Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Konfessioneller Protest

Überschrift

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Neues Deutschland vom 8.7.19856. - 7. Juli 1985
An den St. Cyrill- und Methodius-Feierlichkeiten im mährischen Velehrad nehmen zur Überraschung und zum Unbehagen des Regimes 200.000 Gläubige teil. Das Regime versucht, die christliche Wallfahrt in ihrem Sinne zu beeinflussen. Als der Kulturminister Klusák die Menge zum „Friedensfest“ begrüßt, wird er von den Gläubigen ausgelacht und ausgepfiffen. In Sprechchören riefen die Teilnehmer nach Religionsfreiheit, dem Papst und der Kirche.
Der Prager Erzbischof Tomásek hatte anlässlich des 1.100. Todestages des Heiligen Methodius auch Papst Johannes Paul II. eingeladen – die Einladung unterschrieben 18.000 Menschen.
Das Ereignis in Velehrad löst in einer Kettenreaktion einen verstärkten Zustrom zu christlichen Pilgerfahrten in Böhmen und Mähren aus. Es trägt dazu bei, die bürgerliche mit der kirchlichen Opposition zu verbinden und bringt Tschechen und Slowaken einander näher.

 

Velehrad, 1985 | Quelle: ČTK
Velehrad, 1985 | Quelle: ČTK

Die Restriktionen gegenüber Gläubigen verschärften sich mit der Wahl Papst Johannes Paul II. im Jahr 1978. Die kommunistische Führung befürchtet einen ähnlichen Impuls wie in Polen.

Stalinistische Methoden der Säkularisierung bleiben an der Tagesordnung:

→ Der seit Dezember 1980 mit Berufsverbot belegte Seelsorger Anton Zlatohlavy wird 1981 verhaftet und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, weil er illegal in seiner kleinen Gemeinde in der Ostslowakei ein Pfarrhaus errichtet hat.

→ 1981: In Bratislava wird ein Arbeiter zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil er als heimlicher Ordensbruder jungen Roma und Sinti Religionsunterricht erteilt hatte.

→ Im September 1981 werden in Olmütz zwei Priester und vier Laien der Untergrundkirche angeklagt, weil sie illegal eine Druckerei für religiöse Schriften betrieben haben. Einer der Priester wird später nochmals vor Gericht gestellt, weil er zwei westdeutsche Glaubensbrüder über die Lage der Kirche in der ČSSR informiert.

→ 1981: Ende Oktober stürmen Polizisten das Kloster Kadan, das 90 Ordensschwestern beherbergt. Es werden religiöse Schriften und Vervielfältigungsmaschinen beschlagnahmt, obwohl diese amtlich angemeldet sind. Zusätzlich wird das Gerücht verbreitet, die Nonnen hätten sechs Polen versteckt und einen Geheimsender betrieben. Eine ähnliche Aktion findet auch in dem Männerkloster Zdar nad Sazavou in Mähren statt.

 

Jugendlicher Protest

Quelle: archive. orgZu einer „Pilgerfahrt“ der ganz anderen Art kommt es am 8. Dezember 1985. Es wird der 5. Todestag des Ex-Beatles John Lennon, der 1980 einem Attentat zum Opfer fiel, begangen. Über 600 Jugendliche aus verschiedenen Teilen des Landes kommen nach Prag. An einer unscheinbaren Altstädter Mauer ist seit 1981 die „John Lennon Wall“ entstanden, die Jugendliche alljährlich mit Songzitaten und Losungen bemalen, auch wenn das Regime die Mauer immer wieder übertüncht.

 

John-Lennon-Wall

PDF Download: Bericht 8.12.1985 Bild: vusta/iStockphoto„Wir wollen Freiheit! Wir wollen Frieden!“
Aus dem Andenken entwickelt sich ein politischer Protestzug durch die Prager Innenstadt, dem sich immer mehr Menschen anschließen.
Aus Infoch 1/1986 | Quelle: ABL

 

John-Lennon-Wall, 2011, Quelle: privat
John-Lennon-Wall, 2011, Quelle: privat

Neues Deutschland vom 8.7.1985Des Weiteren wird eine jugendliche Subkultur, ähnlich wie in der DDR, auf Grund ihres äußeren Erscheinungsbildes kriminalisiert. Mit den anfänglich unpolitischen Punks sind die sozialistischen Organe überfordert. Ihr Habitus passt in keinen sozialistischen Alltag. Sie nehmen sich Freiheiten ohne sich unter- und einzuordnen. Oft sind es erst die Ausgrenzung und die Diskriminierung, die die Jugendlichen politisieren.

Literatur: Gitarren und Geschrei - oder was hinter der Mauer war:
Punk und Hardcore in der Tschechoslowakei vor 1989. (Bisher gibt es keine deutsche Auflage.)

1987 versuchen Punks aus Pilzen, den Repressionen gegen sie zu begegnen. In der ČSSR werden derart unangepasste Jugendliche in psychiatrische Anstalten oder Jugendgefängnisse gesperrt. Auch wenn ihre Petition an Staatschef Husák daran nichts ändert, so wird ihr Leidensdruck durch die Charta 77 öffentlich gemacht.


Quelle: Open Society Archive Budapest


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