Volksfrontbewegung
Den Machtkampf im besetzten Jugoslawien hat Tito, nicht zuletzt durch die Unterstützung der alliierten Mächte, für sich entschieden. Damit hat er eine starke Verhandlungsposition gegenüber seinen innerjugoslawischen Gegnern bei der Neuordnung des Staates. Taktisch geschickt tritt er dabei nicht als Kommunist auf, sondern als Vertreter der im Krieg gewachsenen Volksfront. (Quelle: archive.org)
Quelle: Drug Tito, Tiskarna Ljubljana
Es folgt eine Flut von Vergeltungsmaßnahmen durch die Kommunisten in Form von Massenhinrichtungen, Verhaftungen und Zwangsarbeit. Die historische Aufarbeitung dieser Gräueltaten steht bisher noch weitgehend aus.
Solidargemeinschaft
Der kommunistische Sieg ist nicht nur allein auf den Terror zurückzuführen. Die von den Kommunisten geführte Volksbefreiungsarmee ist die einzige Kraft, die alle jugoslawischen Nationen integriert - und darüber hinaus auch die Frauen in der patriarchal determinierten Gesellschaft.
Im Staatswappen des sozialistischen Jugoslawien sind seit 1943 die fünf Republiken als Fackeln in einer gemeinsamen Flamme vereint.
(Seit 1963 gibt es sechs Fackeln, nachdem die bosnischen Muslime als Staatsvolk anerkannt werden).
Quelle: archive.org, Nachkriegs-Jugoslawien
Offizielle Anrede wird nicht wie in den anderen Volksdemokratien die Bezeichnung „Genosse“, sondern „Kamerad“ und integriert damit auch die Menschen, die keine Parteimitglieder sind. Alle Menschen sind gleich. Dieser Grundsatz solle tradierte Konflikte wie von selbst lösen.
„Drug [Kamerad] Tito“ ist trotzdem „etwas gleicher“.
Tito am 26. Mai 1945 im kroatischen Kumrovec | Quelle: Drug Tito, Tiskarna Ljubljana
Die KPJ steht und fällt mit dem Gelingen der Integration und wie sich zeigen wird, steht und fällt der Staat mit der KPJ.
Gründungsmythos
Die Erfahrungen im II. Weltkrieg bilden die konstituierende Kraft des sozialistischen jugoslawischen Staates. Die Auseinandersetzung mit diesen Ereignissen dient dabei weniger einer „Vergangenheitsaufarbeitung“, als vielmehr der Stabilisierung des Gründungsmythos. Es gibt nur „Gut“ und „Böse“.
Zentraler Bestandteil der Gründung des zweiten Jugoslawiens ist der Opfermythos. Je größer die Zahl, umso notwendiger und gerechtfertigter ist der kommunistische Neuanfang. Dementsprechend beziffert Tito bereits 1945 die Opfer auf 1.7 Mio. bei 16 Mio. Einwohnern.
Angesichts des Bürgerkrieges im Weltkrieg, den ethnischen Säuberungen und den kommunistischen Vergeltungsmaßnahmen ist es nahezu unmöglich gesicherte Zahlen zu erheben.
(Die neueste Forschung geht von ca. einer Million Kriegsopfern aus und etwa 700.000 Menschen, die Opfer des Terrors während und nach dem Krieg geworden sind. – vgl. H. Sundhaussen: Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten 1943-2011)
Das Land wird in den Folgejahren mit Partisanendenkmälern und Erinnerungsorten überzogen.
Dieser jugoslawische Gründungsmythos hat sich in den 1980er Jahren überlebt und wird von einer Vielzahl nationaler Opfermythen abgelöst. |
Jugoslawischer Stalinismus
Die KP Jugoslawiens ist der „Musterschüler“ bei der Errichtung sozialistischer Verhältnisse. Im Selbstverständnis der jugoslawischen Kommunisten kommt in der Rangordnung nach „Generalissimus“ Stalin gleich „Marschall“ Tito.
Schleichend übernimmt die KPJ die politische und wirtschaftliche Macht. Bei den Parlamentswahlen am 11.11.1945 erzielte die „Volksfront“ 90% der Stimmen. Auch wenn die Wahlen manipuliert sind, entscheidet sich doch die Mehrheit der Bevölkerung für einen Neuanfang. Schneller als in den benachbarten „Volksdemokratien“ werden dadurch nichtkommunistische Parteien liquidiert.
Am 29.11.1945 wird die „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ (FNRJ) ausgerufen und am 31.1.1946 wird eine neue Verfassung verabschiedet, die der sowjetischen von 1936 nachempfunden ist. Innovativ gegenüber allen bisherigen Konzepten ist das Ziel einer Solidargemeinschaft des ethnisch durchmischten und konfliktreichen Jugoslawiens.
Jugoslawien gleicht nicht nur durch die immensen Kriegszerstörungen einem Armenhaus. Eine Modernisierung des Landes ist gleichbedeutend mit dem sozialistischen Aufbruch. Bereits Ende 1945 befinden sich 80% der wichtigen Wirtschaftsunternehmen in Staatseigentum. Die spärlichen Ressourcen werden zentral zugeteilt. Bis 1948 hat sich die Verstaatlichung auch auf die kleinen Betriebe ausgeweitet. Als Vorbild dient die sowjetische Wirtschaftspolitik. Im Gegensatz zu Stalins Agrarpolitik gibt es jedoch keine Zwangskollektivierung auch kleiner Flächen in der Landwirtschaft. Die Masse der Widerstandskämpfer sind Bauern und die Partei hat ihnen den Schutz ihres Eigentums zugesichert. In einer Bodenreform wird Großgrundbesitz und das Land von Kollaborateuren und den Jugoslawiendeutschen an ehemalige Partisanen verteilt bzw. verstaatlicht.