeit von Beschwerden (Eingaben) der Menschen bei staatlichen Instanzen fest. Ziel ist die öffentliche Teilhabe der Bevölkerung in der Hoffnung, dass die Menschen der staatlichen Ordnung ja vertrauen können. Eine Eingabe muss innerhalb von 4 Wochen beantwortet werden. Das Eingabengesetz von 1975 bestimmt allerdings, dass die Entscheidungen der Leiter zentraler Staatsorgane endgültig sind.
Das Recht auf Beschwerde ist ein „scheindemokratisches“ Instrument, denn der Einzelne bleibt der subjektiven Sicht von Partei-Genossen ausgeliefert. Trotzdem wird massenhaft von der Möglichkeit des Schreibens einer Eingabe Gebrauch gemacht, bringt man doch damit staatliche Instanzen mit unter in erhebliche Erklärungsnöte. In den 1980er Jahren entsteht daraufhin ein neuer „Volkssport“. Die Anlässe für eine Eingabe sind dabei sehr vielfältig. Rolf Sprink: „Wir haben uns einen Spaß daraus gemacht, dieses System zu piesacken.“
Lebenslauf Rolf Sprink
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Statistik über die Eingaben, die allein an das Büro von Erich Honecker in seiner Funktion als Staatsratsvorsitzender geschrieben werden. (Quelle: Bundesarchiv)
„Eine Würdigung des Gen. Ceausescu wird angezweifelt“ Besonders dramatisch sind Eingaben mit einer Unterschriftenliste. Die SED vermutet dahinter gleich eine sich bildende Organisation. Dementsprechend werden die 44 Studenten der Martin-Luther-Universität Halle abgestraft und mancher exmatrikuliert.
Quelle: BStU